Die Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt ist ein Rückschlag für die europäischen Pläne einer von Asien unabhängigen Batteriefertigung für Elektromobilität. Nach den USA hat der Konzern auch in seiner Heimat die Reißleine gezogen. Zwar sollen die Bauarbeiten für die bei Heide in Schleswig-Holstein geplante Fabrik zur Fertigung von Zellen für bis zu einer Million Elektroautos pro Jahr weitergehen - doch wie lange noch?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hofft auf eine Rettung. „Ich bin noch immer guter Hoffnung, dass über das Insolvenzverfahren ein neuer Investor gefunden wird - sowohl für Heide wie auch vielleicht für das schwedische Mutterunternehmen.“ Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagt, Deutschland brauche eine eigene Batteriezellproduktion.
- Northvolt: Batteriehersteller beantragt Gläubigerschutz
- Batteriezellen: BMW storniert Milliardenauftrag bei Northvolt
- Northvolt: Entlassung von 1.600 Mitarbeiter in Schweden
- Northvolt-Krise: Für Bund und Land Millionen auf dem Spiel
„Nach umfassenden Bemühungen, alle verfügbaren Mittel zur Sicherung einer tragfähigen finanziellen und betrieblichen Zukunft für das Unternehmen auszuloten, hat der Aufsichtsrat der Northvolt AB heute bekanntgegeben, dass das Unternehmen in Schweden Insolvenz angemeldet hat“, hieß es in der Mitteilung des Konzerns. Wie viele Unternehmen in der Batteriebranche habe man in den vergangenen Monaten eine Reihe von Herausforderungen mit Folgen für die eigene Finanzlage erlebt, darunter steigende Kapitalkosten, geopolitische Instabilität und Lieferkettenprobleme. Hinzu seien interne Herausforderungen beim Hochfahren der Produktion gekommen.
Monatelange Krise bei Northvolt
Northvolt galt als Produzent der Batterien für E-Autos lange Zeit als große Hoffnung für die europäische Automobilindustrie. Nach dem Einleiten eines Expansionskurses und mehreren Rückschlägen – wie dem Rückzug eines Milliardenauftrags für Batteriezellen durch den Autobauer BMW – musste der Konzern jedoch kräftig zurückrudern und mit Finanzierungsproblemen und hohen Schulden fertig werden.
Im September 2024 hatte das Unternehmen angekündigt, schätzungsweise 1.600 Beschäftigte in Schweden zu entlassen und mehrere Expansionspläne auf Eis zu legen. Zwei Monate später beantragte es schließlich Gläubigerschutz in den USA: Mit einem Restrukturierungsverfahren gemäß Chapter 11 des US-Insolvenzrechts wollten sich die Schweden vor Forderungen der Gläubiger schützen und gleichzeitig einen finanziell gangbaren Weg in die Zukunft als eigenständiges Unternehmen finden – ohne Erfolg, wie sich nun zeigt.
All die Verhandlungs- und Restrukturierungsbemühungen haben nach Northvolt-Angaben nichts genützt, um den finanziellen Rahmen für eine Fortführung des Betriebs in Schweden in seiner jetzigen Form zu gewährleisten. Man sei daher zu dem Schluss gekommen, dass der Insolvenzantrag die einzige Lösung sei, während man auf alle realistischen Optionen schaue, damit der Betrieb während des schwedischen Insolvenzverfahrens weitergehen könne.
Autobauer bremsen
Die Northvolt-Insolvenz ist nicht der erste Rückschlag: Bei Opel in Kaiserslautern liegen Pläne einer neuen Batteriefabrik auf Eis. VW baut bisher erst zwei der einst sechs geplanten Batteriefabriken und hat die Entscheidung für weitere Standorte ausgesetzt. Auch beim fast fertigen Werk in Salzgitter bremst Europas größter Autobauer: Die erste Produktionsstrecke soll wie geplant 2025 anlaufen, über eine bisher angedachte zweite Fertigungslinie wird erst später entschieden. Als Gründe verweisen die Unternehmen vor allem auf die hohen Strompreise und den stockenden Hochlauf der Elektromobilität.
„Generell hat sich die ursprüngliche Euphorie bei den Batterieinvestitionen etwas abgekühlt“, sagt der Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Batterien, Gunther Kellermann, der Deutschen Presse-Agentur. In Deutschland habe dazu unter anderem das Ende der E-Auto-Förderung beigetragen.
Strategisches Interesse an Batterien
Für die amtierende Bundesregierung ist der Aufbau einer Batteriezellfertigung im strategischen Interesse Deutschlands und Europas. Die Zukunft der Fahrzeugbranche sei elektrisch, Hersteller hätten sich entsprechend ausgerichtet, heißt es vom Bundeswirtschaftsministerium. Auf EU-Ebene peilen die 27 Länder und die Kommission an, 90 Prozent des Batteriebedarfs innerhalb der EU zu decken.
Eine aktuelle Fraunhofer-Studie sieht nur eine etwa 50-prozentige Chance, dass das von der EU gesteckte Ziel einer 90-prozentigen Selbstversorgung im Jahr 2030 erreicht wird. Zumindest eine Versorgung zu 50 bis 60 Prozent halten die Forscher um Autor Steffen Link aber für relativ sicher.
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China dominiert globalen Markt
Die Nachfrage nach Batterien auf dem Weltmarkt steigt seit Jahren, was vor allem an Elektrofahrzeugen liegt. Nach Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) aus Paris kommen mehr als 70 Prozent aller Batterien für E-Autos aus China. Der chinesische Hersteller CATL kündigte jüngst an, seine Produktion im 2023 eröffneten Werk bei Erfurt weiter hochzufahren.
In Europa kommen die wichtigsten Produzenten aus Asien. Außer CATL sind die drei südkoreanischen Unternehmen LG Energy Solution, Samsung SDI und SK Innovation zu nennen, wie Fraunhofer-Wissenschaftler Link berichtet. „Northvolt war der erste europäische Player, der versucht hat, Batteriezellen im großen Maßstab zu fertigen.“
In Heide geht der Betrieb offiziell weiter
Offiziell geht der Betrieb der Baustelle bei Heide weiter, wie lange noch ist offen. Am Mittwoch herrschte dort reges Treiben, Lastwagen fuhren auf dem Gelände, Maschinen liefen ungebremst. Zwar ist die deutsche Projektgesellschaft nicht direkt von der Insolvenz betroffen. Was auf der Baustelle passiert, entscheidet künftig aber der Insolvenzverwalter. Denkbar sind viele Szenarien: Der Bau könnte von einem anderen Unternehmen übernommen werden und weitergehen. Im schlimmsten Fall droht aber eine Industriebrache in einer ohnehin strukturschwachen Region.
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Northvolt hat Hunderte Millionen Euro vom Staat erhalten
Noch ist unklar, wie teuer die Insolvenz für Deutschland am Ende wird. 2020 sicherte der Bund eine Finanzierungstranche kommerzieller Banken über 525 Millionen US-Dollar zu 80 Prozent ab, um die Versorgung der deutschen Autoindustrie mit Batterien sicherzustellen.
Zudem hat Northvolt rund 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW erhalten. Hinzu kommen 20 Millionen Euro für Zinsen und Verfahrenskosten. Bund und Land bürgen je zur Hälfte.
„Was mit den Ansprüchen des Bundes passiert, bleibt abzuwarten“, sagte die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Forderungen seien Teil der Insolvenzmasse. Nicht verbaute KfW-Mittel könnten in den Weiterbau fließen. Sie lägen in der Eigenkapitalrücklage der deutschen Gesellschaft und könnten im Zuge des Insolvenzverfahrens nicht abgezogen werden.
Anfang 2024 hatte die EU-Kommission direkte Fördermittel von Bund und Land für das Werk in Höhe von rund 700 Millionen Euro (137 Millionen Euro vom Land, 564 vom Bund) genehmigt. Das Geld wurde aber nicht ausgezahlt.
VW schreibt 661 Millionen Euro ab
VW als größter Anteilseigner bei Northvolt hat seine 20-Prozent-Beteiligung bereits 2024 komplett abgeschrieben und den Wert auf Null gesetzt. Das führte zu einer Belastung von 661 Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag vorgelegte Geschäftsbericht hervorgeht. Die Wolfsburger waren 2019 mit 900 Millionen Euro bei den Schweden eingestiegen und hatten später weitere 500 Millionen Euro in das Start-up investiert.