Volkswagen-Vertragsverhandlungen: So nicht, Herr Zahn!

Die Wogen schlugen hoch bei der Informationsveranstaltung des Volkswagen- und Audi-Partnerverbandes (VAPV) am 1. Februar in Hannover. "Es ist schlimmer als gedacht", "eine Beleidigung unserer Intelligenz", "eine absolute Frechheit" - das sind nur ein paar Zitate aus dem Händlernetz zu den vorliegenden Volkswagen-Pkw-Verträgen. 850 Teilnehmer waren auf Einladung des VAPV in die niedersächsische Landeshauptstadt gekommen, um sich über den Stand der Verhandlungen zu ihren neuen Händlerverträgen zu informieren. Und die von AUTOHAUS befragten Partner zeigten sich allesamt entsetzt über die Kultur ihres Herstellers, dem sie doch oft schon seit Jahrzehnten die Treue halten und der sie in den letzten Monaten dramatisch gebeutelt hat. Abgasbetrug, Kartellvorwürfe, Tier- und Menschenversuche, erneute Dieselbetrugsvorwürfe bei Audi - ständig scheint noch etwas hinzuzukommen. Permanentes einseitiges Änderungsrecht Die Entwürfe für die Händlerverträge schlagen aber dem Fass den Boden aus und die Händler zeigten ihm einstimmig die rote Karte. Vor allem zwei Punkte werden von den "Partnern" als unerträglich empfunden: Das permanente einseitige Änderungsrecht des Herstellers in allen Bereichen und der Direktvertrieb an Endkunden. Schlimm auch die offensichtlichen handwerklichen Fehler in dem Vertragswerk, die die Händler als grobe Missachtung verstehen. Wie kann es sonst sein, dass auf der einen Seite zwar die "normale" Kündigungsfrist von zwei Jahren in den Verträgen steht. Diese aber durch die Verknüpfung der insgesamt vier Verträge - einer für Vertrieb, einer für Service, ein Agenturvertrag und einer für digitale Produkte - ausgehebelt wird. So kann der Vertrag für digitale Produkte bei Nichterfüllung innerhalb von drei Monaten gekündigt werden. Wenn dieser entfällt, sind aber auch alle anderen weg. Vertragsbestandteile passen nicht zusammen Da die Händler nicht glauben können, dass dies alles tatsächlich von ihrem Hersteller beabsichtigt ist, kann das nur bedeuten, dass sich keiner der Vertriebsverantwortlichen die Mühe gemacht hat, das Vertragswerk im Ganzen anzuschauen. Angesichts von 80 Seiten Vertrag und 400 Seiten Richtlinien nur für Volkswagen Pkw durchaus nachvollziehbar, aber verantwortungslos gegenüber den Partnern, die fassungslos auf diese Zumutung starren. Denn zu den Äußerungen von Volkswagen-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann, der angekündigt hatte, mit dem neuen Vertragswerk "unternehmerische Potenziale heben" und einen "nachhaltigen Return on Sales" erreichen zu wollen, passt das Papier überhaupt nicht. Bei einer Vertriebstagung für die Marke VW Pkw in Berlin hatte Stackmann das "Future Sales"-Modell vorgestellt und die zukünftige Beziehung zwischen Hersteller und Handel als "faire Partnerschaft" beschrieben. Unternehmertum, Profitabilität und Effizienz sowie Kundenorientierung sollten durch die neuen Verträge gestärkt werden. In den neuen Verträgen ist aber von diesem Geist nichts zu finden, so der Eindruck der VW-Händler. Falschmeldung von VW? Das Misstrauen wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass Volkswagen just zu Beginn der Tagung am 1. Februar eine Pressemitteilung herausgab, nach der die letzte Verhandlungsrunde am 29. und 30. Januar zwischen der Marke Volkswagen Pkw und dem Volkswagen und Audi Partnerverband zu den neuen Händlerverträgen konstruktiv verlaufen sei. Thomas Zahn, Leiter Vertrieb und Marketing Deutschland der Marke Volkswagen und Verhandlungsführer des Herstellers, wird darin damit zitiert, dass "in wesentlichen Punkten Fortschritte erzielt" worden seien. Eine Aussage, die VAPV-Präsident Dirk Weddigen von Knapp deutlich dementierte. Laut Weddigen von Knapp stehen die Vertragsverhandlungen erst ganz am Anfang. Es seien lediglich Termine für weitere Gespräche vereinbart worden. Sowohl Hersteller als auch VAPV gaben sich aber zuversichtlich. "Wir kriegen das hin", so Weddigen von Knapp. Die Händler stehen geschlossen hinter ihrem Verband, was ja nicht immer der Fall war. In Hannover war aber klar: So werde man das nicht unterschreiben, wurde einstimmig entschieden und dem Verband der Auftrag erteilt, so lange zu verhandeln, bis das Vertragswerk für die Volkswagen-Partner zukunftsfähig ist. "Wir müssen eine einvernehmliche Lösung finden, wie dieser Vertrag im Sinne der VW- und Audi-Partner geändert werden kann und damit für das neue Geschäftsmodell zukunftsfähig ist." Nächster Termin: 12. März Um eine partnerschaftliche Lösung zu erreichen, wurde eine Verlängerung der Gespräche bis 30. Juni 2018 vereinbart. Die nächste Informationsveranstaltung des VAPV wird am 12. März 2018 in Hannover stattfinden. Der Hersteller hat angekündigt, dass die Handels- und Servicepartnerverträge der Marke Volkswagen Pkw zum 31. März 2018 gekündigt werden. Die neuen Verträge sollen nach einer zweijährigen Kündigungsfrist ab dem 1. April 2020 wirksam werden. Bis Ende August will man das neue Vertragswerk verschicken. Bis 30. November sollen die Papiere unterschrieben wieder beim Hersteller sein. Bis dahin erhalten die Händler eine Absichtserklärung (Letter of Intent). Ein Bestandsschutz zum Beispiel für Neuinvestitionen, die erst kürzlich getätigt wurden, ist derzeit nicht vorgesehen. Aufhebungsangebote für 100 Händler Zu den Gerüchten, dass Volkswagen mit den neuen Verträgen auch eine Überarbeitung der Netzstruktur anstrebe, wollte sich der Hersteller nicht äußern. Nach Informationen von AUTOHAUS haben derzeit zirka 100 VW-Händler, meistens kleinere Betriebe und solche mit fehlender Nachfolgeregelung, ein Angebot zur einvernehmlichen Vertragsauflösung erhalten. Dieses könne man annehmen oder auch nicht. Es werde kein Druck ausgeübt, heißt es. Auch bei Audi, die ihre Verträge analog zu Volkswagen verändern wollen, sei eine solche Absicht nicht bekannt. Befürchtet wird aber, dass bei Audi die Netzausdünnung über hohe Standards forciert wird und Betriebe unter einem Neuwagenverkauf von 500 Einheiten pro Jahr diese nicht rentabel erfüllen können. Klagegesellschaft gegründet Beim zweiten großen Thema in der Volkswagen-Organisation derzeit, der Unterstützung der Händler bei den Folgen der Dieselkrise, wurde ebenfalls keine Einigung erzielt. Das von den Marken angebotene Unterstützungsprogramm, das die gute Leistung und den enormen Aufwand der Partner in dem schwierigen Marktumfeld der letzten zwei Jahre honorieren soll, wurde auf der VAPV-Tagung vorgestellt. "Dass damit die Kosten und Verluste aus dem Abgasskandal abgegolten sein sollen, lehnten die Partner einstimmig ab", heißt es vom VAPV. Auch hier stehen weitere Gespräche und Verhandlungen an. Das ignorante Verhalten des Herstellers hat aber auch hier dazu geführt, dass die Partner sich für eine Eskalation der Auseinandersetzung rüsten. Es wurde eine Klagegesellschaft gegründet und auch aus Mitteln des Verbandes kapitalisiert. Sie soll ermöglichen, wegen der Schadenersatzforderungen gerichtlich gegen den Hersteller vorzugehen. Die einzelnen Händler treten dabei ihre Schadenersatzansprüche an die Klagegesellschaft ab. Diese fordert sie im eigenen Namen vor Gericht ein. Damit müssen die Händler nicht einzeln klagen und haben mit der Prozessführung nichts zu tun. Bei beiden großen Themen wollen sich die Händler auch vorbehalten, die Eigentümerfamilien Porsche und Piech einzuschalten. Sie können sich einfach nicht vorstellen, dass ihre Marken so mit ihnen umgehen wollen. So nicht, Herr Zahn. Kurzfassung Die Volkswagen-Händler stellten sich am 1. Februar geschlossen hinter ihren Verband und gaben diesem den Auftrag, so lange weiter zu verhandeln, bis das neue Vertragswerk für sie zukunftsfähig ist. Bis dahin wollen sie nicht unterschreiben. Terminplan 12. März: Nächste Informationsveranstaltung des VAPVzum 31. März: Kündigung der VW-Händlerverträgebis 30. Juni: Gespräche zwischen Hersteller und VAPVbis 30. August: Verschicken des neuen Vertragswerkesbis 30. November: Verträge sollen unterschrieben beim Hersteller vorliegen1. April 2020: Neue Verträge treten in Kraft

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