Stellantis-Händlerverbände: Schöne neue Welt der echten Agentur

KURZFASSUNG: Die Kostenaufteilung ist weitgehend klar. Die Höhe der Agenturprovision steht aber noch nicht fest. In den Verhandlungen wurde ein Governance Board vereinbart, in dem Händler und Hersteller vier Mal im Jahr gemeinsam die Auskömmlichkeit der Vergütung und das System der Kostenerstattung überwachen wollen. Es gibt keine Lagerwagen mehr, nur noch Ausstellungs- und Vorführfahrzeuge. Diese werden vom Hersteller zugewiesen, können also nicht mehr vom Händler nach Wunsch bestellt werden. Die Fahrzeuge bleiben bis zur Übergabe an den Kunden vollständig im Eigentum und damit im Risiko des Herstellers. Der Händler verkauft im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Herstellers, der auch über die Preise entscheidet. Es ist "eine Art Zwitteragentur im Vergleich zum Handelsvertreter", wie Rechtsanwalt Uwe Brossette von der Kölner Kanzlei Osborne Clarke erläuterte, "eine echte Agentur mit der Besonderheit, dass die Fahrzeuge im Namen des Händlers verkauft werden." Brossette hat die Verhandlungen zum neuen Agenturvertrag bei Stellantis begleitet. Kostenaufteilung Die vertrags- und marktspezifischen Risiken und die damit verbundenen Kosten übernehmen die Hersteller. Hierzu gehören zum Beispiel die Kundenrabatte, die Kosten für Transport und Auslieferung inklusive Zulassung und Versicherung, der gesamte Schulungskostenaufwand für das Personal der Agenten, Werbungskosten, aber auch zum Beispiel die Ladestationen für die Vorführfahrzeuge. Immobilien sind Allgemeinkosten, die ebenso wie das Personal aus der Provision des Handels bezahlt werden müssen. Die Kosten für Showroom-Ausstattung und Außen-CI sollen sich Händler und Hersteller teilen. Wie das konkret erfolgen soll und zu welchem Prozentsatz, muss noch ausgehandelt werden. Da die Arbeit im Wesentlichen beim Handel bleibt, wird nicht erwartet, dass in den Autohäusern Personal eingespart werden kann. Neue Geschäftsgrundlage Das sind nur einige der Eckpunkte des Agenturvertrages, der ab 2024 für die Stellantis-Premiummarken Lancia, Alfa Romeo, DS und für die Nutzfahrzeugmarken von Opel, Peugeot, Citroen und Fiat gelten wird. Für die Pkw-Marken von Opel, Peugeot, Citroen, Fiat und Jeep sollen die Agenturverträge erst 2027 eingeführt werden. Die Vertreter der drei an den Stellantis Vertragsverhandlungen beteiligten Händlerverbände gaben zusammen mit Brossette im Anschluss an die gemeinsame Informationsveranstaltung für ihre Mitglieder auch der Presse einen Überblick über die bevorstehenden Neuerungen. Der Verband der Opel Händler (VDOH), der Verband Deutscher Citroen-, DS- & Peugeot-Vertragspartner (VCDP) und der Verband der Jeep, Alfa Romeo, RAM & Dodge Händler (JARD) hatten am 23. Mai nach Mainz geladen. 720 Teilnehmer waren gekommen. Nach Angaben der Veranstalter waren damit 80 bis 90 Prozent des monatlichen Zulassungsvolumens der Stellantis-Marken in Deutschland vertreten. "Es ging uns darum, neutral das Verhandlungsergebnis zu präsentieren", erläuterte VCDP Vorstandsmitglied Ubbo Latajka. "Jeder Unternehmer kann auf Basis dieser Infos seine Überlegungen anstellen." Eine Empfehlung wollte der Verband nicht abgeben: "2023 kann man bei neuen Händlerverträgen zwischen Pest und Cholera wählen", hieß es. Die neuen Verträge stellten eine Geschäftsgrundlage dar. Sie seien nicht besser oder schlechter als ihre Vorgänger, aber anders. Vergütungshöhe fehlt noch Ganz abgeschlossen sind die Verhandlungen noch nicht. Die Inhalte stünden zu 90 Prozent fest, teilten die Verbandsvertreter mit. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Liefer- und Zahlungsbedingungen stehen noch aus. Auch wie hoch die Agenturprovision sein wird, muss noch festgelegt werden. In Mainz gab es dazu keine Aussage, weil die Höhe der Provision noch berechnet werden müsse. Einfließen würden hier auch die Erfahrungen aus den Pilotmärkten Belgien, Niederlande und Österreich, wo die Agenturverträge bereits ab Juli 2023 gelten sollen. Auf Anfrage von AUTOHAUS zeigte sich Johannes Alings, Händlernetzentwickler bei Stellantis Deutschland, zuversichtlich, dass die letzten, noch offenen Punkte kurzfristig vereinbart werden können. "Wir schätzen es sehr, dass wir jederzeit konstruktive Verhandlungen geführt haben. Die Gespräche sind stets hart in der Sache, aber immer von dem Bestreben getragen, gemeinsam ein für alle Beteiligten zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu schaffen." Governance Gremium Ohnehin ist geplant, ständig zu überprüfen, ob das Ziel, die Zusammenarbeit im Agenturmodell fair und effizient zu gestalten, erreicht ist. Dies soll in einem "Governance Gremium" auf europäischer Ebene geschehen. Dessen Einrichtung sehen die Händlervertreter als besonderen Erfolg. Das Governance Gremium bedeutet ein institutionalisiertes Mitspracherecht der Händlerverbände, deren Vertreter vier Mal im Jahr mit den Herstellervertretern zusammenkommen, um die Auskömmlichkeit der Vergütung und das System der Kostenerstattung zu überwachen. Besprochen werden sollen hier aber zum Beispiel auch Produkte, Standards und Onlinemengen. Sollte es zu größeren Meinungsverschiedenheiten kommen, ist vorgesehen, dass ein Sachverständigenausschuss der IHK Mailand angerufen werden kann. In Deutschland soll die regelmäßige Abstimmung zwischen Händlern und Hersteller über einen so genannten Partnerdialog erfolgen, der ebenfalls vorsieht, dass bei wichtigen Themen ein Konsens gefunden werden muss. Das sei von Opel übernommen worden, berichtete VDOH Sprecher Peter Hübner, und habe bisher gut funktioniert. Lange Verhandlungen Die aktuellen Opel-Verträge seien die Verhandlungsbasis für die neuen Vereinbarungen gewesen, weil diese von allen Marken die jüngsten waren, teilte VDOH Geschäftsführer Uwe Heymann mit. Sie wurden erst vor drei Jahren verhandelt. Dann haben die einzelnen Marken Spezifika eingebracht. Anpassungen an nationales Recht mussten vorgenommen werden. Seit dem 1. Juni 2021 waren es knapp 80 Termine, die die Händlervertreter im Interesse ihrer Kollegen wahrgenommen haben. Zunächst wurde auf europäischer Ebene verhandelt, dort waren die vier europäischen Händlerverbände der Marken Opel, Citroen, Peugeot und Fiat - Euroda, ACCDE, AECP und ADEFCA - beteiligt sowie Vertreter der Länder Portugal, Italien, Frankreich, Deutschland und der Niederlande und damit einer aus einem Pilotmarkt. Dabei wurde deutlich, erläuterte Uwe Brossette, dass auf Herstellerseite die Markenzuordnung verschwimmt und der Konzern Stellantis im Vordergrund steht. Auch auf Händlerseite haben sich die Verbände der verschiedenen Marken schnell verständigt und sind zusammengewachsen, so Latajka. In der Folge schlossen sich die drei in Deutschland an den Verhandlungen beteiligten Stellantis Händlerverbände in einer Interessengemeinschaft zusammen. Weil sich dies bewährt hat, haben sie jetzt auch beschlossen, einen Dachverband zu gründen. Zukünftig wird dieser der Verhandlungspartner bei den Gesprächen mit Stellantis Deutschland sein. Maßgebliche Änderungen erreicht "Wir haben maßgebliche Änderungen erreicht", erläuterte Latajka. So sei es zum Beispiel gelungen, die Direktvertriebsrechte, die der Hersteller haben wollte, abzuschwächen. Jetzt gelten die Direktvertriebsrechte lediglich für bestimmte Kundengruppen, wie zum Beispiel Vermieter, wie es auch bei vielen anderen Marken üblich ist. Ein Direktvertrieb Online ist möglich, aber die Einbindung des Handels gegen angemessene Vergütung zwingend. Außerdem sind die Verkaufspreise Online und Offline gleich. Kröten und Goodies Als Erleichterung bezeichnete JARD-Präsident Adrian Glöckner, dass es im zukünftigen Servicepartnervertrag möglich sei, Filialen zu installieren, die dann geringere Standards erfüllen müssten als die Hauptbetriebe. Die Gebrauchtwagen bleiben im Handel, wenn der sie haben will, sagte VCDP Sprecher Peter Gerards. Und: Wer einen Händlervertrag hat und sich nichts Dramatisches zuschulden kommen lässt, wird auch einen so genannten "Retailervertrag", wie der zukünftige Agenturvertrag bei Stellantis heißt, erhalten. Der Retailervertrag hat eine Kündigungsfrist von 24 Monaten. Auch das ein Erfolg, denn zunächst wurde nur eine Kündigungsfrist von einem Monat angeboten. Die größte Kröte, die man schlucken musste, war die Einführung der Stellantis Operating Standards. In den SOS werden viele Prozesse festgelegt, zum Beispiel für Service, Aufbereitung, Ausstellung und auch Öffnungszeiten. "Das wollten wir nicht, aber das mussten wir schlucken", so Latajka. Allerdings habe der Hersteller signalisiert, dass bei guter Kundenzufriedenheit die SOS nicht überprüft werden. Pkw-Volumenmarken erst später Erst einmal werden die deutschen Stellantis-Händler aber in den nächsten Tagen ihre neuen Händler- und Servicepartnerverträge bekommen, die ab 1. Juli gelten sollen, bei den Pkw-Volumenmarken bis Ende 2026. Diese Verträge stellen keine großen Veränderungen gegenüber den bisherigen Vereinbarungen dar. Auch die "Commercial Policy", in der bei den Stellantis-Marken die Vergütungen geregelt werden, soll sich im Vergleich zum ersten Halbjahr nur geringfügig ändern. Erst einmal geht also alles im Wesentlichen weiter wie bisher. Ob er die neuen Verträge annimmt und dann auch mit den Pkw-Volumenmarken ins Agentursystem gehen will, muss jeder Partner für sich entscheiden. Keine Zahlen zur Netzentwicklung Eine Prognose, wie das zukünftige Netz aussehen wird, wollten die Händlervertreter nicht wagen. Auch Alings nannte keine Zahlen zu ausscheidenden Händlern. Der Stellantis-Manager erklärte: "Wir möchten mit unseren Partnern auch zukünftig weiterhin nah an unseren Kunden sein - das gilt flächendeckend in Deutschland. Dementsprechend haben wir schon in 2021 unsere Netzstrategie festgelegt und unsere Zukunftspartner identifiziert. Dabei handelt es sich sowohl um größere Gruppen und Partner, die mehrere unserer Marken vertreten, als auch kleinere Unternehmen, die sich auf bestimmte Marken bzw. ihre jeweilige Heimatregion konzentrieren. Das Kundenerlebnis sowie eine erfolgreich gelebte Marktbearbeitung sind hierbei für unsere Auswahl ausschlaggebend gewesen. Entsprechend werden wir diesen Partnern zum 01.07.2023 neue Verträge anbieten. Um diesen ausgewählten Partnern darüber hinaus Planungssicherheit zu geben, werden wir sie zudem mit einer Absichtserklärung ausstatten, auf deren Basis wir auch entsprechende Folgeverträge im Retailer-Model anbieten werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir als Stellantis Konzern mit unserer Strategie und unserem Produktportfolio sowohl für bestehende als auch für mögliche neue Partner attraktiv sind und wir so gemeinsam unsere Position im deutschen Markt weiter ausbauen werden. Wir sind überzeugt, dass wir ein faires und ausgewogenes Vertragsangebot machen werden und dass unsere Wunschpartner darauf basierend mit uns in die Zukunft gehen werden."

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