Gebrauchtwagenverkauf: Prüf-Propaganda

Beim Gebrauchtwagenhandel gehört die zuvor durchgeführte Hauptuntersuchung fast schon zur "Standardausstattung". Dabei wird die frische Prüfplakette nicht nur als Bescheinigung nach § 29 StVZO angesehen, sondern geradezu als Gütesiegel für einen technisch einwandfreien Fahrzeugzustand empfunden. Ob diese Erwartungshaltung auf den Kaufvertrag durchschlägt, hat der BGH unter der Geltung des alten Schuldrechts nur im gewerblichen Bereich für einen Händler mit eigener Werkstatt entschieden. Danach bedeutet die Erklärung "TÜV neu" zum einen, dass das Fahrzeug durch eine amtlich anerkannte Organisation geprüft wurde, und zum anderen, dass das Fahrzeug sich bei der Übergabe in einem bis auf geringe Mängel vorschriftsmäßigen Zustand befindet, insbesondere verkehrssicher ist. Nachdem insoweit auf den tatsächlichen Fahrzeugzustand bzw. die objektive Abnahmereife abgestellt wird, geht das Risiko einer Fehldiagnose der Prüforganisation zu Lasten des Händlers. Demgegenüber wird beim privaten Gebrauchtwagenverkauf die Angabe "TÜV neu" in der Regel nicht als Zusicherung eines verkehrssicheren Zustandes angesehen. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass der Privatverkäufer im Gegensatz zum Händler nicht die Möglichkeit hat, das Fahrzeug einer eingehenden Werkstattüberprüfung zu unterziehen. Ausnahmen bestätigen allerdings auch hier die Regel, wie der geschilderte Fall deutlich macht. Ein "ehrlicher Chevy" Ausgangspunkt war eine ebay-Auktion, wonach von einem Privatverkäufer ein "ehrlicher Chevrolet Pick-up ... Bj. 2002 mit einem Tachostand von rd. 78.000 km, TÜV & AU neu" angeboten wurde. Es folgte eine detaillierte Auflistung von Ausstattungsdetails und die Angabe kleinerer Mängel, die wie folgt beschrieben wurden: "Die Ledersitzfläche hat hinten auf der Beifahrerseite ein kleines Loch! Sollte also mal von einem Aufbereiter bearbeitet werden. Die kleinen Steinschläge, die leider bei so einem Riesen nicht ausbleiben, können von jedem Lackdoktor für kleines Geld beseitigt werden. Der Außenspiegel an der Beifahrerseite ist beim Einklappen aus der Feder gesprungen, haben einen neuen gekauft, müsste nächste Woche geliefert werden." Nachdem sich die Parteien auf einen Kaufpreis von 13.000 Euro einigten, beendete der Anbieter die Auktion vorzeitig mit dem Hinweis "Artikel nicht mehr verfügbar". Der Chevy wurde vom Verkäufer zum Käufer gebracht, wo ein formularmäßiger Kaufvertrag unter Ausschluss der Sachmängelhaftung unterzeichnet wurde. Unter der Vertragsrubrik "Zusatzausstattung" wurde der Vermerk "s. ebay-Auktion" eingetragen. Neben den Fahrzeugpapieren wurde dem Käufer der TÜV-Bericht über die Hauptuntersuchung mit dem Ergebnis "geringe Mängel" übergeben, die dort wie folgt beschrieben wurden: "Korrosion sonst tragender Teile - schwächt bei Nichtbehandlung die tragende Struktur." Im Weiteren wurde vom TÜV darauf hingewiesen, dass der Halter und Fahrer für die unverzügliche Beseitigung aller Mängel verantwortlich ist. In der Folgezeit machte der Käufer diverse Mängel geltend und verlangte eine Beseitigung insbesondere der im TÜV-Bericht genannten Korrosion an tragenden Fahrzeugteilen. Nach erfolgloser Fristsetzung wurde der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und der Klageweg beschritten. Der Verkäufer wandte im Prozess u. a. ein, er habe den Fahrzeugzustand nicht im Einzelnen überprüft. Auch berief er sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Der Verkäufer war in erster Instanz erfolgreich. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) wurde er allerdings auf Rückabwicklung des Kaufvertrages verurteilt. Beschaffenheitsvereinbarung Der Verkäufer habe - so das OLG Karlsruhe - mit dem Hinweis "TÜV & AU neu" zur Beschreibung des Fahrzeugs auf ebay eine verbindliche Willenserklärung zur Beschaffenheit des angebotenen Pick-up abgegeben. Insbesondere werde mit dieser Formulierung eine Beschreibung des technischen Fahrzeugzustandes zum Ausdruck gebracht, weil die TÜV-Untersuchung der Feststellung solcher technischer Mängel diene, welche die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten. Maßgeblich für diese Auslegung sei der Empfängerhorizont der Interessenten, an welche die Beschreibung auf ebay gerichtet sei. Wenn, wie hier, der TÜV bei der Untersuchung den Verkäufer zur unverzüglichen Beseitigung bestimmter Mängel aufgefordert habe, könne der Käufer erwarten, dass er selbst sich nicht darum kümmern müsse, weil der Verkäufer diesen vom TÜV auferlegten Pflichten bereits nachgekommen sei. Von daher sei dieser Sachverhalt nicht mit dem Regelfall bei Privatverkäufen vergleichbar, wonach "TÜV neu" von der Rechtsprechung nur als unverbindliche Fahrzeugbeschreibung und nicht als Beschaffenheitsvereinbarung angesehen werde. Für eine verbindliche Angebotsbeschreibung sprach zudem die besondere Erwähnung von Ausstattungsmerkmalen und kleineren Mängeln. So wies der Verkäufer nicht nur auf ein Loch in der Ledersitzfläche, auf Steinschlag-Schäden und einen defekten Außenspiegel hin, sondern bot zudem einen "ehrlichen" Pick-up an. Aus diesen zusätzlichen Hinweisen ergibt sich, dass der Verkäufer das Fahrzeug in allen für den Käufer wesentlichen Punkten beschreiben wollte. Insbesondere muss ein Käufer wegen des Hinweises auf das Vorhandensein von lediglich Kleinstmängeln nicht damit rechnen, dass eine Behebung der vom TÜV festgestellten sicherheitsrelevanten Mängel unterblieben ist. Insgesamt ergibt sich aus den Umständen des vorliegenden Falls, dass nicht lediglich eine unverbindliche Beschreibung des Fahrzeuges anzunehmen ist, sondern vielmehr eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung. Eine andere Sichtweise käme nur dann in Betracht, wenn die Parteien im schriftlichen Kaufvertrag von der Fahrzeugbeschreibung bei ebay ausdrücklich Abstand genommen hätten. Keine Haftungsfreizeichnung Ein formularmäßiger Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag - wie im vorliegenden Fall - steht den Wirkungen einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht entgegen. Bei einem Gebrauchtwagen-Kaufvertrag ist eine solche Haftungsfreizeichnung generell dahingehend zu verstehen, dass diese nicht solche Fahrzeugeigenschaften betreffen soll, die Gegenstand einer gleichzeitigen Beschaffenheitsvereinbarung im Vertrag sind. Eine andere Auslegung würde dem Vertragswillen der Parteien widersprechen. Nachdem der Pick-up bei der Übergabe nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprach, war das Fahrzeug mangelhaft. Die Korrosion an tragenden Teilen ist auch als wesentlicher Mangel zu qualifizieren, weil diese zu einer Schwächung der Fahrzeugstruktur und damit zu einer Einschränkung der Verkehrssicherheit führen kann. Der darauf gestützte Rücktritt wäre nur dann ausgeschlossen gewesen, wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss gekannt hätte oder wenn er ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben wäre (§ 442 Abs. 1 BGB). Dies war jedoch nicht der Fall. Kurzfassung 1. Beim Kfz-Händler mit eigener Werkstatt beinhaltet die Erklärung "TÜV neu" die Zusage, dass sich das Fahrzeug bis auf geringe Mängel in einem vorschriftsmäßigen Zustand befindet, insbesondere verkehrssicher ist.2. Demgegenüber ist eine solche Erklärung bei Privatverkäufen in der Regel nicht als Beschaffenheitsvereinbarung auszulegen.3. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn der Käufer mit Blick auf die Fahrzeugbeschreibung etc. auf dessen verkehrssicheren Zustand vertrauen darf. Kommentar "Weniger ist mehr" lautet ein Sprichwort, das dem beklagten Verkäufer vom Berufungsgericht in das Urteil geschrieben wurde. Die für den "ehrlichen Chevy" herangezogenen Auslegungsgrundsätze gelten erst recht im gewerblichen Bereich und auch beim Händler ohne eigene Werkstatt. Welche Reichweite einem Hinweis auf den "neuen TÜV" zukommt, hängt dabei vom Einzelfall ab. Auch wenn z. B. der Betreiber einer Tankstelle mit Servicestation nicht mit einem Kfz-Händler nebst Werkstatt verglichen werden kann, so ist der Haftungsmaßstab auch auf einen Kfz-Meister ohne eigene Werkstatt oder einen Händler mit "kleiner Wartungshalle" auszudehnen. Entscheidend ist in aller Regel der Eindruck, den der Käufer bei verständiger Sicht der Dinge von den Vertragsumständen gewinnen durfte. Von daher ist jeder Händler gut beraten, wenn er im Kaufvertrag nicht nur die neue Prüfplakette vermerkt, sondern die in der Hauptuntersuchung getroffenen Feststellungen und deren Kenntnisnahme durch den Käufer ausdrücklich mit aufnimmt.Rechtsanwalt Walter Sattler

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