Die Nissan-Händler waren lange Zeit gebeutelt: Rückläufige Zulassungszahlen, wegbrechende Modellpalette und zeitweise sogar die Angst, dass die Marke vom europäischen Markt verschwindet. Auf der Tagung des Verbandes der deutschen Nissan-Vertragspartner (VDNV) am 23. November in Brühl und bei der Veranstaltung des Importeurs am Vortag kam aber wieder Hoffnung auf. "ePower ist unsere Chance", brachte es VDNV-Vorstand Marlies Wegener auf den Punkt. Mit den aktuellen Modellen Qashqai, dem neuen X-Trail, dem Stromer Ariya und den Nutzfahrzeugen Townstar, Primastar und Interstar habe man wieder qualitativ hochwertige Fahrzeuge im Angebot. Gleichzeitig forderte die Berliner Händlerin aber auch verstärkte Marketinganstrengungen: "Die Autos sind da. Aber was nützt es, wenn es keiner weiß."
"ePower" ist ein Alleinstellungsmerkmal der japanischen Marke. Die Technologie verbindet einen Benzinmotor, der die Batterie lädt, mit einem Elektromotor, der die Räder antreibt. Die Leistung ist mit der eines Elektrofahrzeugs vergleichbar. Emissionen und Betriebskosten können gesenkt werden, und da kein Strom getankt werden muss, müssen die Fahrgewohnheiten nicht geändert werden. Zusätzlich zum Verbrennungsmotor nutzt ePower ein regeneratives Bremssystem, um die Batterie zu laden. Eine gute Übergangstechnologie, die mehr bekannt gemacht werden sollte, so die Meinung der Händler.
Absatzpush nötig
Einen Push für ihren Absatz brauchen die Nissan-Partner dringend: "Von 20.000 Einheiten wird keiner satt", formulierte einer. Das ist die Zahl der Zulassungen der Marke hierzulande per Ende Oktober in diesem Jahr. Mit ein Prozent Marktanteil ist Nissan damit weit weg von einstigen Glanzzeiten. Die wird es aber auch so schnell nicht wieder geben, hatte Nissan Deutschland-Geschäftsführer Vincent Ricoux bereits am Vortag klargemacht: Er wolle realistisch und vernünftig planen, so der Manager, und formulierte ein Ziel von 1,5 Prozent Marktanteil für 2024. Nach seiner Rechnung wären das rund 50.000 Einheiten. "Die Zeiten von drei Prozent Marktanteil und 80.000 Einheiten sind vorbei", wurde er ganz deutlich.
VDNV-Mitgliederversammlung 2022
BildergalerieFehlende Modelle
Die aktuelle Modellpalette gebe auch nicht mehr her, waren sich die Händler einig. Hinzu kommen die Lieferschwierigkeiten und eben zu wenig Marketing, wie immer wieder betont wurde. Und wie es im nächsten Jahr weitergeht, war auch nicht klar. Der Micra – eines der Volumenmodelle der Marke – wird Ende des Jahres eingestellt. Den Händlern wurde zwar ein Nachfolger auf dem Bildschirm gezeigt. Eine Aussage zum Einführungstermin gab es aber nicht. Gleiches galt für den Leaf-Nachfolger, gefragte Automatikversionen und zwei weitere vollelektrische Nutzfahrzeuge. "Wir arbeiten dran", war eine Floskel, die von den Importeursmitarbeitern immer wieder zu hören war. Im Gegenzug bescheinigten die VDNV-Vertreter den Managern immer wieder eine gute Kommunikation und Offenheit für die Sorgen und Nöte der Partner. Die Umsetzung sei aber oftmals schwierig und dauere vor allem zu lange.
Sparmaßnahmen
Auch Sparmaßnahmen des Importeurs machen den Partnern immer wieder zu schaffen: So fehlen zum Beispiel Vorführwagen, bei der Digitalisierung hinkt die jetzt in Wesseling beheimatete Importeurszentrale noch hinterher, die letzten Launches waren vermurkst. Ziele im laufenden Quartal werden wegen der fehlenden Lieferfähigkeit als viel zu hoch erachtet. In der Folge befürchten manche Händler die Zielerreichungsprämie nicht zu bekommen. Viele weitere kleine Kritikpunkte wurden vorgebracht, die den Händlern das Leben schwermachen. Im Bereich After Sales fehlen zum Beispiel Ersatzteile und verursachen manchmal lange Standzeiten, schlecht verpackte Karosserieteile kommen beschädigt an. Dringend war auch die Forderung, angesichts der gestiegenen Kosten die Garantieverrechnungssätze außerordentlich zu erhöhen. Außerdem müsse die Einführung eines durchgehenden digitalen Werkstattprozesses schnell vorangetrieben werden.
Rendite
Wie bei vielen Fabrikaten derzeit ist die Rendite der Partner aber recht gut. Der Importeur sprach gar von 3,2 Prozent für die Zeit zwischen Januar und August 2022. Allerdings wurde bei der Berechnung eine gewisse Kreativität deutlich. So wurden nach Angaben der Händler die Ausgaben der Mehrmarkenbetriebe von Nissan je nach verkauften Einheiten den entsprechenden Marken zugerechnet – unabhängig davon, ob die Kosten tatsächlich für diese Marken entstanden sind. In der Vergangenheit wurden auch alle Gebrauchtwagenergebnisse Nissan zugeschlagen. Das soll mit dem neuen Prozess aber geändert worden sein, so Nissan. Wenn man diese "Sondereffekte" herausrechnet, halten die Händlervertreter eine Zahl von 2,2 Prozent für die Händlerrendite für realistisch. Auch das ist gut, angesichts des zurückgegangenen Umsatzes in absoluten Zahlen aber nicht zufriedenstellend. Dennoch: "Wenn das nicht wäre, gebe es unsere Betriebe nicht mehr", so ein Händler.
Margenänderung
Die schön gerechnete Zahl, die dazu führt, dass die deutschen Partner die höchste Rendite im europäischen Vergleich haben, weckt aber beim Hersteller das Bedürfnis die Marge zu kürzen. Entsprechende Verhandlungen laufen derzeit schon mit dem Partnerverband. Immerhin müssen sich die Partner aber in Sachen Verträge keine Sorgen machen: Händlernetzentwickler Pascal Michaeli sicherte zu, dass es weder 2023 noch 2024 neue Händlerverträge geben wird. Auch ein Wechsel ins Agentursystem steht nicht zur Debatte.
Kleine Partner
Interessant ist aber eine andere Maßnahme, die der Importeur ergriffen hat. 92 Händler, die weniger als 70 Einheiten verkaufen, wurden in einer eigenen "Region 4" zusammengefasst. Sie werden besonders betreut, um ihre Stückzahlen zu erhöhen. Diese Maßnahme stieß auf ein geteiltes Echo. Manche fühlen sich gut betreut, andere abgehängt. Dazu muss man wissen, dass bei der Marke die meisten Zulassungen von Händlern, die unter 100 Einheiten verkaufen, kommen. Einer dieser kleinen Partner erklärte: "Ich habe schon fünf Prozent Marktanteil. Bei einem Bundesmarktanteil von einem Prozent, wie soll ich da noch mehr machen?"
Vieles vage
Viele Fragen blieben offen bei der Tagung. Auch die Frage, was mit den 7.700 Micra-Kunden geschehen soll, deren Leasingvertrag im nächsten Jahr ausläuft. Es wird dann höchstwahrscheinlich noch keinen neuen Micra geben. Was können die Händler als Überbrückung anbieten? Die Mitarbeiter des Importeurs wollen dafür eine Lösung finden. Auch um die Lieferfähigkeit bei den Nutzfahrzeugen, Leaf und Townstar will man sich in Wesseling kümmern. Vertriebschefin Susanne Ziegler: "Wir sehen die Potenziale. Ich kann aber keine verbindliche Aussage treffen." Gut, dass die Marke so eine treue Händlerschaft hat und jeder gerne bereit ist, an die Botschaft von Importeurschef Ricoux zu glauben:"„Jetzt geht es aufwärts." Und Marketingdirektor Frank Niewöhner sicherte zu, dass der größte Anteil am Werbebudget im nächsten Jahr in den Bereich ePower fließen werde.
Neuwahlen
Die Vertreter des VDNV kämpfen jedenfalls für die Interessen der Mitglieder. Es ist ihnen immer wieder gelungen, Härten für die Händler abzumildern und mit dem Importeur tragfähige Kompromisse zu finden. Darüber hinaus holen sie im Interesse aller Partner rechtlichen Rat ein und lassen neue Verträge – zum Beispiel den zur Nissan International Insurance - prüfen. Ihre Leistung wurde von der Versammlung gewürdigt: Die Vorstände Marlies Wegener, Jürgen Mattern und Gerhard Rabus sowie Alfred Gabrisch, der wegen Krankheit fehlte, wurden einstimmig für drei Jahre wiedergewählt. Auch der vakante fünfte Vorstandsposten konnte besetzt werden: Michael Heistermann, der 41jährige geschäftsführende Gesellschafter der Heddier-Gruppe, der schon länger im Arbeitskreis Vertrieb und Marketing tätig ist, wurde ebenfalls einstimmig in das Gremium gewählt.
Urban Stöckli