Fahrzeugbörsen im Internet: Mehr als eine Erfolgsgeschichte

Man möge sich bitte ins Jahr 1990 zurückversetzen, das Jahr kurz nach dem Mauerfall in Berlin. Kurz vorher beklagten die deutschen Markenhändler ein desaströses Gebrauchtwagengeschäft bei damals über einer Million stehender Fahrzeuge - die Standtage waren heftig und alles war mit rund 12 Prozent Soll-Zinsen zu finanzieren. So mancher Betrieb befürchtete das baldige Ende. Doch dann kamen zwei Zäsuren. Zäsur Nummer 1: Der Mauerfall Die Zäsur Nummer 1: die Mauer fiel und ein ungesättigter Fahrzeugmarkt in den neuen Ländern fegte die Ausstellungshöfe der westdeutschen Händler leer. Wie lief das GW-Geschäft vor dieser Zeit der abnormalen Nachfrage? Der Händler gestaltete sein GW-Sortiment überwiegend mit Angeboten aus Eintauschware "neu zu gebraucht"! Der Absatzmarkt dehnte sich hauptsächlich rund um den "Kirchturm" herum aus. Das Angebot fand sich weitgehend im Fahrzeugteil der Wochenendausgaben der regionalen Zeitung wieder. Das A und O war der Bekanntheitsgrad als Anbieter von gebrauchten Fahrzeugen. Manchen Betrieben gelang da zwar auch schon ein begrenzt überregionaler Bekanntheitsgrad, dennoch: Der Markt spielte sich in relativ engen Grenzen ab. Spezielle Fahrzeuge wie z. B. hochpreisige Sportwagen oder Automobile der Luxusklasse wurden in auto motor und sport oder in der Süddeutschen Zeitung überregional ausgeschrieben. Internet war Anfang 1990 kein Thema, das war damals noch etwas, mit dem das amerikanische Militär "rummachte". Für die Jüngeren unter den Lesern/Innen: Computer ging damals mit schwarzen Bildschirmen und grünen Buchstaben auf DOS-Ebene. Der Ausdruck eines Dokumentes war eine Herausforderung, als erster Internetprovider stand AOL in den Startlöchern. Dass man jemals ein Gebrauchtwagenangebot auf diesen Bildschirmen wiederfinden werde, dass man jemals Bilder, ja gar Filme dort betrachten könnte, dass man auf Automobil-Angebote aus ganz Deutschland, ja aus Europa zurückgreifen könnte, war in der Vorstellungskraft der Konsumenten und Händler nicht vorhanden. Der Autor dieses Artikels schrieb damals in seinem Buch "Verkaufsförderung für Gebrauchtwagen - die 30-60-90-Tage-Regel", dass es einen GW-Verkauf via Internet niemals geben werde. Welch eine Fehleinschätzung! Zäsur Nummer 2: Die GW-Börsen 1996 begann das Thema GW-Börsen und damit die Zäsur Nummer 2 langsam Realität zu werden. Hamburger Autohändler, die Gebrüder Bartholates kann man als Gründer der Gebrauchtwagendatenbank in Erinnerung rufen. Bereits Ende 1999 zog diese Geschäftsidee englische Investoren an. Nimmt man heute mobile.de als Marktführer unter die Lupe, so stellt man fest, dass ständig rund 70 Millionen User in rund 1,5 Millionen Angeboten "wühlen" - weiter registriert man, dass über diese Börse alle paar Sekunden ein GW-Kauf angebahnt wird. Unglaublich, was in knapp 20 Jahren passieren kann. Durch die Einführung der "Gebrauchtwagen-Datenbank" veränderte sich schlagartig das GW-Geschäft der Händler. War das begrenzte Markteinzugsgebiet früher Fakt, so vergrößerten sich die Verkaufschancen von einem Tag auf den anderen auf ganz Deutschland, bald darauf auf ganz Europa. Selbst 1.000 km entfernt hatten die Kunden noch Gelegenheit, das Angebot zu betrachten. Die Kaufinteressenten waren nicht mehr auf das Sortiment der in der Umgebung agierenden Händler angewiesen, sie konnten bald via Internet virtuelle Spaziergänge auf tausenden von GW-Ausstellungen in allen Bundesländern gehen. Wie bei vielen anderen Internet-Anbietern ist es so, dass die Börsen wie z. B. mobile.de oder Autoscout24.de das Geschäftsmodell grundlegend verändert haben. War vor der Börsen-Ära der "Produktbesitz", also das vorhandene Sortiment maßgebend, ist mit Markteintritt der Börsen der "Kundenbesitz" das A und O! Man kann es schon so behaupten: Die Gebrauchtwagenbörsen führen das GW-Geschäft, obwohl sie kein einziges Fahrzeug besitzen, das zum Verkauf steht. Natürlich lagen zwischen der Idee der Gebrauchtwagen-Datenbank der Gebrüder Bartholates und der heutigen Online-Perfektion viele Hindernisse - den Interessenten musste erst die Scheu vor dem Internet, ja anfangs auch vor dem Computer genommen werden. Es musste um das Vertrauen für Angebote geworben werden, die man zumindest anfangs nicht leibhaftig "anfassen" konnte. Alles heute kein Thema mehr. Die Präsentationen wurden immer besser, immer intensiver und umfangreicher, die Beschreibung der Fahrzeuge immer genauer. Heute sind 10 bis 15 Bilder je angebotenes Fahrzeug Standard. Eigene Fotoflächen in Autohäusern garantieren eine bestmögliche Darstellung, manche Dienstleister helfen mit, die Bilder zu optimieren, das Fahrzeug noch verkaufsfördernder zu zeigen, Videos bieten bewegte Bilder, die Kameras kriechen in jede Ecke des Automobils - während der Interessent gemütlich vom Sofa aus seine Vorabauswahl trifft. Wachsender Preisdruck Ein Paradies für Käufer. Für die Händler wurde die Markterweiterung schnell auch zum Fluch. Nicht nur, dass in den Angeboten der GW-Börsen auch private Anbieter auftauchten, also der konkurrierende Privatmarkt ebenfalls als Mitbewerber auftrat, sondern auch, weil mit der Ausweitung des Angebotes, mit der Teilnahme vieler - jetzt nahezu aller - Händler die Preisgestaltung gehörig unter Druck kam. Als Beispiel möge ein Audi-Händler in Süddeutschland genannt sein, der nun seine Werks-Dienstwagen auch im hohen Norden präsentieren konnte. Gleichzeitig wurde er aber auch mit den gleichen Angeboten seiner norddeutschen Kollegen im Netz konfrontiert. Ein demokratischer Wettbewerb. Und wenn Ware und Kaufbedingungen annähernd ähnlich sind, wird sehr schnell zum Marketinginstrument "Preis" gegriffen. Die Preisschlacht begann, das Rangeln um die Platzierung auf Seite eins war gängiges Bestreben. Die Margen wurden notleidend. Die Ausweitung der Angebotsreichweite wurde mit zunehmender Konkurrenz bezahlt. Trotzdem: Kein Händler und kein Kunde mag sich heute noch in die börsenlose Zeit zurückversetzen wollen. Niemals! Nahezu jeder gekaufte Gebrauchte war in irgendeiner Börse zu finden, meistens auch in der des Marktführers mobile.de. Neben dem Verkaufsangebot fanden Händler schnell heraus, dass man diese Internetangebote auch gut für Zukäufe nutzen konnte. Gewiefte Verkäufer suchten im Netz Zukaufsortimente und bereicherten so ihr Angebot. Ebenso nützlich sind die GW-Listen zur Ankaufskalkulation. Wenn man die Rückwärtsmethode - d. h. ausgehend vom möglichen Verkaufspreis - beherzigt, dann sind Vergleichsangebote aus dem Netz zur Preisfindung im Ankauf und Eintausch sehr nützlich. Neue Möglichkeiten der Marktbeobachtung Ebenso angenehm sind die von einigen Börsenbetreibern angebotenen Dienstleistungen wie z. B. die Marktbeobachtung. Es macht schon etwas aus, wenn man darüber die Standtage von ähnlichen Fahrzeugen in der Umgebung feststellen kann. Als Servicefunktion wird beispielsweise die Ermittlung eines Durchschnittspreises auf Basis der "mobile.de Datenbank" für Fahrzeuge angeboten, welcher den allgemeingültigen tagesaktuellen Preis für ein konkretes Fahrzeug widerspiegelt und der Preisorientierung für An- und Verkauf dient. Ein ebenso nützliches Angebot ist der geschlossene Händlerbereich, in dem man B2B-Geschäfte abwickeln kann. Was fehlt aus heutiger Sicht? Vielleicht noch ein Tool, das nicht nur die Angebotspreise der Marktbeobachtung widerspiegelt, sondern auch noch den tatsächlich erzielten Verkaufspreis beim Kunden anzeigt - das wäre perfekt. Erwin Wagner Erwin Wagner ist selbständiger Berater und Trainer in der Automobil- und Mineralölbranche (www.mdwwagner.de). Zudem ist er seit vielen Jahren Autor von AUTOHAUS-Fachbüchern und Trainer bei der AUTOHAUS-Akademie. www.mdw-wagner.de GW-Börsen-Impulse Nutzen Sie die Börsen, die am meisten Kontakte generieren, die Summe der Kontakte bestimmt den Verkaufserfolg. Nutzen Sie auch Spezialbörsen, insbesondere die der Hersteller und Importeure.- Platzieren Sie Ihr Angebot mit den richtigen keywords, die vom User bei der Suche benutzt werden. Die Online-Fahrzeugpräsentation muss top sein - das Auge kauft mit. Richten Sie - falls noch nicht geschehen - einen Fotoplatz ein.- Das bessere Bild ist der Feind des guten Bildes - Dienstleister wie z. B. www.pixelconcept.de helfen.- Zum GW-Angebot gehören nicht nur die Angaben zum Fahrzeug und der Preis - auch die Frage nach den Kaufbedingungen muss präsentiert werden, z. B. die Finanzierung, Angebote rund um den GW wie beispielsweise die Garantie, die qualitativen Zusicherungen wie aktuelle HU, Meister-Check u. v. a. m. Konsens: problemfreier GW-Kauf.- Hilfreich sind die Marktanalysen der Börsen, nutzen Sie diese Information zur richtigen Verkaufs-Preisgestaltung. Richtig heißt nicht, der "billigste" zu sein. Es gibt auch ein Geschäft jenseits der Seite 1!- Schaffen Sie Connections: GW-Börsen - die Homepage - Smartphone - das sind die "erfolgreichen Drei"!- Die Börsen dienen nicht nur der Vermarktung, der Marktbeobachtung - sie sind auch für den aktiven Zukauf äußerst hilfreich.- Börsenpreise sind zudem ein Kalkulationsinstrument für Zukauf und Eintausch. Anfragen über GW-Börsen müssen ernst genommen werden. Rasche Antworten (innerhalb maximal weniger Stunden) sind heute Standard.- Der Wandel vom klassischen "Platzverkäufer" zum "Online-Dealer" muss im Autohaus vollzogen werden.- "Apropos Platz" - die verkaufsfördernde GW-Präsentation am Platz muss dennoch weiter gepflegt werden. Irgendwann kommt der Kaufinteressent zu Ihnen - dann muss das Angebot einlösen, was es online versprochen hat!

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