Ausgabe 01-02/2009: Grund zur Panik?

Grund zur Panik?Autokrise E Eine dramatische Situation erfordert rasches Reagieren und ein "Fahren auf Sicht" in der Produktion. Von Prof. Hannes BrachatUS-Konzerne taumeln, die Motoren der deutschen Automobilhersteller stottern. Die Krise der Automobilhersteller trifft die Zulieferer. Bleibt das Rackern des Handels ohne Erfolg? AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach darüber mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).AH: Herr Wissmann, was bedeutet die weltweite Finanzkrise für die deutschen Automobilhersteller?M. Wissmann: Diese Krise beschränkt sich nicht – wie in früheren Jahren – auf ein Land oder eine Region, sondern sie hat alle wichtigen Märkte weltweit erfasst. Vor dem Hintergrund einer Rezession auf den Weltmärkten und der internationalen Finanzkrise sind die internationalen Pkw-Märkte besonders stark unter Druck geraten. Hinzu kommt, dass die Banken bei der Kreditvergabe äußerst restriktiv vorgehen. Auf den globalen Pkw-Märkten zeichnet sich ein dramatisches Bild ab: Die etablierten Triademärkte erleben derzeit einen starken Absatzeinbruch. Auch die bislang wachstumsstarken Schwellenländer haben in den letzten Monaten teilweise sehr deutlich verloren. Weltweit bewegen sich damit die Pkw-Märkte in einem bislang noch nie da gewesenen Ausmaß gleichzeitig nach unten.Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie haben auf diese neue, dramatisch schwierige Lage rasch reagiert. Der schmerzhafte Kapazitätsanpassungsprozess ist mit erheblichen Kosten verbunden, die die Investitions- und Ertragskraft der Unternehmen beeinträchtigen, und hat auch Auswirkungen auf die Beschäftigung in dieser Branche. Die Nachfrageabschwächung trifft Hersteller und Zulieferer gleichermaßen. Mit dem Auslaufen von Verträgen für Zeitarbeitskräfte, dem Abbau von Überstunden sowie der Nutzung der Arbeitszeitkonten der Stammbelegschaft reagieren die Unternehmen auf die deutlich geringere Nachfrage. Weitere Anpassungsprozesse können nicht ausgeschlossen werden. Die Unternehmen tun alles, um ihre Stammbelegschaft zu halten.Marktperspektiven 2009AH: Welche Perspektiven sehen Sie für den deutschen Automobilmarkt 2009?M. Wissmann: Angesichts des dramatischen Nachfragerückgangs im In- und Ausland fahren die deutschen Hersteller ihre Produktion derzeit ausnahmslos "auf Sicht" und passen ihre Kapazitäten laufend an. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und wird auch Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. Für das Gesamtjahr 2008 erwarten wir ein Produktionsvolumen von rund 5,5 Mio. Pkw, im Jahr 2009 wird die Produktion geringer ausfallen. Auch der Export der deutschen Hersteller leidet unter den schwachen Märkten, das Exportvolumen wird 2009 unter Vorjahr liegen.Auch auf dem Pkw-Inlandsmarkt "kippte" die Konjunktur im letzten Quartal regelrecht ab. Wir werden 2008 bei knapp 3,1 Mio. Pkw-Neuzulassungen liegen. Niemand kann heute genau sagen, wie das Jahr 2009 verlaufen wird. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob und wie die milliardenschweren Konjunkturprogramme, die in Amerika, Europa und Asien geschnürt werden, ihre Wirkung entfalten. Aber auch unter der Voraussetzung, dass diese Instrumente greifen, werden wir mindestens im ersten Halbjahr 2009 weiterhin rückläufige Märkte haben. Für das Gesamtjahr 2009 gehen wir davon aus, dass das Neuzulassungsvolumen in Deutschland um die 2,9 Mio. Pkw liegen wird. Auch eine eventuell noch etwas schwächere Entwicklung ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen. Export und Pkw-Produktion dürften voraussichtlich zweistellig rückläufig sein. AH: Welche politischen Weichenstellungen sind auf europäischer Ebene, welche für den deutschen Markt notwendig?M. Wissmann: Die Automobilindustrie ist Schlüsselbranche in Deutschland und Europa. Also brauchen wir abgestimmte Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene. Im Inland geht es vor allem darum, dass die Politik ihren Einfluss bei den Landesbanken nutzt, damit die Unternehmen – vor allem die Zulieferer – genügend liquide Mittel von den Kreditinstituten erhalten. Der von der Bundesregierung aufgespannte "Rettungsschirm" für den Finanzsektor dient ja in erster Linie dem Zweck, die Realwirtschaft mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten. Da darf nichts ins Stocken geraten.Dabei sind auch die politischen Entscheidungsträger gefordert, insbesondere mit ihrem Einfluss auf die Landesbanken. Die Politik hat zudem die Aufgabe, rasch für günstige Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir begrüßen ausdrücklich die Initiativen der Bundesregierung, mit denen die Schlüsselbranche Automobilindustrie in dieser Phase begleitet wird. Politik muss für Klarheit sorgen, damit die verunsicherten Verbraucher eine verlässliche Planungsgrundlage beim Kauf eines Neuwagens haben. Noch sind die künftigen steuerpolitischen Rahmenbedingungen für den Autokäufer alles andere als klar und verlässlich. Es gibt immer noch keine Entscheidung über die von uns seit vielen Monaten angemahnte Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Basis. Die zeitlich befristete Aussetzung der Kfz-Steuer für Neuwagen ist lediglich ein erster Schritt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Pendlerpauschale haben wir begrüßt.VerschrottungsprämieAH: 15 Millionen Pkw sind älter als zehn Jahre. Wäre hier eine Verschrottungsprämie nicht sinnvoll?M. Wissmann: Wir sprechen eher von "Umweltprämie". Wenn ein Altauto vom Markt genommen und durch ein CO2-freundliches neues Auto ersetzt wird, dann ist das ja ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Noch wichtiger als eine Umweltprämie ist allerdings die rasche Umsetzung der CO2-basierten Kfz-Steuer. Das wäre eine nachhaltige Maßnahme.AH: Als ehemaliger Europapolitiker, der Sie waren, fragt man sich, weshalb es in Sachen automobiler Umweltpolitik nicht viel mehr europaeinheitliche bzw. abgestimmte Regelungen gibt?M. Wissmann: Die CO2-Regulierung in der EU ist ja eine einheitliche Maßnahme – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Wie sehr wir noch einen nationalen und europaweiten "Flickenteppich" haben, sehen wir an den Umweltzonen im Inland sowie an den immer noch nicht EU-weit harmonisierten Besteuerungssätzen beim Neuwagenkauf. Das gibt es noch viel zu tun.GVO 2010AH: Welche Weichenstellung wird der VDA in Sachen GVO 2010 betreiben?M. Wissmann: Der VDA setzt sich für schlanke und effiziente EU-Rahmenbedingungen für den selektiven Kfz-Vertrieb in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kfz-Betrieben ein. Zugleich unterstützen wir die wettbewerbspolitische Zielsetzung der EU-Kommission im Ersatzteilgeschäft. Die Vertikal-GVO gilt nach unserer Einschätzung als realistische Alternative zur Fortsetzung einer branchenspezifischen Regelung ab 2010. Zur Bewältigung der Absatzkrise benötigt die Automobilindustrie auch im Bereich GVO eine klare Entscheidung der EU-Kommission, die im Frühjahr 2009 gefällt werden sollte.AH: Welche gezielten Wünsche für 2009 hat der VDA-Präsident an den deutschen Automobilhandel?M. Wissmann: Der Handel leidet besonders unter der derzeitig sehr schwierigen Lage. Industrie und Handel – aber auch die Politik – sollten alles daran setzen, damit die Verunsicherung der Verbraucher sich wieder legt. Mit neuen Rabattaktionen ist da nichts gewonnen, die Autofahrer wollen verlässliche Perspektiven. Die Automobilindustrie wird mit neuen und CO2-freundlichen Modellen, die deutlich weniger Kraftstoff verbrauchen, diese Krise auch als Chance nutzen, um stärker als ihre Wettbewerber aus der aktuell sehr angespannten Lage herauszufahren. Und für den Handel gilt: Nur motivierte und bestens qualifizierte Mitarbeiter bringen den Erfolg. zKurzfassungDie Kernbotschaften des Interviews mit VDA-Präsident Matthias Wissmann: 1. Weltweit bewegen sich die Pkw-Märkte in einem bislang nie da gewesenen Ausmaß gleichzeitig nach unten.2. Die deutsche Automobilindustrie hat einen kostenintensiven Kapazitätsanpassungsprozess rasch in Gang gesetzt.3. Für Deutschland erwartet der VDA 2009 ein Neuzulassungsvolumen von rund 2,9 Millionen Pkw.4. Eine Vertikal-GVO wird ab 2010 als "realistische Alternative" zur Fortsetzung einer branchenspezifischen Regelung gesehen.Lesen SIe hier...... wie VDA-Präsident Matthias Wissmann die aktuelle Automobilkrise bewertet und welche Krisenstrategien der Verband der Automobil-industrie favorisiert.Weltautomobilproduktion (PKW) 2006 2007 *)Veränd. in %Europa18.210.15419.471.936 6,9 EU-2516.287.47217.284.053 6,1Deutschland 5.398.5085.709.1395,8Frankreich2.722.3932.530.000-7,1Italien892.502930.000 4,2Spanien2.192.7312.400.0009,5Großbritannien1.442.0851.534.5676,4 Nafta **)15.251.60915.021.044-1,5 USA10.798.45910.473.193-3,0 Mercosur **)2.880.0983.310.55314,9 Brasilien2.471.2242.797.32113,2 Asien20.163.27421.954.725 8,9 China 4.302.3175.400.00025,5 Japan9.754.9039.950.0002,0 Übrige Welt755.568689.633 -8,7 insgesamt57.260.703 60.447.8915,6 *) teilweise vorläufig bzw. geschätzt , **) einschl. Light TrucksVDA-Präsident Matthias Wissmann:< Auf den globalen Pkw-Märkten zeichnet sich ein dramatisches Bild ab. «

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