Die bunten Kugeln fallen aus kleinen Plastikboxen auf das Förderband, werden nach Farben sortiert und abgezählt. Mit neugierigen Blicken beäugen die Männer im Anzug die winzige Industrieanlage, die auf zwei zusammengeschobenen Tischen leise vor sich hinschnurrt. Ein kleines Wunderwerk, allein schon ihre Konstruktion, gebaut mit mehreren tausend Plastikteilen von Fischertechnik. An dem traditionsreichen Konstruktionsspielzeug vergreifen sich auch Erwachsene gerne - und das nicht nur aus Spieltrieb.
"Mit solchen Anlagen können wir genau das abbilden, was in großen Produktionsfirmen passiert", erklärt der Geschäftsführer der Fischertechnik GmbH, Marcus Keller, in Waldachtal südlich von Stuttgart. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat das Spielzeug längst die Grenzen der Kinderzimmer überschritten. Manager und Professoren haben entdeckt, dass sie ihre Schützlinge mit Fischertechnik spielend auf den Beruf vorbereiten können.
Bei Audi sind mehr als 30 Spielzeuganlagen zur Schulung der Mechatroniker im Einsatz. "Wir haben Transport- und Sortierstrecken und auch Lager mit Registern", erzählt Alfons Regler von der Aus- und Weiterbildung des Autobauers. Die Auszubildenden lernen an den Modellen vor allem das Programmieren. "Die Steuerung ist etwas kleiner als im Werk, aber sie hat alle notwendigen Komponenten." Für Regler ist das nicht zuletzt eine Frage des Geldes. Bei Kosten von 2.500 Euro pro Modell kann bei Fehlern kein allzugroßer Schaden entstehen.
Die Modelle für die Industrie sind nicht ganz identisch mit dem Material, das es im Spielwarenladen zu kaufen gibt. Die Firma Staudinger rüstet das gängige Sortiment etwas auf. Um Industrieanlagen nachzubilden, muss sie einige Bauteile ergänzen. Vor allem aber wird bei den Steuerungselementen geklotzt, die dann der Industrienorm entsprechen. Diese Computertechnik stammt meist von Siemens - und sie wird dort nicht selten mit dem Spielzeug getestet. In der Siemens Technik Akademie stehen einige Modelle, "so dass unsere Studierenden nachvollziehen können, was die von ihnen entwickelten Steuerungsprogramme denn tatsächlich machen", sagt Andreas Dieckmann von der Akademie. "Die Inbetriebnahme realer Abläufe birgt doch immer wieder Überraschungen." Er fügt hinzu: "Außerdem macht es einfach Spaß."
Immer auf dem neuesten Stand der Technik
Die Bezeichnung Spielzeug hört Volker Alexander von der Fachhochschule Gelsenkirchen nicht so gerne. Er lehrt im Studiengang Transport, Verkehr und Logistik. An der Modell-Fertigungsanlage führt er die Studenten in die Steuerungen ein und analysiert Schwachstellen im Materialfluss, dann müssen sie auch unter Zeitdruck Kundenaufträge erledigen. "Dabei fühlen sie sich nicht wie in einem Spiel, sondern wie in einem echten Unternehmen", sagt Alexander. Für ihn erfüllen die Modelle "den Wunsch nach Vermittlung von Praxisnähe ideal".
Um das Niveau zu halten, versucht der Spielzeugbauer gemeinsam mit Unternehmen immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Ob Solarmodule oder Brennstoffzelle - Marcus Keller von Fischertechnik will jede neue Technik möglichst schnell für die Modellbaukästen umsetzen.