Margenrelevanz von Kundenzufriedenheitsumfragen: Es geht um viel Geld

Zu wissen, was der Kunde will und wie man ihn zufrieden stellt, ist viel wert. Wie viel genau und wie man das am besten misst, darüber gehen die Meinungen in der Branche auseinander. Die Bewertung variiert stark, die Methode auch - und jedes Jahr verhandeln die meisten Fabrikate wieder neu über die Ausgestaltung der Kundenzufriedenheitsboni und diskutieren mit Händlervertretern heftigst zu dem Thema. Bei 13 der wichtigsten Marken ist die Kundenzufriedenheitsumfrage derzeit margenrelevant (siehe Grafik Seite 14). Bis zu zwei Prozent der Unverbindlichen Preisempfehlung (UPE) bekommen diejenigen Händler im Verkauf als Bonus, die die vom Hersteller aufgestellten und im besten Fall mit den Händlerverbänden abgestimmten Kriterien erfüllen (siehe Tabelle Seite 14). Den höchsten Bonus in diesem Bereich zahlt BMW mit zwei Prozent. Was Händlerverbands-Präsident Michael Fritze davon hält, schreibt er selbst in seinem Kommentar (Seite 16/17). Aber auch Nissan, Peugeot und Citroen sind mit 1,5 Prozent noch relativ hoch dabei. Warum sein Fabrikat die Kundenzufriedenheitsbefragung so hoch bewertet, begründet Thomas Hausch, Geschäftsführer von Nissan Center Europe, persönlich (Seite 18). Contra gibt ihm die Geschäftsführerin der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen beim ZDK Antje Woltermann (Seite 19). Kia gewährt ein Prozent, Mercedes-Benz etwas weniger. Bei Audi können maximal 0,5 Prozent erreicht werden, im Durchschnitt schaffen die Händler 0,3 Prozent. Ford liegt mit 0,2 Prozent am Ende der Skala. Alles, was zählt Dabei ist die Ausgestaltung der Befragung sehr unterschiedlich. Bei den einen, wie zum Beispiel bei Renault und Opel, zählt die Weiterempfehlung, bei anderen muss die Kundenzufriedenheit über dem Durchschnitt liegen (Skoda) oder es zählt das Abschneiden im Ranking aller Betriebe (Mercedes-Benz). Das Angebot einer Probefahrt wird bei manchen Marken ebenso bonifiziert wie der Kontakt nach Auslieferung (Citroen und Peugeot). Bei anderen müssen von 27 Fragen die Hälfte vom Kunden mit "äußerst zufrieden" beantwortet werden, damit der Partner einen Bonus bekommt (Seat). Kritikpunkte gibt es viele. Von der Wortwahl: Muss eine Leistung wirklich als "exzellent" beurteilt werden, um zu zählen? Über: Es gibt zu viele Kundenbefragungen und Testkäufe. Und: Es werden zu viele Fragen an den Kunden gestellt bzw. die Befragung dauert zu lang. Bis: Die Kunden müssen für die Beantwortung der Fragen in irgendeiner Form "motiviert" werden. Ergebnisse kaum akzeptiert Insgesamt kann man sagen, dass die Bemessungsgrundlagen der Befragungen sowie ihre Ergebnisse im Handel kaum akzeptiert sind. Und die Händler sollten auch ihren Unmut immer wieder kundtun, denn nur so kann etwas erreicht werden. Bei Mercedes-Benz zum Beispiel hat die Gewichtung des Abschneidens in der Händlerzufriedenheitsbefragung in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen: War dem Premiumhersteller der hohe Kundenzufriedenheitswert früher drei Prozent Bonus wert, reduzierte er die Zahl später auf zwei und gibt jetzt maximal ein Prozent Bonus für gutes Abschneiden. Dafür wird der Marke mit dem Stern mittlerweile zunehmend wichtiger, die Datenschutzerklärungen zu bekommen, sprich: die Kundenadresse nutzen zu dürfen. Bis zu 0,55 Prozent Bonus gibt es für die Betriebe, denen es gelingt, sowohl Briefanschrift als auch E-Mail-Adresse und Telefonnummer an den Hersteller melden zu können. Und damit steht Mercedes-Benz keineswegs allein: Die Beschaffung und Zustimmung zur Verwendung von Kundendaten ist zum Beispiel auch bei den Wettbewerbern Audi und BMW, bei Opel, Renault, Nissan, Hyundai und Peugeot/Citroen bonusrelevant. Der Hintergrund ist klar: Immer mehr Kunden zögern, ihr Einverständnis zur Verwendung ihrer Daten zu geben. Das verlangt Überzeugungsarbeit vom Händler. Die als Einstiegsvoraussetzung in den Bonus notwendige Anzahl von Kundenadressen zu bekommen wird aber auch deshalb immer schwieriger, weil bei vielen Marken nur Privatkunden für die Befragungen herangezogen werden. Der Anteil der Privatverkäufe geht aber immer weiter zurück. Das schafft schon Probleme bei der Grundgesamtheit, wenn dann noch einige verweigern, schafft der Händler die Mindestanzahl der Befragten nicht. Schwerpunkt verlagert sich Außerdem rücken mittlerweile auch andere Themen in den Vordergrund. Bei Porsche gibt es zum Beispiel keine Kundenzufriedenheitsumfragen mehr. Mystery Shoppings spielen eine zunehmende Rolle. "Nur so können wir das echte Kundenerlebnis nachvollziehen und bewerten, ohne uns rein auf Kennzahlen aus Kundenzufriedenheitsumfragen zu verlassen", erläutert Porsche Deutschland-Chef Jens Puttfarcken. 0,9 Prozent Bonus zahlt die Marke auch für gute Marktbearbeitung wie konsequentes Leadmanagement und zeitnahe Leadbearbeitung im Rahmen eines definierten Kriterienkatalogs. Schnell und gut auf E-Mail-Anfragen zu antworten ist Porsche also wichtiger für die Kundenzufriedenheit, als vom Kunden im Nachhinein eine gute Bewertung zu bekommen. Ein Vorgehen, das mittlerweile auch von anderen Marken diskutiert wird. Bonusanteil: Alles oder nichts Aufgeweicht wird bei einigen Fabrikaten auch die Hop-oder-Top-Alternative. Bislang gilt nämlich bei vielen Marken: Entweder man erreicht den Zielwert und bekommt die Marge oder man erreicht ihn nicht und bekommt gar nichts. So muss ein Skoda-Händler zum Beispiel innerhalb seiner Vergleichsgruppe, nach drei Betriebsgrößen gestaffelt, bei seinen Kundenzufriedenheitsbefragungen über dem Durchschnitt liegen, um 0,3 Prozent Bonus zu bekommen. Liegt er unter dem Durchschnitt, bekommt er nichts. Wo der Durchschnitt liegt, erfährt er erst im Nachhinein. Und das, wo die 0,3 Prozent in einer Betriebsgröße von zum Beispiel 1.500 Neuwagenverkäufen eine Zahlung von 60.000 bis 70.000 Euro ausmachen. Der Skoda-Händlerverband fordert deshalb schon lange, dass die Händler betriebsspezifische Ziele erhalten und nicht am Durchschnitt gemessen werden, damit jeder weiß, wo seine Messlatte liegt. Beschwerden manchmal erhört Kia hat gerade auf Drängen des Händlerverbandes Verbesserungen bei der Kundenzufriedenheitsmessung angeboten: Zwar bleiben die monetären Anreize (max. 1 Prozent Bonus) bestehen, die Maßnahmen bei Verfehlung der Ziele wurden aber entschärft. Es gibt keine Rückbelastung mehr. Reißt ein Partner das gesteckte Ziel, kann er sich über ein gutes Mystery-Shopping-Ergebnis wieder für den Bonus qualifizieren. Dem Mystery Shopping mehr Bedeutung beizumessen, ist aber auch nicht unproblematisch. Ford-Händlerverbands-Präsident Volker Reichstein hat in seinem Gastkommentar in AUTOHAUS 11 unter dem Titel "Wer testet die Tester?" die Kritikpunkte zusammengefasst. Auch bei dieser Maßnahme kommt es nämlich darauf an, dass der Händler die Testergebnisse nachvollziehen und bestimmten Personen in seinem Betrieb zuordnen kann, sonst können keine Verbesserungen erreicht werden. VW: auf anderen Wegen zum Ziel Dass es zum Ziel "hohe Kundenzufriedenheit" auch andere Wege gibt, beweist Marktführer Volkswagen. Bei den Wolfsburgern ist die Kundenzufriedenheitsbefragung nicht margenrelevant. "Wir wollen tatsächliche Kundenzufriedenheit und haben uns bewusst gegen eine Bonifizierung von 'Kennzahlen' entschieden", erläutert Emmerich Engels, der Netzverantwortliche für Volkswagen in Deutschland: "Mit unserem vor Jahren eingeführten Loyalitätsbonus honorieren wir die aus unserer Sicht höchste Form der Kundenzufriedenheit, nämlich die Loyalität des Kunden, die zum Wiederkauf führt." Verbesserungspotenziale werden den Händlern aber auf anderem Weg aufgezeigt: "Wir haben über die Marktforschung fast zu jedem Vertriebspartner ein individuelles Bild seiner Kundenzufriedenheit und in der Regel ein Stärken- und Schwächenprofil. Auf dieser Basis vereinbaren wir mit jedem Partner individuelle Maßnahmen, die dann im Hause umgesetzt werden." Wer gute Argumente braucht, um Kundenzufriedenheitsmessungen zu entschärfen, kann sich an den ZDK wenden. Händlerverbänden, die in den Verhandlungen mit ihrem Hersteller oder Importeur zu diesem Thema Hilfestellung brauchen, hat der Kfz-Spitzenverband schon vor Monaten fabrikatsspezifische Unterstützung angeboten, denn ein allgemein formulierter Anforderungskatalog wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. "Derzeit liegt uns aber kein entsprechender Auftrag eines Fabrikatsverbandes vor", berichtet ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann. Das kann sich aber noch ändern, denn neue Margensysteme werden ja häufig in der zweiten Jahreshälfte diskutiert, damit die Veränderung dann zum 1.1. des Folgejahres in Kraft treten kann. Kurzfassung Die Bedeutung von Kundenzufriedenheitsumfragen nimmt ab: Mystery Shoppings und schnelle Leadbearbeitung gelten als zielführender für mehr Kundenzufriedenheit. Beim Marktführer zählt ohnehin nur was rauskommt, nämlich dass der Kunde wieder kauft. Titelthema Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität, Zufriedenheitsumfragen, Mystery Shopping, Margenrelevanz: Diese Schlagworte kreisen um einen eminent wichtigen Erfolgsfaktor im Autohaus, der aber zugleich höchst umstritten ist, vor allem was Messung und Bonifizierung von Kundenzufriedenheit anbetrifft. Unser Titelthema beleuchtet wichtige Facetten dieser Debatte.Seite 12: Es geht um viel Geld: AUTOHAUS-Redakteurin Doris Plate verdeutlicht im einleitenden Beitrag, wie bei den einzelnen Fabrikaten das Thema Kundenzufriedenheit gehandhabt und sanktioniert wird.Seite 16: BMW ist mit einer Bonushöhe von max. 2 Prozent das Fabrikat, bei dem Kundenzufriedenheitsbefragungen am höchsten zu Buche schlagen. Michael Fritze, Präsident des BMW Händlerverands, skizziert im Gastkommentar dazu seine Sicht der Dinge.Seite 18: Thomas Hausch, Geschäftsführer von Nissan Center Europe plädiert in seinem Beitrag für eine Margenrelevanz von Kundenzufriedenheitsbefragungen.Seite 19: Antje Woltermann, GF der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen beim ZDK, ist gegen eine Margenrelevanz der Ergebnisse von Kundenzufriedenheitsumfragen.Seite 20: Wie man aus Kundenzufriedenheit Kundenloyalität und Stammkundschaft generiert, erläutern Prof. Dr. Stefan Reindl und Benedikt Maier vom Institut für Automobilwirtschaft (IFA).Seite 24: Ein Interview zum Themenfeld Kundenzufriedenheit mit Axel Wilke, Direktor Ford Service Organisation.Seite 26: Die aktuelle Händlerbefragung des AUTOHAUS pulsSchlag von Juli 2015 zeigt, wie der Handel die verschiedenen Aspekte dieses Themas bewertet und wie er in der Praxis mit dem Thema Kundenzufriedenheit und deren Messung und Instrumentalisierung umgeht.Seite 30: Auto Schwenke zählt zu den Siegern im Mazda Dealer Excellence Award. Prof. Hannes Brachat forschte vor Ort in Duisburg nach dem Erfolgsgeheimnis.Seite 32: Wie gehen andere Branchen mit dem Thema um? Patrick Neumann, stellv. Chefredakteur AUTOHAUS, ging dieser Frage beispielsweise in der Hotel- und Gaststättenbranche nach.Seite 34: Nicht nur beim Preis, auch bei der Kundenzufriedenheit sorgt das Internet für Transparenz. AUTOHAUS Redakteurin Daniela Kohnen erläutert am Beispiel von www.autohauskenner.de, wie man mit Empfehlungsportalen umgehen sollte.

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HB ohne Filter vom 10. Juli 2015

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