Na geht doch: Vorbei die Zeiten, in denen ein sogenannter Plug-in-Hybrid offiziell rund 50 und tatsächlich meist nur 35 Kilometer weit kam und eher grünes Feigenblatt denn sinnvolle Alternative zum reinen E-Auto war. Das gilt nun auch für BMW und seinen X5. Dank einer deutlich größeren, an der Steckdose aufladbaren Batterie kann das 4,92-Meter-Schiff als xDrive45e fast 90 Kilometer weit ohne die Mithilfe des Benzinmotors stromern.
Auch in seinen Normalversionen ist der X5 ein technisch nahezu perfektes Auto. Dennoch sind die Münchner durch ihre beiden unmittelbaren Rivalen unter Druck. Audi mit dem e-tron und Mercedes mit dem EQC bieten lupenreinen Elektroantrieb in der begehrten gehobenen SUV-Mittelklasse. Der X5 aber setzt beim Aufbruch in die abgasfreie Zukunft weiterhin auf einen Teilzeitstromer mit zwei Antrieben.
Eine Batterie mit 24 kW/h versorgt einen Elektromotor, der sich mit 83 kW / 113 PS am Antrieb aller vier Räder beteiligt. Sie kann nicht nur durch Rekuperation, also durch Energiegewinnung beim Bremsen oder Gaswegnehmen geladen werden, sondern eben auch an der Steckdose. Und der bullenstarke Sechszylinder-Benziner liefert typisch für BMW Leistung für all jene, die auch weiterhin aus Spaß oder Zeitnot die linke Spur der Autobahn rocken wollen.
Vor dem sanften Druck auf den Startknopf erklärt der Fachmann mit Firmenausweis den sinnvollen Umgang mit dem ausgeklügeltem elektronischen System, das das Zusammenspiel der ungleichen Triebwerke organisiert. Wie bei fast allen Plug-ins kommt es auf den Fahrer an. Drei Drucktasten auf der Mittelkonsole links neben dem Wählhebel wollen klug bedient werden. Die neue Lust am Fahren beginnt also mit Kopfarbeit. Knapp unter 80 Kilometer elektrische Reichweite meldet eine digitale Anzeige im Instrumentenbrett. Wie damit umgehen?
Die eingespeiste Navi-Route verrät, dass es zunächst vom BMW-Hauptquartier in München Richtung Norden geht. Da Stau auf der dafür berüchtigten A 9 droht, wählt der kluge Richtungsweiser zunächst den Stadtverkehr bis zum Stadtrand. Und da wir die Bewohner der Isarstadt von unnötigem und nicht gesundem Abgas verschonen wollen, kommt die "Electric"-Taste ins Spiel. Sie sendet den "grünen" Befehl ans Gehirn des X5, den dicken Sechszylinder alter Schule unangetastet zu lassen. Die Folge ist zunächst ein nahezu lautloses Losfahren. Der BMW wird zum E-Auto. Im Innenraum kaum wahrnehmbar produziert er dabei einen speziellen Sound, der per Lautsprecher für die Welt da draußen hörbar ist und vor allem Fußgänger vor einer Überraschung bewahren soll.
BMW X5 xDrive45e (Plug-in)
BildergalerieMit stets sanftem Gasfuß geht es von Ampel zu Ampel, bitte keine sinnlosen Zwischenspurts, keine Kavalierstarts bei Grün. Die Belohnung kommt prompt. Die sieben Kilometer zur Grenze in den Landkreis haben auch nur sieben Kilometer Reichweite gekostet. So macht E-Fahren Sinn und auch Spaß. Dann aber doch die erste Einfahrt auf die A 9, der dicke Stau ist vorbei, es herrscht dichter Verkehr, alle drei Spuren voll belegt. Klassische BMW-Freaks könnten jetzt die "Sport"-Taste drücken, den Benziner ins Boot holen und die gemeinsame Kraft beider Herzen nutzen.
Gewiefte Plug-in-Nutzer legen den Zeigefinger der rechten Hand auf "Hybrid". Jetzt übernimmt das bordeigene Management das Kommando, es beginnt ein stetiges Hin und Her. Wann immer möglich, schaltet sich der Sechszylinder aus. Ob beim Gaswegnehmen, weil die da vorne langsamer werden, beim Bergabfahren, wenn die Erdanziehung den 2,5-Tonner talwärts zieht oder auch beim Abbremsen. Am Ende der Autobahn-Etappe meldet der Bordcomputer, dass auf dem schnellen Geläuf mit Tempo-120-Limit immerhin zu gut 40 Prozent der Benziner abgeschaltet war. Später, auf der Landstraße, wiederholt sich dieser Effekt.
Tanz der Systeme
Da das alles in Bruchteilen von Sekunden abläuft, bleibt der Tanz der Systeme für den Fahrer nahezu unbemerkt. Natürlich nimmt dabei die Reichweite stetig ab, aber eben nicht dramatisch. Die Bilanz am Zielpunkt. Von den 80 Kilometern elektrischer Reichweite sind nach 110 Kilometern Fahrt noch 25 Kilometer übrig. Der Benzinverbrauch liegt bei knapp über fünf Litern. Allerdings kam dabei auch zwischen zwei Autobahn-Ausfahrten das "Sport"-Erlebnis zum Einsatz. Volle Pulle bedeutet bei dieser Technik eben schnelles Entladen. Das ist bei reinen E-Mobilen nicht anders.
Fazit: Ein ideales Auto für betuchte Pendler und deren täglichen Trip zwischen Häuschen im Grünen und Arbeitsplatz in der Metropole. Je nach Distanz müssen sie ihre Batterie nicht ständig an der Steckdose aufladen, die gut 80 Kilometer sind für einen Plug-in-Hybriden wirklich beachtlich. Apropos Plug-in: Hier zeigt der X5 eine für ein 77.600 Euro teures Auto unerwartete Schwäche: Geladen werden kann derzeit nur an vergleichsweise schwachen Säulen oder Wallboxes. So dauert es fast sieben Stunden, bis der leere Akku wieder zu 100 Prozent geladen ist. BMW erklärt das unter anderem mit dem zu erwartenden Alltag künftiger Nutzer, die an Werktagen zur Arbeit pendeln. Geladen wird daheim, wenn im Schlafzimmer die Lichter aus sind. Trotzdem: Premium ist angesichts des Preises was anderes. (SP-X)
mathi