Mercedes Benz-Servicepartner: Bereit für neue Wege

AH: Welche Themen beschäftigen Sie und die Verbandsmitglieder in Berlin? T. Leseberg: Es hat Tradition, dass wir unseren Mitgliedern am ersten Tag einen Impulsvortrag eines externen Gastredners bieten. In diesem Jahr hatten wir Jörg Heinermann, Head of Sales & Marketing Mercedes-Benz CASE/EQ, geladen. Er sprach über alle zukunftsweisenden Themen, die uns derzeit beschäftigen, also Konnektivität der Fahrzeuge, autonomes Fahren, Shared Mobility und Elektromobilität. In seinem Vortrag skizzierte er einen Fahrplan, wo die Reise im Automobilhandel, aber auch im Service hingehen könnte. Der Vortrag passte von daher auch sehr gut zu den Themen, die im Rahmen der Mitgliederversammlung behandelt wurden. Klar ist: Die Herausforderungen der Digitalisierung betreffen direkt das Geschäftsmodell der Servicebetriebe. Die Betriebe werden mit neuen Anforderungen seitens des Herstellers konfrontiert, die wir als Retailer- und Serviceorganisationen werden abbilden müssen. Blick in die Zukunft AH: Welche Rolle spielen Servicebetriebe in den skizzierten Zukunftsszenarien - finden sie darin noch statt? T. Leseberg: Viele Marktbeobachter gehen davon aus, dass der Automobilhandel auch mit Neufahrzeugen stärker als bislang über das Internet laufen wird. Beim Service sehe ich das differenzierter, denn hier sprechen wir von einem Handwerk. Wenn man den Blick auf den Total Cost of Ownership eines Autos richtet, kommen zwangsläufig auch die Servicebetriebe mit ins Spiel. Ganz gleich, welche Geschäftsmodelle künftig die Mobilität sichern, die Autos müssen auch gewartet und gepflegt werden. AH: Wie sehen diese neuen Geschäftsmodelle aus? T. Leseberg: Darunter fallen alle neuen Formen von Shared Mobility, wo ein Privatmann nicht mehr sein eigenes Auto in der Garage stehen hat, sondern die Dienstleistung "Mobilität" einkauft. Und das ganz unabhängig davon, mit welchem Verkehrsmittel diese Mobilität bewerkstelligt wird, sei es Automobil, Zug oder Flugverbindung. Die Automobilhersteller haben das Thema Mobilität zunehmend unter diesen Gesichtspunkten auf dem Schirm. Bei den Anbietern dieser Dienste sind wir nur noch partiell mit im Spiel bzw. nur noch da, wo wir den Service machen. Dort sprechen wir von großen Flotten und entsprechend großen Betreibern. Die spannende Frage ist dann, welches Servicemodell diese Betreiber einkaufen. Daneben wird es auch immer einen großen Bereich der individuellen Mobilität geben, also Menschen und Firmen, die ihr Auto exklusiv für sich besitzen wollen. In diesem Bereich sehen wir daher eher eine Weiterentwicklung und keinen Umbruch des bestehenden Geschäftsmodells. AH: Werden wir bald große Service- Factories auf der grünen Wiese sehen? T. Leseberg: Das ist durchaus möglich, wenngleich diese Konzepte eher im Ausland und um große Ballungsräume herum zu erwarten sind. Der deutsche Markt ist flächendeckend ausreichend mit Servicekapazität besetzt, sodass wir hier zumindest mittelfristig keinen wirklichen Bedarf sehen. Trotzdem werden wir uns als Mercedes-Benz- Servicebetriebe mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Als Interessenvertreter von rund 400 Betrieben will ich aber auch ganz klar betonen: Wir werden uns auf jeden Fall aktiv in die Ausgestaltung autorisierter Service- Factories mit unserem Hersteller einbringen. Darin sehe ich eine wichtige Aufgabe für uns als Verband. AH: Wie entwickelt sich die Anzahl der Servicebetriebe? H. Thon: Es hängt auch nicht zuletzt davon ab, wie sich die Absatzzahlen bei den Neuwagen entwickeln. Aktuell sagen die Prognosen für Deutschland, dass sich die Neuzulassungen auf einem vernünftigen Niveau konsolidieren werden. Wenn es zu einem Absatzrückgang kommt, spüren das natürlich mit einiger Verzögerung auch die Servicebetriebe. AH: Wie entwickelt sich die Mitgliederzahl im VVMB und was hat der Hersteller mit dem Servicenetz vor? H. Thon: Im Jahr 2015 hatten wir 386 Mitgliedsunternehmen. Heute liegt die Zahl bei 352. Das heißt nicht, dass Servicekapazität in nennenswertem Ausmaß von der Landkarte verschwunden ist, denn es gab eine Reihe von Übernahmen. Wie überall in der Handels- und Servicebranche gibt es die Tendenz zu größeren Einheiten. Der VVMB vertritt die kleinen und mittelständischen Betriebe in der Mercedes-Welt. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in den Mitgliedsbetrieben liegt bei ca. 40 Mitarbeitern. Zugriff auf Kundendaten AH: Wo spüren die Betriebe derzeit die größten Veränderungen? T. Leseberg: Die digitalen Themen bringen natürlich permanent Veränderungen mit sich. Wir schließen jetzt eine neue CRM-Vereinbarung mit Daimler ab. Das war auch ein wesentliches Thema der Mitgliederversammlung. Daimler will für das Kundenmanagement einen zentralen Datenpool aufbauen. Kunden haben eine zentrale ID, mit der sie weltweit einmalig identifiziert werden. Dem folgen dann viele digitale Themen. Die technischen Voraussetzungen sind gerade im Entstehen. Das CRM gehört auch zu den einzuhaltenden Servicestandards, deshalb ist viel Druck auf dem Thema. Auch die Weiterbildung der Mitarbeiter ist ein vorrangiges Thema. AH: Wer hat künftig Zugriff auf diese Daten? T. Leseberg: Es ist vertraglich festgelegt, wer in welcher Weise auf die Daten - natürlich unter Beachtung des Datenschutzes - zugreifen darf. An erster Stelle steht immer der Kundenwunsch. Wenn der Kunde sich in seiner Mercedes-Welt einloggt, stehen ihm auch alle Servicethemen zur Verfügung. Dazu gehört auch, dass er zu seinem hinterlegten Servicebetrieb vermittelt wird. Unsere Mitglieder sind sich bewusst darüber, dass man sich dem digitalen Wandel nicht verschließen kann. Und es ist unsere Aufgabe als Verband, hier eine saubere rechtliche und faire Vereinbarung zu erzielen. Darauf vertrauen auch unsere Mitglieder. AH: Inwieweit wird die Connectivity die Servicelandschaft verändern? T. Leseberg: Daten aus dem Fahrzeug werden ein wesentlicher Bestandteil des Services sein, ohne das Geschäft selbst allzu sehr zu verändern. Die Daten sind schlicht die Voraussetzung, um Service künftig zu leisten. Aus Sicht der markengebundenen Servicebetriebe sind die Fahrzeugdaten eher eine Chance und ein wichtiger Hebel der Kundenbindung. Am Ende entscheidet aber der Kunde, wohin die Daten gehen. AH: Welche neuen Anforderungen bringt die Elektromobilität - müssen Servicebetriebe künftig eine Mindestanzahl von Ladesäulen vorhalten? T. Leseberg: Es gibt Standards - diese sind aber nicht Bestandteil des Kernservicevertrags, sondern stellen eine ergänzende Vereinbarung zum bestehenden Service- und Teilevertrag dar. Dort ist festgelegt, was diese Betriebe vorhalten müssen. Jeder Betrieb kann aber entscheiden, ob er das machen will. Es gibt bisher nur wenige E-Fahrzeuge im Markt. Wenn diese Autos in relevanter Anzahl auf die Straße kommen, müssen die Unternehmen analysieren, ob es regional genügend Potenzial gibt. Die große Mehrheit unserer Mitglieder ist im ländlichen Raum unterwegs. Wie schnell die Elektromobilität dort ankommt, kann man derzeit nur schwer prognostizieren. Wir sehen es zunächst als urbanes Thema und man muss sehen: gemessen am Gesamtbestand sind die Mengen überschaubar. Profitabilität konstant AH: Wie ist das vergangene Jahr wirtschaftlich gelaufen? T. Leseberg: Die Zahlen für 2018 sind noch nicht final da. Man kann aber sagen, dass sich die Rentabilität auf einem konstanten Niveau eingependelt hat. Allerdings stellen wir fest, dass die Kosten für Personal massiv angestiegen sind. Da ist erheblicher Druck auf dem Kessel. Es ist ganz schwierig geworden, überhaupt qualifiziertes Personal zu bekommen. AH: Wird zu wenig ausgebildet? T. Leseberg: Die Unternehmen würden sicher viel mehr ausbilden, wenn sie passende Auszubildende finden könnten. Ich vermute, dass der Weg einer betrieblichen Ausbildung einfach bei Jugendlichen nicht mehr den Stellenwert hat wie ehedem. Wir leisten deshalb an den Schulen aktiv Aufklärungsarbeit und versuchen, die Jugendlichen abzuholen. AH: Was steckt hinter dem neuen Veranstaltungsformat "Successor Lounge"? T. Leseberg: Wir haben erstmals eine Nachwuchslounge für junge Unternehmer veranstaltet und freuen uns über die doch sehr gute Resonanz. Wir hatten mit 60 Anmeldungen doppelt so viele Teilnehmer wie geplant. Im Rahmen der "Successor Lounge" können sich Nachfolger untereinander vernetzen und austauschen. Zudem hatten wir verschiedene Vorträge von Daimler zu den Anforderungen und Qualifizierungsangeboten sowie einen Vortrag eines Juristen zu den Pflichten des Geschäftsführers. Der Erfolg zeigt uns, dass sich viele junge Leute mit dem Thema Nachfolge beschäftigen. Das ermutigt uns als Verband, die Arbeit noch stärker in diese Richtung zu orientieren und entsprechende Angebote zu machen. Servicepartnertagung Alle zwei Jahre veranstaltet der Verband der Vermittler und Servicepartner für Mercedes-Benz (VVMB) die Partnertagung. Vom 13. bis 15. Februar 2019 trafen sich rund 420 Teilnehmer in Berlin. Der VVMB ist die Interessenvertretung der Mercedes-Benz-Vermittler und -Servicepartner der Daimler AG. Der VVMB ist aus dem 1976 gegründeten Mercedes-Benz-Vertragswerkstättenausschuss hervorgegangen. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber dem Hersteller Daimler AG und seiner inländischen Vertriebsorganisation MBVD. Angegliedert an die von Verband und der Verbandstochter Semag (Service- und Marketing-Gesellschaft für Mercedes-Benz-Vertragswerkstätten) organisierten Mitgliederversammlung ist eine Infobörse mit etwa 60 Ausstellern.

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