Big Data im Autohaus: Digitalisierung birgt ein riesiges Potenzial

Der frühere Chief Digital Officer der BMW Group in Deutschland, Jens Monsees, ist vor vier Jahren nach Australien ausgewandert, um als CEO bei WPP AUNZ zu arbeiten. Seit Mai 2022 ist er CEO bei Infomedia in Sydney. AH: Herr Monsees, die Fülle an Daten und digitalen Prozessen bietet neue Möglichkeiten für die Kundenbeziehung. Wie unterstützt man hier die Kunden? J. Monsees: Ich habe noch nie eine aufregendere Zeit in der Automobilbranche gesehen, denn wir erleben nicht nur die Elektrifizierung, die eine Transformation für sich darstellt, sondern wir sehen auch einen Wandel hin zu einem Omnichannel-Kundenerlebnis und einer stärker datengesteuerten Interaktion zwischen OEMs, Händlern und Autobesitzern. In einem vernetzten Auto haben wir beispielsweise jetzt Daten dazu, wo die Person wohnt und wann sie zur Arbeit fährt. Wir können auch jederzeit erkennen, was mit dem Auto nicht stimmt: Vielleicht sind die Bremsbeläge kaputt? Wenn sie ausgetauscht werden müssen, können wir uns über WhatsApp, die Auto-App oder über das Auto selbst melden und sagen: "Wir haben ein Problem mit Ihrem Fahrzeug festgestellt, es handelt sich um ein Sicherheitsproblem und Sie müssen unsere Werkstatt aufsuchen. Bis zu unserem nächsten Händler sind es nur zehn Minuten mit dem Auto. Kann ich Sie buchen oder möchten Sie einen Online-Termin auf unserer Website vereinbaren?" Anhand der Daten des Kunden wissen wir außerdem, dass sein Autoleasingvertrag in drei Monaten ausläuft, und können ihm eine Probefahrt mit dem neuen Modell anbieten. Das ist bequem für den Kunden und stärkt seine Loyalität. Wenn der Kunde abends nach der Arbeit zurückkommt, ist sein Auto vollständig gewartet und er hat die Vorteile des neuen Modells erlebt - und die Wahrscheinlichkeit eines Umstiegs auf ein neues Auto erhöht. Alles wegen dieser tollen Kundenerfahrung. AH: Man hat den Eindruck, dass derzeit weder die OEMs noch der Handel die Daten richtig nutzen. Warum? J. Monsees: Ja, ich stimme zu 100 Prozent zu. Die Daten werden nicht über den gesamten Fahrzeug- und Kundenlebenszyklus hinweg genutzt. Weder von den Herstellern noch von den Händlern. Durch die Verbindung der verschiedenen Datenquellen wie OEM, DMS, Connected Car und CRM-System des Händlers sowie der Servicehistorie des jeweiligen Fahrzeugs bzw. Besitzers können wir vorhersagen, was wann benötigt wird. Hier bei Infomedia managen wir beispielsweise bereits für BMW Australia eine "Connected Car Experience", bei der wir technische Servicedaten aus dem Fahrzeug in personalisierte Kundenkampagnen umwandeln - beispielsweise für Serviceerinnerungen, Rückrufbenachrichtigungen oder auch Werbeaktionen für Zubehör und Pannenhilfe. Diese Kampagnen erzielen eine sehr hohe Rücklaufquote von rund 75 Prozent, weil sie relevant sind und im Auftrag des Marken-Händlers gesteuert werden - und das automatisiert. Die Kunden nehmen den Service in Anspruch, weil es sich um ein individuelles Angebot handelt, das ihre Aufmerksamkeit erregt; es handelt sich nicht um eine Spam-E-Mail oder unpersönliche Werbung. Die verfügbaren Daten effektiv zu nutzen, ist also sehr wirkungsvoll. AH: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit es nicht an der Schnittstelle oder an der Notwendigkeit einer Doppeleingabe mit entsprechendem Fehlerpotenzial scheitert? J. Monsees: Normalerweise sind die Daten aus verschiedenen Quellen verfügbar, beispielsweise beim Händler, beim Hersteller oder im vernetzten Auto. Sie sind sehr fragmentiert, nicht bereinigt und schnell veraltet. Infomedia bietet eine Möglichkeit, die verschiedenen Datenquellen zusammenzuführen und dabei die Einhaltung der DSGVO und anderer Sicherheitsanforderungen sicherzustellen. Mit diesen Daten und den entsprechenden Anwendungen kann das Autohaus jeden einzelnen Autobesitzer erreichen und ihm ein Serviceangebot unterbreiten. Dieser datengesteuerte Prozess schafft Transparenz und Vertrauen. Autobesitzer schätzen den Komfort und das persönliche Erlebnis. Die Erschließung einer solchen nahtlosen Customer Journey schafft einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Automarken. Bislang ist die Customer Journey oft sehr fragmentiert - selbst innerhalb einer Händlerumgebung. AH: Die meisten Daten werden künftig durch das "vernetzte Auto" generiert. Wie soll damit umgegangen werden? J. Monsees: Die Flotte vernetzter Fahrzeuge wächst. Ich denke, das Hauptmerkmal besteht darin, Anwendungsfälle und einen direkten datengesteuerten Dialog zwischen Händler, Hersteller und vernetztem Auto zu ermöglichen. Wer den direkten Kontakt zum Autobesitzer hat, was in unserem Fall normalerweise der Händler ist, sollte einen vollständigen Überblick über die Daten des Autos haben, einschließlich der Wartungshistorie, der Qualität der Teile im Auto und der Spezifikationen. Dort sollten meiner Meinung nach die Daten liegen. Wir müssen jedoch bedenken, dass aufgrund der DSGVO alle Daten in erster Linie dem Einzelnen gehören. Es muss also eine Einwilligung vorliegen. Wenn ein Kunde beispielsweise beim Kauf oder Leasing eines Neuwagens einen dreijährigen Servicevertrag abschließt, ist ein guter Moment, die Zustimmung einzuholen, weil der Neuwagenbesitzer ja einen Servicevertrag abschließen möchte, wenn dieser für ihn günstig ist. Agenturmodell AH: Das Agenturmodell soll Herstellern und Importeuren Zugang zur Customer Journey ermöglichen. Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? J. Monsees: Die Hersteller streben nach einem vollständigen Zugriff auf die Customer Journey und einer umfassenden Kenntnis des Kundenverhaltens. Meiner Ansicht nach wird es für einen OEM aber schwierig sein, eine direkte Kundenkommunikation zu führen, weil er auf das B2B-Großhandelsgeschäft spezialisiert ist und noch nicht auf ein direktes Gespräch mit dem Autokäufer. Der Dialog mit dem Endkunden findet normalerweise beim Händler statt - und dort ist er meiner Meinung nach selbst in einem Agenturmodell gut aufgehoben. Die Händler sind dafür verantwortlich, alle Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen: Service, Ersatzteile, Wartung, Autokauf oder Upselling, wenn es sich um ein Zubehör handelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Agenturmodell nur dann erfolgreich ist, wenn der Autobesitzer in den Mittelpunkt gestellt wird mit seinen Bedürfnissen und Erfahrungen. Die B2B-Beziehungen und das Großhandelsmodell, das bei den Herstellern aktuell vorherrscht, tun dies nicht. AH: Autohändler befürchten, dass der OEM seine Rolle als Gatekeeper ausnutzen wird. Besteht diese Gefahr? J. Monsees: Ich denke, dass beide Modelle funktionieren können. Sowohl das traditionelle Vertragshandelsmodell als auch das Agenturmodell müssen es den Autohäusern ermöglichen, alle Touch Points mit dem Kunden zu nutzen. Das Agenturmodell kann funktionieren, allerdings muss der OEM auf das Händlernetzwerk hören und eine persönliche Kommunikation mit dem Kunden ermöglichen. Es kann nicht funktionieren, wenn es noch im Rahmen des aktuellen Großhandelsmodells betrieben wird. In den unabhängigen Händlernetzen gibt es erfolgreiche Unternehmer, die ihr Geschäft vorantreiben, um den ROI und den Komfort für die Kunden zu steigern. Wenn die Hersteller sich weiterentwickeln und im Retailgeschäft mitmischen wollen, müssen sie auf das Feedback und die Ratschläge des Einzelhandels hören. Während der gesamten Customer Journey sollte der Fokus auf datenbasiertem Kundenservice liegen. Digitalisierung AH: Wie beurteilen Sie insgesamt die Umsetzung der Digitalisierung im Autohaus? J. Monsees: Die Digitalisierung der Autohäuser hinkt hinterher, und die verfügbaren Daten werden derzeit nicht vollständig genutzt. Denn viele davon liegen in verschiedenen Datensilos. Händlergruppen und Autohäuser haben keine besonders großen IT- und Datenabteilungen und schöpfen die Möglichkeiten daher oft nicht voll aus. Mit unserer E-Commerce-Plattform "SimplePart" wissen wir beispielsweise genau, welches Ersatzteil benötigt wird, wie teuer die Reparatur ist und ob das Teil verfügbar ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Autohäuser bei der Digitalisierung Unterstützung brauchen. Aber nicht mit einer Vielzahl von Lösungen, sondern mit einem nahtlosen, integrierten End-to-End-Ökosystem, das alle relevanten Berührungspunkte zwischen dem Autohaus und dem Autobesitzer abdeckt. AH: In welchen Bereichen könnte mehr getan werden? J. Monsees: Derzeit verzeichnet die Automobilindustrie eine geringe Kundenbindung und diese nimmt weiter ab. Ich bin fest davon überzeugt, dass Händler eine Chance verpassen, Transparenz und Vertrauen im Verkaufs- und Serviceprozess zu schaffen. Kunden mögen oft eine Marke und bleiben ihr beim Kauf des neuen Fahrzeugs treu, allerdings ist der Service oft zu technisch und die Preise nicht einheitlich. Die Branche investiert oft zu viel in Massenmedienkampagnen für neue Modelle und gibt Millionen für Markenwerbung aus, anstatt die Customer Journey und die Loyalität der bestehenden Kunden zu verbessern AH: Was ist Ihre Strategie, um auf den neuesten Stand der Technik zu kommen? J. Monsees: Bei Infomedia stellen wir den Kunden des Händlers in den Mittelpunkt unseres Handelns. Wir sammeln Daten für das Autohaus und ermöglichen es ihm, seine Kunden mit relevanter Kommunikation über die bevorzugten Kanäle zu erreichen. Anhand der Daten, die wir vom Händler erhalten, verstehen wir die Bedürfnisse der Kunden genau und wissen beispielsweise, wie preissensibel sie sind. Wir kennen die Servicehistorie und können dem Händler empfehlen, was er dem Autobesitzer zu welchem Zeitpunkt anbieten sollte oder welches Produkt bzw. welche Dienstleistung der Kunde benötigt. Diese Art der Personalisierung ist natürlich nur möglich, wenn wir eine datenbasierte One-to-one-Kommunikation haben. Daher ist Marketing als Dienstleistung einer der Bereiche, der am schnellsten wächst - und der Bereich, der bei Händlern im Gespräch mit Infomedia auf großes Interesse stößt. Servicegeschäft AH: Sollten wir uns stärker auf das Servicegeschäft konzentrieren? J. Monsees: Ich bin davon überzeugt, dass man im Aftersales- und Servicegeschäft viel bewegen kann. Hier sind die treuen Kunden, hier stehen die Händler bereits mit Bestandskunden in Kontakt. Daher sollten die Autohändler ihren Schwerpunkt verlagern: weg von der Neukundenakquise hin zum Auf- und Ausbau der Kundenloyalität über die gesamte Customer Journey hinweg. Und zwar, indem man hervorragende Kundenerlebnisse schafft - von der ersten Interaktion bis weit nach dem Kauf. Aus unseren Daten wissen wir, dass Kunden, wenn sie ein neues Auto kaufen, mehrere Suchanfragen durchführen und mehrere Kontakte mit einem Händler haben. Und daher sollte der Fokus im Handel meiner Meinung nach darauf liegen, sowohl digital als auch vor Ort im Autohaus ein besonderes Kundenerlebnis zu schaffen. AH: Welches Potenzial haben Händler? J. Monsees: Noch immer sind viele Händler der Meinung, dass im E-Commerce, insbesondere im Bereich Teile und Zubehör, kein Potenzial steckt. Wir wissen aber: Es gibt ein riesiges Potenzial. Wir haben von einzelnen US-Marken über deren Händler Informationen erhalten, dass es 750.000 bis eine Million E-Commerce-Transaktionen pro Jahr gibt. Und wir wissen, dass der Verkauf von OEM-Teilen und -Zubehör auf Marken-E-Commerce-Plattformen sehr profitabel ist. Für Händler bietet das eine Chance, Kunden zurückzugewinnen, die sonst dem Händlernetz verloren gingen - das Kundenerlebnis und die langfristige Bindung an die Marke werden dadurch zusätzlich gesteigert. AH: Wie können Autohäuser die Kundendaten besser nutzen? J. Monsees: Auch hier steigert das datengesteuerte Ökosystem von Infomedia nicht nur die Effizienz und die Kapitalrendite für das Autohaus, sondern verbessert auch die Erfahrung des Autobesitzers auf dem gesamten Weg vom Verkauf bis zu Wartung und Reparatur. Mehr Komfort für die Kunden schaffen zum Beispiel: Online-Serviceplanungen, Serviceerinnerungen, Empfehlungen zur Foto- und Videoreparatur, digitale Reparaturautorisierung, Onlinebezahlungen, Chat-Nachrichten, Nachverfolgung abgelehnter Arbeiten, maßgeschneiderte Zubehörangebote sowie auch Marken-E-Commerce-Erlebnisse. Es gibt so viele Möglichkeiten, die unsere Technologie bieten kann. Und durch hervorragende datengesteuerte Kundenerlebnisse wird natürlich auch die Kundenbindung gestärkt, was zu einem erneuten Kauf oder zur Erneuerung eines Leasingvertrags führt, wenn dieser ausläuft. AH: Wie lässt sich die Produktivität im Autohaus durch Digitalisierung steigern? J. Monsees: Händler sollten Technologie, Digitalisierung und Daten nutzen, um ihre Mitarbeiter effizienter einzusetzen. Es kann eine einheitliche Datenplattform zur Verfügung gestellt werden, um Anwendungen voranzutreiben, die manuelle Übergaben in der Werkstatt, bei Ersatzteilen, im Service und im Verkauf überflüssig machen. Die Digitalisierung ermöglicht eine umfassende Leistungsberichterstattung, sodass die Performance der Mitarbeiter über alle Betriebs- und Kundendienst-Touchpoints hinweg gemessen werden kann. Durch die Automatisierung können Mitarbeiter mehr Zeit für die Kundenbindung aufwenden, anstatt komplexe Daten und interne Arbeitsabläufe zu verwalten. Beispielsweise kann ein Serviceberater in unserer "Superservice"-Anwendung mit drei Klicks innerhalb von sieben Sekunden ein detailliertes Angebot für eine Radlagerreparatur unterbreiten. Mithilfe der integrierten Daten von Infomedia können nicht-technische Mitarbeiter detaillierte Reparaturkostenvoranschläge erstellen, die andernfalls den Input eines leitenden Technikers und der Mitarbeiter der Teileabteilung erfordern würden - wodurch pro Tag mindestens 15 Minuten und mehrere Diskussionen zwischen den Abteilungen eingespart werden. AH: Automatisierung kann also dem Fachkräftemangel entgegenwirken? J. Monsees: Die Digitalisierung kann in vielerlei Hinsicht helfen. Im Servicebereich können Mitarbeiter den Status der Aufträge automatisch verfolgen. Sie können besser mit der Ersatzteilabteilung zusammenarbeiten und sicherstellen, dass der richtige Bestand verfügbar ist. Digitale Anwendungen ermöglichen eine genauere Diagnose, einen schnelleren Kundenservice und bessere Möglichkeiten, zusätzlich Teile und Zubehör zu verkaufen oder etwas am Auto zu reparieren, von dem der Kunde zum Zeitpunkt der Wartung des Autos nichts wusste. Viele dieser Chancen werden derzeit aufgrund des Zeitdrucks und des Personalmangels vertan, vor allem aber, weil die Händler es immer noch nicht schaffen, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen die Technologie bieten kann. Ein gutes Beispiel sind die Vorteile eines Tablet-basierten Teilebetriebs: Teilelagermitarbeiter verschwenden viel Zeit damit, zu ihrem Schreibtisch zurückzukehren, um Teile- und Fahrzeuginformationen auf ihrem Desktop nachzuschlagen. Der Tablet-basierte Prozess stellt Informationen dort bereit, wo sie sie benötigen, was letztendlich Produktivität, Kundenzufriedenheit und Verkäufe verbessert. AH: Vielen Dank für das Gespräch! INFOMEDIA Infomedia unterstützt OEM und Händler bei der Digitalisierung ihrer Touchpoints für ein besseres Kundenerlebnis. Es gibt sechs Lösungen: Microcat: eine branchenführende Teileverkaufsplattform und ein elektronischer Teilekatalog Superservice: eine datengesteuerte Online-Terminvereinbarung, Serviceangebots- und Fahrzeuginspektionssoftware SimplePart: eine schlüsselfertige B2C-E-Commerce-Lösung, die den Online-Verkauf von Teilen und Zubehör unterstützt Infodrive CX: eine datengesteuerte Kundenerlebnisplattform, die eine zeitnahe, relevante und personalisierte Kommunikation während des gesamten Fahrzeuglebenszyklus ermöglicht Infodrive Data: prädiktive Analysen, die Aktionspläne der Händler vorantreiben, Arbeitsabläufe automatisieren und CRM-Prozesse verbessern Infodrive Analytics-Geschäft: Erkenntnisse zur Entscheidungsfindung für Bestandsverwaltung, Service- und Reparaturprognosen und Kundenbindung.

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