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Stadtverkehr: Miteinander statt gegeneinander

21.09.2020 08:00 Uhr
Die Städte in Deutschland sollten Radfahrern und Fußgängern aus Sicht des Umweltbundesamts mehr Platz auf der Straße verschaffen.
© Foto: Upixa/Adobe Stock

Leere Straßen und Vogelgezwitscher, wo sonst der Autoverkehr brüllt: Still war es in den Städten zu Hochzeiten von Corona. Viele stiegen aufs Rad um – ein Trend, der sich angesichts der drohenden Klimakrise verstetigen muss, meint etwa das Umweltbundesamt.

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Die Städte in Deutschland sollten Radfahrern und Fußgängern aus Sicht des Umweltbundesamts mehr Platz auf der Straße verschaffen, um im Kampf gegen Klimakrise und Luftverschmutzung voranzukommen. Dabei könne die Corona-Krise als "Gelegenheitsfenster" genutzt werden, erklärte die Behörde auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Auch sollten Parkgebühren und Anwohnerparkausweise teurer werden, um den Umstieg vom Auto auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu fördern. Politiker von Union und FDP sowie der ADAC äußerten Skepsis.

Im Frühjahr und Sommer haben einige Städte, darunter Berlin und Hamburg, sogenannte Pop-up-Radwege und befristete Spielstraßen eingerichtet, um die Corona-Abstandsregeln und Verkehrssicherheit zu garantieren. Dies begrüßt das Umweltbundesamt ausdrücklich. "Pop-up-Fußgängerzonen wären ebenfalls wünschenswert", hieß es. Denn Laufen oder Radfahren sei gesund, im Vergleich zu Autos leise und erzeuge weder klimaschädliche Treibhausgase noch Luftschadstoffe.

Als "wesentliches Hemmnis" für eine Verkehrswende in den Städten nennt das Umweltbundesamt eine zu geringe Bepreisung von Bewohnerparkplätzen und Parkraum. "Während man in Kopenhagen über 200 Euro und in Amsterdam über 500 Euro pro Jahr für das Bewohnerparken zahlt, liegen die Gebühren in Deutschland derzeit weit darunter", hieß es. In der Millionenmetropole Berlin etwa zahle man pro Jahr nur rund zehn Euro, vielerorts sei Parken sogar noch kostenfrei.

Laut Umweltbundesamt ist der Bestand an Kraftfahrzeugen hierzulande zwischen 2009 und 2019 um 16 Prozent gestiegen. In Groß- und Mittelstädten, also in Städten mit mindestens 15.000 Einwohnern, leben knapp 80 Prozent der Menschen in Deutschland.

Ob Radfahrer mehr Platz auf der Straße bekommen, müsse zwar jede Stadt für sich entscheiden, sagte der Verkehrsexperte der Union im Bundestag, Alois Rainer (CSU), der Deutschen Presse-Agentur. "Wichtig ist aber, dass eine solche Umwandlung nicht aus ideologischen Gründen geschieht, um Autofahrer zu bestrafen. Auch für Autos muss es in Städten ausreichend Raum geben."

"Ganzheitliche Lösungen" gefordert

ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand sagte der dpa zu Forderungen, mehr Autospuren in Radwege umzuwandeln, dies müsse vor Ort genau abgewogen werden. Da Bus und Bahn derzeit weniger genutzt würden, seien Pkw und Rad besonders gefragt. "Beide gegeneinander auszuspielen, macht also wenig Sinn." Er forderte "ganzheitliche Lösungen".

Die SPD-Verkehrsexpertin im Bundestag, Kirsten Lühmann, sagte, der Radverkehr nehme kontinuierlich zu, in den letzten Monaten sogar sprunghaft. Darauf müsse man reagieren. "Ein 'Das war aber schon immer so' können wir uns nicht leisten", sagte sie der dpa.

Das Umweltbundesamt wies darauf hin, dass 40 bis 50 Prozent der innerstädtischen Autofahrten kürzer sind als fünf Kilometer. "Sie liegen damit in einem Entfernungsbereich, in dem das Fahrrad sogar häufig das schnellste Verkehrsmittel ist." Doch um mehr Menschen zum Radfahren zu bewegen, müsse es sicherer und einfacher werden.

Anfang des Monats hatte auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, gefordert, dem Auto auch öffentliche Räume "zu entreißen". Er sagte der dpa: "Unsere Städte sind keine Parkplätze, Städte sind Orte zum Leben."

Der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Oliver Luksic, sagte der dpa, im Stadtverkehr herrsche heute häufig ein Wettkampf, gefragt sei aber ein Miteinander. In einzelnen Fällen könne die Umwidmung von Verkehrswegen zu Radwegen sinnvoll sein. Zusätzlich brauche es aber eine umfassende Antwort – zum Beispiel deutlich mehr Vernetzung und Digitalisierung, etwa durch Leitsysteme und interaktive Beschilderung.

Der CSU-Politiker Rainer sagte zu Forderungen, Anwohnerparkausweise zu verteuern: "Grundsätzlich halte ich aber einen Jahresbetrag von mehreren Hundert Euro für zu viel. So billig wie in Berlin muss es aber auch nicht sein." In der Hauptstadt kostet der Bewohnerparkausweis jährlich 10,20 Euro, in anderen europäischen Städten teilweise mehrere Hundert Euro jährlich. Luksic mahnte: "Überzogene Forderungen schaden vor allem den Millionen Pendlern, Berufstätigen und auch Anwohnern, die nach wie vor auf ihre Autos angewiesen sind." Auch ADAC-Verkehrspräsident Hillebrand forderte, es müsse möglich bleiben, in Innenstadtgebieten zu leben und wohnortnah zu parken.

Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar sagte der dpa, derzeit sei es kaum möglich, Parkgebühren einzuführen und sie mit verkehrspolitischen, umwelt- und klimapolitischen Lenkungswirkungen zu verbinden - das müsse sich ändern. "Wenn die tatsächlichen Kosten erhoben würden, würde ein Euro pro Tag für einen Parkplatz in Wohnortnähe nicht ausreichen. Zum Vergleich: Ein Jahresparkticket für Anwohner und Anwohnerinnen in Stockholm kostet derzeit 1.300 Euro." (dpa)

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