Der Verkehrsgerichtstag ist schon seit mehr als einem halben Jahrhundert die Veranstaltung für die Reformen des Verkehrsrechts. Bereits 1974 beispielsweise diskutierten die Experten über eine "Anlegepflicht für Sicherheitsgurte". Die Gurtpflicht wurde schließlich zum 1.1.1976 eingeführt. In den vergangenen Jahren haben die Teilnehmer nicht zuletzt die Herabsetzung der Promillegrenze, das Handyverbot am Steuer und den Führerschein mit 17 angestoßen. Weichen wurden in Goslar 1999 aber auch schon zum (seinerzeit abgelehnten) Schadenmanagement der Versicherer und viele sonstigen Schadenthemen gestellt.
Diskussionen und Resolutionen in acht Arbeitskreisen
Die Empfehlungen der in der Regel acht Arbeitskreise sind nicht bindend, doch werden sie häufig von der Politik aufgegriffen. Eine zentrale Frage in diesem Jahr: Sollen Dashcams vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden? Bislang ist das rechtlich umstritten. In einigen Prozessen wurden Aufnahmen von Kameras auf dem Armaturenbrett zugelassen, in anderen Prozessen abgelehnt. Vor allem der Datenschutz steht dem Einsatz auf deutschen Straßen in vielen Fällen entgegen. Aber nicht nur für Gerichte, auch für Versicherer ist das Thema Dashcam von Bedeutung. Kfz-Versicherer könnten nach eigener Aussage mithilfe der Aufnahmen bei vielen Unfällen schneller und einfacher feststellen, wer wieviel Schuld an einem Unfall trägt. Damit die Versicherer solche Videos verwenden können, muss aber zunächst ein verbindlicher datenschutzrechtlicher Rahmen für den Einsatz von Dashcams geschaffen werden.
Alkohol am Steuer gleich zwei Mal Thema
Das Thema Alkohol am Steuer ist in diesem Jahr in den Arbeitskreisen gleich doppelt vertreten. Ein Arbeitskreis diskutiert, ob Atemalkoholtests auch bei Strafprozessen zugelassen werden sollen (AK I). Bislang sind hier, anders als im Zivilrecht, nur Blutalkoholtests gerichtsfest, da die Atemalkoholtests noch immer als zu ungenau angesehen wurden. Doch die Geräte haben sich stark verbessert, sind immer zuverlässiger geworden.
MPU und Versicherungsschutz
Auch die Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund oft als "Idiotentest" verspottet, steht unter Begutachtung (AK II). Genauer gesagt: Die Experten diskutieren, ob eine Anordnung auch schon unter der Grenze von 1,6 Promille gerechtfertigt sein sollte – oder ob ein Alcolock das bessere Mittel sein könnte.
Alkohol am Steuer gefährdet auch den Versicherungsschutz – nur Unfallopfer sind immer vollumfänglich geschützt. Der alkoholisierte Versicherte bleibt jedoch eventuell auf einem Teil seines Schadens sitzen und muss mit Regressforderungen rechnen.
Versicherer fordern spezialisierte Spruchkammern
Zwei Arbeitskreise diskutieren darüber, wie Schadenersatzprozesse im Verkehrsrecht verbessert werden können: Die lange Dauer der Prozesse ist bereits zum siebten Mal Diskussionspunkt in Goslar (AK IV). Der GDV plädiert hier für spezialisierte Spruchkammern. Fälle, in denen Personen schwer verletzt oder gar dauerhaft geschädigt wurden, sollten vornehmlich von Richtern entschieden werden, die auf diesem Fachgebiet spezialisiert und hoch qualifiziert sind. Durch diese Spezialisierung könnten die Zivilgerichte nach Ansicht der Versicherer schneller urteilen. Auch wenn es um die komplizierten Besteuerungen von Entschädigungen von Erwerbsausfall (AK III) geht, könnten spezialisierte Spruchkammern laut GDV schneller entscheiden, weil die Richter bereits in die äußerst komplexen Rechtsfragen eingearbeitet sind.
Plenarvortrag von Bahn-Chef Grube zum Auftakt
Beim Verkehrsgerichtstag geht es aber nicht nur um die Sicherheit auf geteerten Straßen. Nach der Eröffnungsansprache zum 54. Deutschen Verkehrsgerichtstag durch dessen Präsidenten, Generalbundesanwalt a.D. Kay Nehm und der Begrüßung durch Goslars Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk wird Bahn-Chef Rüdiger Grube noch in der Kaiserpfalz über die Herausforderungen auf den Schienenwegen referieren.
Vorstoß für mehr Brandschutz auf Containerschiffen
Und auch die Sicherheit auf See ist Thema in Goslar: Ein Arbeitskreis diskutiert über Mega-Containerschiffe, die mittlerweile mehr als 19.000 Standard-Container transportieren können (AK VIII). Vor allem im Notfall stellt das Reedereien, Helfer und Versicherer vor große Herausforderungen. Besonders Brände lassen sich nur schwer eindämmen. Die deutschen Versicherer setzen sich deshalb seit langem für einen verbesserten Brandschutz auf großen Containerschiffen ein.
Für die Transportversicherer ist die Entwicklung der Containerschifffahrt zu einem hohen Risiko geworden. Je größer die Schiffe, desto mehr Ladung, desto größer ist die Versicherungssumme. Der Wert eines ganzen Schiffs inklusive Ladung kann bis zu 700 Millionen Euro betragen. (wkp)