Das Risiko für die Prognose des Sachverständigen trägt dabei explizit der Unfallverursacher. Sind Vorschäden, wie etwa Hagelschäden, offensichtlich, muss der Geschädigte den Sachverständigen nicht extra darauf hinweisen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Köln vom 4. Juni 2015 (AZ: 9 S 22/14), auf welche die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aktuell hinweist.
WBW bei 4.200 Euro, Reparaturkosten 5.100 Euro
Im konkreten Fall ließ der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall sein Fahrzeug begutachten. Der TÜV-Sachverständige ermittelte dabei einen Wiederbeschaffungswert von 4.200 Euro. Die veranschlagten Reparaturkosten beliefen sich auf 5.100 Euro. Damit lagen die Kosten im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert unterhalb der 130 Prozent-Grenze.
Im laufenden Verfahren stellte sich heraus, dass der Sachverständige den Wiederbeschaffungswert zu hoch angesetzt hatte. Der Sachverständige hatte den Hagelschaden nicht berücksichtigt. Demnach wäre die 130 Prozent-Grenze am Ende also doch überschritten worden. Da die Versicherung daraufhin die Reparaturkosten nicht komplett zahlen wollte, klagte der Mann.
"Geschädigter darf nicht von SV-Prognose abhängig sein"
Und er war erfolgreich: Die Versicherung des Unfallverursachers muss den Schaden komplett ersetzen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung für eine Reparatur habe sich der Kläger auf die Angaben des Sachverständigen verlassen dürfen. Lägen die Kosten für eine Reparatur bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert, könne sich der Geschädigte für eine Reparatur entscheiden. Er dürfe nicht von der Prognose des Sachverständigen abhängig sein. Das Prognoserisiko trage der Verursacher.
Auch hätte der geschädigte Autofahrer den Sachverständigen nicht gesondert auf die Hagelschäden hinweisen müssen. Auf den vorgelegten Fotos seien rund 30 Hageldellen auf der Motorhaube klar zu sehen gewesen, so dass eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich gewesen sei. (wkp)
Peter Loskant