In der für die Analyse durchgeführten Kundenbefragung gab rund ein Viertel von mehr als 25.000 Teilnehmern an, bei ihrem nächsten Fahrzeugkauf sehr wahrscheinlich ein fortgeschrittenes Fahrassistenzsystem ordern zu wollen. Und zwei Drittel dieser Kunden erklärten sich unter anderem bereit dazu, für einen Level-4-Autobahnpiloten einmalig 10.000 US-Dollar zu bezahlen. Diese Einstellung begründet Kersten Heineke, Partner von McKinsey und Co-Autor der Studie, damit, dass assistiertes Fahren aus Kundensicht sehr attraktiv sei. Denn es könne die Automobilität sicherer, angenehmer und produktiver machen, so Heineke.
"Fahrerlos" verliert seit 2020 erhebliche Zustimmung
Allerdings registrierten die Verfasser der Untersuchung auch erstmals einen Rückgang des Kundeninteresses bei komplett fahrerlosen Fahrzeugen der Stufe "Level 5". Demnach würden aktuell nur noch 26 Prozent der Befragten auf ein vollautomatisches Auto umsteigen wollen. Zum Vergleich: 2020 lag dieser Wert noch bei 35 Prozent der Befragungsteilnehmer, wie McKinsey erläutert. Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung sehen die Studien-Autoren in gesunkenem Vertrauen in diese Technologie: So äußerten in der Befragung 64 Prozent der Kunden, die Sicherheit autonomer Fahrzeuge müsse noch größer werden. Auch das Regulierungsumfeld sollte sich noch weiterentwickeln, fordert McKinsey-Experte Heineke, wenngleich er einräumt, in Deutschland und in anderen Ländern schon richtige Schritte gesehen zu haben.
Level 3 bis 130 km/h bereits freigegeben
Tatsächlich ist hierzulande seit 2023 hochautomatisiertes Fahren bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h erlaubt. Damit ist Deutschland Vorreiter in der EU: Im Mai 2021 stimmten Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zu, demzufolge vollständig autonome Fahrzeuge in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen – auch wenn die genannte Höchstgeschwindigkeit derzeit noch die Aura von Zukunftsmusik umweht. Die konkreten Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz sollen sukzessive folgen.
Auch Angst vor Hackern spielt eine Rolle
Damit sei immerhin der notwendige Rechtsrahmen gesteckt, kommentiert der ADAC. Der Automobilclub führt die Tatsache, dass der ambitionierte Zeitplan für die Teilnahme fahrerloser Autos in Deutschland immer wieder verschoben werden musste, nicht zuletzt darauf zurück, dass "die zu entwickelnde Technik aufseiten der Autohersteller wie auch die Rechtslage aufseiten der Gesetzgebung offenbar komplexer waren als gedacht". Hinzu kommt, dass die deutschen Autofahrer noch nicht wirklich von den Vorteilen selbstfahrender Autos überzeugt zu sein scheinen. Hierzu zitiert der ADAC Umfragen, nach denen 45 Prozent der Autofahrer hierzulande an der Verlässlichkeit der Fahrzeugtechnologie zweifeln oder Angst vor Hackern haben. "Digitale Euphorie sieht anders aus", befindet der ADAC.
Prognos: Autonome "Relevanz" erst ab 2040
So geht denn auch eine Studie des Prognos-Forschungsinstituts zum autonomen Fahren für den ADAC davon aus, dass sich automatisiertes Fahren nur langsam durchsetzen dürfte. Begründung: Autos sind im Mittel bis zu 20 Jahre im Einsatz, weshalb sich neue Technologien nur ganz allmählich im Gesamtbestand bemerkbar machen. Laut Prognos soll der Anteil von Neufahrzeugen, bei denen sich der Fahrer auf allen Autobahnen komplett von der Fahraufgabe abwenden kann, im "optimistischen" Fall von 2,4 Prozent im Jahr 2020 auf immerhin 70 Prozent im Jahr 2050 steigen. Ab 2030 werden demnach Pkw mit Citypilot, also der Fähigkeit, sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt allein zu fahren, allmählich auf den Straßen auftauchen. Und erst nach 2040 rechnet das Forschungsinstitut mit einem größeren Angebot an Autos, die völlig autonom von Tür zu Tür gelangen und somit auch auf Landstraßen keinen Fahrer mehr benötigen.
"Level 2 und 3 bringen noch große Sprünge"
Obwohl das automatisierte Fahren also nicht besonders rasant durchstartet, ist für McKinsey-Partner Kersten Heineke "der Traum vom fahrerlosen Auto ... nicht ausgeträumt". Zwar hätten einige Unternehmen den Marktstart ihrer vollautonomen Fahrzeuge verschoben, doch insbesondere bei fortgeschrittenen Fahrassistenzsystemen der Level 2 und 3 stünden "große Sprünge" bevor, meint er und rechnet mit zunehmend mehr Autos mit diesen Funktionen auf der Straße. Um die technologischen Unsicherheiten abzubilden, berechneten die Verfasser der McKinsey-Studie drei Szenarien für die weitere Entwicklung: Im Basisszenario – mit den bislang von Autoherstellern kommunizierten Entwicklungszeiten sowie einem mittleren Kundeninteresse – sollen 2030 demnach 12 Prozent aller neuen Fahrzeuge mindestens mit Level 3+-Fahrassistenzsystemen ausgestattet sein, im Jahr 2035 sogar 37 Prozent.
Kleine "Level-Kunde"
Zum besseren Verständnis: Unter "Level 1" versteht man "assistiertes Fahren" (mit Tempomat, Abstandsregeltempomat, Spurhalteassistent etc.). Beim "Level 2" des "teilautomatisierten Fahrens" können die Fahrzeuge für eine kurze Zeit und ohne Eingreifen des Fahrers auf Autobahnen geradeaus fahren sowie Lenk-, Brems- und Beschleunigungsvorgänge übernehmen. Auf "Level 3" des "hochautomatisierten Fahrens" dürfen Fahrer ihre Aufmerksamkeit von der Fahrbahn abwenden, müssen aber immer noch bei Bedarf in das Fahrgeschehen eingreifen und das Steuer notfalls übernehmen können. "Level 4" umfasst das "vollautomatisierte Fahren", bei dem das Fahrzeug auf bestimmten Strecken komplett selbstständig unterwegs ist und der Fahrer sich aus dem Fahrgeschehen zurückziehen kann. Auf dieser Automatisierungsstufe ist sogar eine Fahrt ohne Insassen möglich. Das bislang on top vorgesehene "Level 5" des "autonomen Fahrens" beinhaltet schließlich komplett selbstständiges Fahren ohne jegliche menschliche Unterstützung.
Hohes Potential – auch bei der Unfallvermeidung
Bis es soweit kommt, sehen Experten allerdings noch viel Handlungs- und Klärungsbedarf. Jedoch steht für sie ebenfalls fest, dass die Vision vom autonomen Fahren längst kein "Zukunftsthema" mehr ist, sondern näher an der Realität als viele meinen. Und die Potenziale dieser Technologie seien enorm, betont der ADAC mit Bezug auf die Prognos-Studie – für die Gesellschaft, die Sicherheit und für den Wirtschaftsstandort Europa. Demnach kann diese Form der Automatisierung ältere oder leistungseingeschränkte Menschen besser einbinden, Verkehr flüssiger und den Transport von Gütern umweltschonender machen sowie – je nach Grad der Automatisierung – die Unfallzahlen weiter reduzieren: Schließlich wird für immerhin 90 Prozent aller Crashs menschliches Versagen verantwortlich gemacht. Daher habe die Entwicklung der besten Technologie fürs autonome Fahren eine immens große Bedeutung, betonen die Fachleute. (kaf/wkp)