Auch in einem Auto, das einen elektronischen Notbremsassistenten an Bord hat, muss die Fahrerin oder der Fahrer im Notfall selbst voll bremsen, um die Geschwindigkeit möglichst stark zu verringern. "Bei unseren Fahrtrainings hören wir immer wieder die Ansicht, der Notbremsassistent werde im Notfall das Abbremsen komplett übernehmen. Das ist ein Irrtum, der unter Umständen verheerende Folgen haben kann", warnt Reinhard Buchsdrücker, Fahrtrainer bei der Expertenorganisation DEKRA.
EU-Regelung wird auch ab 2024 keinen Autopiloten kreieren
"Die heute verbauten Notbremsassistenten machen eine Vollbremsung durch den Fahrer keineswegs überflüssig", so der Fahrtrainer. "Sie sind so ausgelegt, dass sie den Fahrer in bestimmten Situationen vor einem drohenden Unfall warnen und eine Notbremsung einleiten, wenn der Fahrer auf die Warnung nicht reagiert." Allerdings wird das Fahrzeug vom Bremsassistenten nicht immer bis zum Stillstand abgebremst. So können viele dieser ab 2024 in der EU für alle Neuwagen vorgeschriebenen Systeme, optimale Bedingungen vorausgesetzt, nur bei innerorts üblichen Fahrgeschwindigkeiten bis zum Stillstand abbremsen. Auch können nicht alle kritischen Situationen zuverlässig erkannt werden. So tun sich zahlreiche aktuell verfügbare Systeme mit der Erkennung von Fußgängern und Radfahrern noch schwer, auch bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter sind laut DEKRA die Systemgrenzen schnell erreicht.
"Es sind eben nur Assistenten, die den Fahrer im Notfall unterstützen sollen, und keine Autopiloten", betont der Fahrtrainer. "Ständige Aufmerksamkeit und bei Bedarf eine richtig ausgeführte Notbremsung durch die Person am Steuer sind immer noch der sicherste Weg."
Druck bis zum Schluss durchhalten
"In Notfällen gilt deshalb bei allen Fahrzeugen, ob mit oder ohne Notbremsassistent: Droht ein Unfall, sofort mit voller Kraft auf die Bremse treten und diesen Druck bis zum Schluss durchhalten", betont Buchsdrücker. "Und dabei das Lenkrad gut mit beiden Händen festhalten und gegebenenfalls ausweichen. Alles Weitere kann man dem eingebauten ABS überlassen." Das Vibrieren des Pedals ist normal und sollte nicht irritieren. Wenn sich die Situation entspannt, kann der Bremsdruck reduziert werden.
Keine Wege verschenken
Der größte Fehler, der bei der Notbremsung oft gemacht wird, ist das dynamische Bremsen: das heißt, zuerst schwach und danach immer stärker auf die Bremse treten. "Dies macht den Bremsweg unnötig lang und führt zu unnötig hohen Aufprallkräften", warnt der Fahrtrainer. Hinzu kommt, dass viele Notbremsassistenten mit Beginn einer Reaktion – wie etwa Lenken, Beschleunigen, Bremsen und teilweise auch Blinken – abschalten.
Verbreitet ist auch der Fehler, sich während der Notbremsung mit ausgestreckten Armen gegen Lenkrad und Sitzlehne zu pressen. In dieser Haltung drohen bei einer Kollision schwere Verletzungen an Armen, Gelenken und Schlüsselbeinen.
"Nicht nur im Notfall muss die Sitzposition stimmen, denn sie hilft auch beim Lenken und vor allem beim Ausweichen", betont Buchsdrücker. Die Arme müssen dabei leicht abgewinkelt und die Pedale für die Füße leicht erreichbar sein. Der Sitz sollte maximal eine leichte Neigung nach hinten haben (circa 90 bis 110 Grad). Die Kopfstütze schließt auf Scheitelhöhe ab.
Notbremsung einmal im Jahr trainieren
"In einer Notsituation müssen Fahrerinnen und Fahrer die richtige Reaktion innerhalb von Sekundenbruchteilen abrufen können und sich über das Verhalten des Fahrzeugs im Klaren sein", so Buchsdrücker. Das köntnen sie aber nur, wenn sie das richtige Verhalten trainiert haben. Daher sei es notwendig, mindestens einmal im Jahr die Notbremsung auf einem geeigneten Gelände zu üben. Nutze man ein fremdes Fahrzeug, z. B. einen Mietwagen oder ein Car-Sharing-Fahrzeug, gehöre eine Testbremsung zu Beginn der Fahrt ebenso zum Pflichtprogramm wie sich vor der Abfahrt mit Bedienelementen und Assistenzsystemen vertraut zu machen. Darüber hinaus sei ein Fahrsicherheitstraining alle zwei Jahre dringend zu empfehlen. (fi/wkp)