Im Rahmen der Präsentation des neuen smart vom vergangenen Mittwoch in Berlin war auch ein ungleicher Kampf zwischen David und Goliath im Vorfeld angekündigt worden: Eine große, neue Mercedes S-Klasse und ein vergleichsweise winziger smart fortwo sollten sich mit einer 50-prozentigen Überdeckung (zumindest beim smart, die S-Klasse ist ja doch um Einiges breiter) zum Crashtest begegnen. Mit 50 Stundenkilometern Aufprallgeschwindigkeit!
Die meisten dachten: "Groß trifft klein, klein verliert – wie immer"
Im ersten Moment eine wohl klare Angelegenheit, dachten dabei die meisten Skeptiker: Die S-Klasse wird reparabel sein, vom smart würde man wohl eher die sterblichen Überreste einer völlig zerschellten Karosserie zusammenkehren und die dabei ramponierten Dummies nachher ins Asservatenkämmerchen verräumen müssen – als ewiges Beweisstück dafür, dass Masse durch Nichts zu bezwingen ist und eben genau ein solches Ergebnis herauskäme, wenn man an diese physikalische Regel nicht glaubt. Und vom Massenungleichgewicht her haben wir ja tatsächlich seit automobilen Generationen immer das gleiche Problem: Groß trifft klein, klein verliert. Wie schon vor 50 oder 60 Jahren, als ein Lkw-Haubenwagen und ein Käfer einen ungewollten Kampf gegeneinander aufnahmen.
Doch Einer wollte den smarten David nicht ins Gras beissen lassen...
Doch es kam am Mittwoch ganz anders. Und nur wer wusste, dass bei Daimler ein genialer Sicherheitsforscher arbeitet, der als Leiter Passive Sicherheit und Fahrzeugfunktionen den smart und auch die S-Klasse verantwortet, und wer zudem wusste, was dieser Mann in den letzten eineinhalb Jahrzehnten im Stuttgarter Konzern für die Insassensicherheit bereits geleistet hat, konnte erahnen, was da (wirklich) kommt. Dass möglicherweise eben nicht David (vulgo smart) mitsamt Dummie-Insassen gnadenlos und unwiderruflich ins Gras – pardon, ins S-Klassen-Blech – beissen würde.
Mercedes hat wieder Jemandem, dem die Physik gehorcht
Daimlers Béla Barényi des 21. Automobilen Jahrhunderts heißt Rodolfo Schöneburg, kennt sich in Fahrzeug- und Sicherheitstechnologien genauso aus wie mit Technologien in der Luft- und Raumfahrt, wo er erkennbar in seiner bisherigen beruflichen Laufbahn zuweilen auch Anleihe genommen und die richtigen Ableitungen zum Kraftfahrzeug hergestellt hat, wenn er es für notwendig und sinnvoll erachtet hat. Schöneborg, bis 1999 bei Audi in Ingolstadt – wo er zuletzt vor allem in Dr. Franz-Josef Paefgen, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden, einen technologisch ähnlich weit in die Zukunft orientierten und kongenialen Mitstreiter in gleicher Sache hatte –, ist promovierter Diplom-Ingenieur und seit einigen Jahren auch Honorarprofessor der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden. An der Entwicklung und erfolgreichen Umsetzung des Fahrzeug- und Insassenschutzsystems Pre-Safe von Mercedes-Benz war er maßgeblich beteiligt.
Massenverhältnis 1:2,1 – und trotzdem haben die Dummies bestens überlebt
Und nun also der auf der ersten Blick so ungleiche Crash smart gegen S-Klasse, bei dem sich – für die meisten Analysten völlig überraschend – herausgestellt hat: Auch als kleinerer und leichterer Unfallgegner und bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 50 km/h sowie 50 Prozent Überdeckung bietet der smart seinen beiden Passagieren einen intakten Insassenraum und beste Überlebenschancen. Und das, obwohl alleine schon die Massenunterschiede mit 1:2,1 klar für die beim Crashtest insgesamt 2.308 kg schwere S-Klasse sprachen, während der kleine smart lediglich 1.124 kg dagegensetzen konnte. Ähnlich war auch die eingebrachte kinetische Energie: 108,41 kJ beim smart, mit 222,61 auch hier wieder mehr als der doppelt so hohe Wert beim Flaggschiff aus der Stuttgarter Sternenschmiede.
Das Sicherheitskonzept des smart – inklusive Knieschutz
"Grundlage für die hohe Crashsicherheit des neuen smart bildet die bewährte tridion Zelle. Sie sorgt für eine effiziente Energieaufnahme, beispielsweise bei Frontalunfällen. Hierzu wurden beim neuen smart die Knautschzonen so groß wie möglich gestaltet. Durch mehrere Lastpfade wird eine homogene Krafteinleitung in die Struktur erreicht", erläuterte Professor Rodolfo Schöneburg auf Nachfrage das gute Crashergebnis.
Weiter sagte er: "Die Stabilität der Fahrgastzelle wird durch den hohen Anteil an ultrahochfesten Stählen sichergestellt. Darüber hinaus bieten die weiterentwickelten Airbags und Sicherheitsgurte bestmöglichen Schutz für die Insassen, unter anderem durch einen serienmäßigen Kniebag für den Fahrer."
Werkstoffanteile beider Fahrzeuge
Beim smart werden insgesamt 13 Prozent der gesamten Karosserie mit ultrahochfesten Stählen (S-Klasee 10 Prozent) und 51 Prozent mit hochfesten Stählen (S-Klasse 55 Prozent) gefertigt. Auf den Einsatz von Aluminium als Werkstoff wird beim smart komplett verzichtet, während die S-Klasse (auch aus Gewichtsgründen) hier einen 14-prozentigen Anteil vorweisen kann. Auch warm umfotrmte Stähle werden bei beiden Fahrzeugen verbaut, beim smart 8 und bei der S-Klasse 12 Prozent.
Kompatibilität heißt auch, dass der Große dem Kleinen hilft
Entscheidend aber ist eine Grundphilosophie von Mercedes-Benz, die Schöneburg mit diesen beiden massenmäßig so unterschiedlichen Fahrzeugen auf die Spitze getrieben hat, indem nämlich die Fahrzeugkonstruktion der S-Klasse auf maximale Kompatibilität ausgelegt ist, also dem smart hilft, Energie in den Vorbau des großen Fahrzeuges zusätzlich mit abzugeben. Klein muss also nicht, wie heute im Straßenverkehr oftmals noch bei Crashs vor allem auch mit SUV's zu beobachten, automatisch am Gegner "zerschellen".
Im Sinne der Sicherheitsphilosophie "Real Life Safety" wird seit vielen Jahren bei derartigen car-to-car-Crashtests die Kompatibilität unterschiedlicher Unfallgegner mit untersucht. Ziel: Kleinen und leichten Fahrzeuge in Bezug auf das Massenverhältnis ihren prinzipiellen Nachteil nehmen, damit es bei einem Unfall mit einem schwereren Gegner nicht automatisch zu höheren Verzögerungen und zu einem Anstieg der Insassenbelastungen kommt.
Darum legt Mercedes-Benz generell die Karosseriestruktur großer Fahrzeuge so aus, dass sie die Belastung auch für kleine Unfallgegner reduzieren kann, ohne dabei den eigenen Insassenschutz zu mindern. Schöneburg: "Damit liefert auch die S-Klasse einen hohen Beitrag zum guten Ergebnis in diesem konkreten Fahrzeug-Fahrzeug-Unfall."
Sicherheitsforschung bei Mercedes – geprägt von Experten mit Visionen
Insgesamt absolvierte der neue smart fortwo das gleiche Entwicklungsprogramm wie beispielsweise die neue Mercedes-Benz S- oder C-Klasse. 75 Jahre Sicherheitskompetenz von Daimler und 21 Jahre Kleinwagenkompetenz von smart stecken im Sicherheitskonzept der neuen smart Generation.
Vieles, was heute beim "Stern" noch an diesbezüglicher Philosophie überliefert ist und beispielsweise von Prof. Schöneburg weitergelebt wird, hatte seinen Ursprung im Jahr 1939. Damals kam auch ein Visionär zur seinerzeitigen Daimler-Benz AG, machte fortan die passive Sicherheit von Autos zu seinem klaren Berufs- und Lebensziel, gilt als Urheber der Sicherheitslenksäule, ferner der Knautschzone in Verbindung mit einer Sicherheitsfahrgastzelle. Und er definierte mit Entwicklungsvorstand Hans Scherenberg die bis heute gültige Aufteilung von aktiver und passiver Sicherheit. Sein Name: Béla Barényi. (wkp)
Intelligente Kompatibilität: Beim Crash Zwerg gegen Riese zeigt der smart wahre Größe
Der neue smart fortwo erfüllt hohe Sicherheitsanforderungen, die zum Teil weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Dies zeigt ein gerade durchgeführter interner Offset-Crash gegen eine Mercedes-Benz S-Klasse. Große Ingenieurskunst bei der Entwicklung beider Autos, denn dahinter steckt auch ein klarer Kompatibilitätsansatz.