Auf Einladung der DEKRA Niederlassung München trafen sich vor wenigen Tagen Abgeordnete des Bayerischen Landtags, Repräsentanten der Stadt München, Teilnehmer aus den Polizeipräsidien in und um München sowie Vertreter der Wirtschaft, der Verbände sowie von ADAC und Verkehrswacht zum Verkehrspolitischen Abend im Maximilianeum.
Wilhelm Oberfranz, DEKRA-Statthalter von München, begrüßte die jeweiligen Delegationen sowie den quasi "Hausherrn" des Abends im Bayerischen Landtag, Staatsminister Joachim Herrmann, und DEKRA SE Vorstand Clemens Klinke, der in der Stuttgarter Überwachungs- und Sachverständigenorganisation "weltweit für alle Dinge rund ums Automobil zuständig" ist.
Zum Beginn der Veranstaltung verwies Oberfranz auf die inzwischen erreichten 90 Jahre, seit denen sich DEKRA für die Verkehrssicherheit in Deutschland und auch weltweit einsetze – mit einer "Vielzahl von Themen, Beiträgen und Projekten", die alljährlich in einer eigenen Studie, dem sogenannten Verkehrssicherheitsreport, auf aktuellem Stand zusammengefasst werden. Ziel seiner Prüforganisation, so Oberfranz, sei nicht nur, Kraftfahrzeuge zu prüfen, sondern ganz klar auch die Reduzierung von Verletzten und Verkehrstoten.
"Manchmal muss eine gesetzliche Pflicht auch nachhelfen"
Der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann brachte in seinem anschließenden Vortrag seine "Freude über das Engagement der DEKRA" zum Ausdruck. In seiner Analyse der Unfallstatistik sah er "Belege" dafür, "dass die Unfallzahlen immer dann positiv beeinflusst waren, wenn sich neue Standards durchgesetzt haben bzw. sicherheitserhöhende Systeme serienmäßig eingeführt wurden. Oder manchmal auch, wenn durch gesetzliche Verpflichtungen nachgeholfen wurde, weil es die Menschen nicht von alleine glauben wollten". Die Entwicklung der Sicherheitsgurte in den 1960er Jahren nannte er hier als ein recht treffendes Beispiel. "Erst mit Einführung der Gurtpflicht 1974 ging die Zahl der Toten dann merklich um vier bis acht Prozent zurück", stellte er den Zusammenhang klar.
"Jeder dritte Unfalltote könnte noch leben..."
Der Kernsatz des Abends von Herrmann, der auch nach dem offiziellen Teil noch intensiv diskutiert wurde, lautete: "Auch heute, obwohl wir die Anschnallpflicht haben und sie kontrolliert wird, könnte jeder dritte Verkehrstote noch am Leben sein, wenn er ordnungsgemäß gesichert, also angegurtet gewesen wäre – oder als Motorradfahrer den Helm tatsächlich aufgehabt hätte." Dass die jeweiligen Unfallopfer letztlich trotz allem Verletzungen davongetragen hätten, war Herrmann durchaus bewusst, "aber der Unfall wäre nach Ansicht der Mediziner eben nicht fatal verlaufen". Bei diesem einen Drittel aller Verkehrstoten könne künftig nach Ansicht des Staatsministers nochmals mit entsprechenden Maßnahmen "angesetzt" werden, "um die Folgen der Crashs klein zu halten".
Promillegrenze wird nicht weiter gesenkt, muss aber eingehalten werden
Auch die Einführung der 0,8 Promille Grenze im Jahr 1973 habe die Zahl tödlicher Unfallopfer um über 15 Prozent und die Verletztenzahlen um über acht Prozent gesenkt, so Herrmann weiter. Er wollte bei diesem Thema nicht falsch verstanden werden, indem er anfügte: "Wir reden da nicht einer weiteren Verschärfung der Grenzwerte das Wort. Entscheidend ist vielmehr, dass der heute gültige Grenzwert von 0,5 Promille auch wirklich von allen beachtet wird."
Eine positive Würdigung war Herrmann auch die "rasante Entwicklung" von Fahrerassistenz- und sonstigen Insassenschutzsystemen wert. Allesamt würden sie Unfallfolgen verringern oder Crashs komplett vermeiden. Er sah es daher als wichtig an, "dass darüber auch öffentlich diskutiert wird".
Technik sicherer als der Mensch
Man dürfe angesichts der Tatsache, dass mit Abstand mehr Unfälle auf menschliches denn auf technisches Versagen zurückzuführen sind, schließlich auch keine Angst vor neuen Errungenschaften haben: "Mehr Assistenzsysteme werden eher zu einer Absenkung der Unfälle führen als zum Gegenteil." Der Minister zitierte in diesem Zusammenhang eine Studie der Unfallforscher der Versicherer (UDV), in der intelligenten Notbremsassistenten für Pkw ein Unfallvermeidungspotenzial von bis zu 45 Prozent zugeschrieben werde. Indes sei das Potenzial von Fahrerassistenzsystemen zur Unfallvermeidung aber auch nur bei einem hohen Durchdringungsgrad gegeben, den man letztlich im Sinne einer Verkehrssicherheit für alle dringend benötige. Herrmann begrüßte, dass die EU ab 2015 das ESP verpflichtend in Neufahrzeugen vorschreibe sowie Notbrems- und Spurhaltesassistenten ab 2016 bei schweren Lkw und Bussen zur Pflicht machen werde.
Digitales Testfeld für automatisiertes Fahren auf der A9
Die Forschung am hoch automatisierten Fahren begrüßte der bayerische Staatsminister ausdrücklich, wies aber auch darauf hin, dass "noch viele technische und andere Hürden überwunden werden" müssten. Für Polizei, Feuerwehr und technische Rettungsdienste ergebe sich die Notwendigkeit, durch technische Einflussnahme auf automatisiert fahrende Fahrzeuge dafür zu sorgen, dass diese eine Gefahrenstelle beachten, Rettungsgassen freimachen oder auch anhalten. Mit der Einführung des digitalen Testfeldes auf der A9 zwischen München und Ingolstadt, in Teilbereichen bis Nürnberg, unterstütze sein Ministerium diesen Einführungsprozess "nach Kräften".
Ziel der Fahrzeugindustrie sei es, hoch automatisierte Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 einzuführen. Verbunden damit sei die Erwartung nach einer weiteren Absenkung der Unfall- und Verkehrstotenzahlen. Mit dem Testfeld auf der A9 wolle Bayern "bei dieser Hightech-Entwicklung ganz vorne mit dabei sein – gemeinsam mit unseren Fahrzeugherstellern und der Zulieferindustrie, weil es ein ganz wichtiges Thema unseres Verkehrs der Zukunft ist", so Joachim Herrmann.
Systemüberprüfung durch die HU unerlässlich
Damit all die neuen technische Systeme auf Dauer verlässlich funktionieren, müssen sie nach Ansicht des Staatsministers regelmäßig überprüft werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei deshalb nicht zuletzt die Einführung des HU-Adapters ab 1. Juli im Zuge der periodischen Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO. Herrmann wörtlich: "Mit diesem Meß- und Prüfgerät können die Assistenzsysteme festgestellt, ihre Fehlerspeicher ausgelesen und Funktionsprüfungen vorgenommen werden. Ihnen brauche ich das sicherlich nicht erklären, aber es gibt mit Sicherheit viele Bürgerinnen und Bürger, die von dieser Entwicklung noch so gut wie nichts mitbekommen haben. Da brauchen wir Aufklärungsarbeit, auch wenn niemand etwas zu befürchten hat von dem, was kommt."
Insgesamt sei es mit guter Unfallforschung sowie einem Ineinandergreifen von Fahrzeug- und Verkehrstechnik gelungen, der Verkehrssicherheit viele Impulse zu geben. DEKRA habe hierzu viele wichtige Beiträge geleistet. Der Bayerischen Staatsregierung ihrerseits sei es gelungen, mit dem verkehrspolitischen Programm "2020 Bayern mobil", die Verkehrssicherheit kontinuierlich zu erhöhen.
Basyern hat die geringsten Unfallopferzahlen seit 1954
Die bayerische Unfallstatistik des vergangenen Jahres belege, dass mit 619 Toten im Vorjahr der niedrigsten Stand seit Beginn der Verkehrsaufzeichnung 1954 erreicht wurde. Dennoch sei auch diese Zahl noch deutlich zu hoch. Die häufigsten Ursachen für tödliche Unfälle seien nach wie vor überhöhte bzw. nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Mißachtung der Vorfahrt. Die meisten der tödlichen Unfälle ereignen sich laut Herrmann zudem auf den Landstraßen: Mit 393 Opfern seien es zwar weniger als im Jahr davor gewesen, "aber immer noch zwei Drittel" insgesamt.
Investitionen auch in "gebaute Sicherheit" wichtig
Von daher investiere Bayern auch erheblich in den Straßenbau. 2014 seien alleine 51 Millionen Euro in die Verbesserung der Straßen durch Schutzplanken, Markierungen und Beschilderung, Ampelanlagen, befahrbare Bankette etc. geflossen. Zur Erhöhung der Sicherheit auf Autobahnen sowie Bundes- und Staatsstraßen wurden weitere 43 Millionen Euro investiert und überdies noch 38 Millionen für die Neuanlage von Lkw-Stellplätzen an Autobahnen: "Das ist ein Thema, das für die Logistik notwendig ist, aber trotz allem auch ein Sicherheitsthema, weil wir in den letzten Jahren aufgrund der Überfüllung der Autobahnparkplätze immer wieder gefährliche Situationen erleben mussten, vor allem in den Nachtstunden, wenn die Lkw bis in die Autobahn hinausstanden." Insgesamt habe Bayern wir für die "gebaute Sicherheit" im letzten Jahr 132 Millionen Euro an Bundes- und Landesmitteln ausgegeben.
Radarkontrollen "sind nicht der Lieblingsjob der Polizei"
Zur Unfallursache überhöhte Geschwindigkeit mit 393 Unfalltoten sagte der Minister: Die Geschwindigkeitsunfälle und auch die Verletztenzahlen gingen leicht zurück. Von der Bayerischen Polizei seinen "wieder sehr intensive" Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt worden, bei denen es 2014 zu 319.000 Anzeigen, 870.000 Verwarnungen und 35.000 Fahrverboten kam. "Man sieht also, es ist leider eine sehr große Zahl von Verkehrsteilnehmern, die sich unvernünftig verhält auf den Straßen. Und es ist leider auch so, dass das nicht der Lieblingsjob der Polizei ist. Es würden wohl noch viel mehr Menschen rasen, wenn sie nicht ,Angst' vor den Geschwindigkeitskontrollen hätten." Deswegen sei es notwendig, dass die Einhaltung sinnvoller Tempolimits überwacht werde. Dasselbe gelte für Alkohol am Steuer: Auch die Zahl der Alkoholunfälle sei inzwischen "leicht" rückläufig. Dennoch wäre weiterhin jeder zehnte Verkehrstote auf alkoholisierte Fahrzeuglenker zurückzuführen.
"Langfrist-Engagements zahlen sich aus"
Insgesamt zog der bayerische Innen- und Verkehrsminister für das vergangene Jahr "ein durchaus positives Fazit". Langfristig angelegte Verkehrssicherheitsarbeit habe sich ausgezahlt "und wir werden das konsequent auch in den nächsten Jahren umsetzen. Wir wollen die Verkehrstoten weiterhin rapide senken". Im weiteren Verlauf des Verkehrspolitischen Abends im Bayerischen Landtag stellte DEKRA Automotive-Vorstand Clemens Klinke den neuen Verkehrssicherheitsreport seines Hauses im Detail vor. (wkp)
DEKRA in Bayerns Landtag: Staatsminister Joachim Herrmann will noch deutlich weniger Unfalltote
Beim Verkehrspolitischen Abend der DEKRA im Bayerischen Landtag zog Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann eine positive Bilanz: So ist seinen Worten zufolge die Zahl der Verkehrstoten im Freistaat seit 2005 um über ein Drittel gesunken. Trotzdem war Herrmann ärgerlich: "Jeder dritte Unfalltote könnte heute noch leben."