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Arbeitskreis IV: Grundlegende Neuordnung für den Radverkehr gefordert

23.08.2022 04:54 Uhr | Lesezeit: 6 min
Radverkehr und -unfälle werden künftig weiter zunehmen. Der Verkehrsgerichtstag suchte nach Lösungen, die auch außerhalb großer Städte wie hier in Berlin mehr Sicherheit bringend die Unfallzahlen reduzieren.

Bund, Länder und Kommunen haben sich ambitionierte Ziele zur Steigerung des Radverkehrs gesetzt. Dagegen stehen schon jetzt viele Radverkehrsunfälle. Für die schwierige Aufgabe, mehr Verkehrssicherheit zu schaffen, gab der Arbeitskreis jetzt dem Gesetzgeber eine 7-Punkte-Empfehlung an die Hand.

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Mehr Radverkehr mit mehr Verkehrssicherheit – wie schaffen wir das? Schon der Arbeitstitel machte klar, wie diffizil und schwer lösbar die gestellte Aufgabe sein würde. Kirsten Lühmann, Polizeibeamtin, MdB a.D. und stellvertretende Präsidentin der Verkehrswacht Niedersachsen, leitete in Goslar den gegenständlichen Arbeitskreis IV. Als Referenten in die Meinungs- und Willensbildung mit einbezogen waren Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer (Berlin), Arne Koerdt, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (Stuttgart), Prof. Dr. Jana Kühl, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Institut für Verkehrsmanagement (Salzgitter) und Michael Milde, Abteilungsleiter Mobilitätsplanung der Stadt Münster, Amt für Mobilität und Tiefbau.

Schwierige Aufgabenstellung

Im Einzelnen befasste sich der AK IV an den beiden VGT-Tagen mit folgender Grundproblematik: Radverkehrsunfälle verharren auf einem konstant hohen Niveau. Vor allem hat sich der prozentuale Anteil gegenüber Pkw-Unfällen verschlechtert. Ein Grund dafür liegt sicherlich im steigenden Radverkehrsanteil, ein weiterer in der besonders ungünstigen Entwicklung der Pedelec-Unfälle. Der Arbeitskreis hat sich daher zunächst damit befasst, in welchen Situationen Radfahrende konkret verunfallen und leitete daraus konkrete Verbesserungsvorschläge ab.

Dabei erörterte man allerdings nicht ausschließlich technische Vorrichtungen an Fahrzeugen (z.B. Assistenzsysteme oder sonstige Vorrichtungen zum Selbstschutz wie etwa Helme). Vielmehr ging es auch um die Frage, ob mehr Sicherheit im Radverkehr nicht auch voraussetzt, dass die separate bzw. vorrangig vom Radfahrenden nutzbare Infrastruktur einschließlich Verkehrstechnik (z.B. Signalisierung konfliktfreier Abbiegeströme) angebotsorientiert ausgebaut bzw. erstmalig hergestellt wird und als solche – intuitiv erkennbar – sicher benutzbar ist?

Weitere Fragethemen waren: Braucht ein sicherer Radverkehr nicht durchgängige, sichere Netze inner- und außerorts? Wie lassen sich "Verkehrsdichte-Stress" und Konflikte vermeiden? Inwieweit können ausreichend Platz und geeignete Infrastrukturen für alle Verkehrsteilnehmenden geschaffen werden?

Desweiteren wurde in den Blick genommen, dass Verkehrsteilnehmende selbst durch ein umsichtiges und regelkonformes Verhalten mit gegenseitiger Rücksichtnahme zu mehr Sicherheit im Straßenraum beitragen könnten - und warum dies häufig unterbleibt.

Die 7-Punkte-Resolution im Einzelnen

Unter Berücksichtigung aller Einzelthemen wollte der AK zu einer gesamtheitlichen Betrachtung kommen, wie ein Miteinander verschiedener Verkehrsarten harmonisiert und ein "Kulturwandel" in der Mobilität gestaltet werden kann. Herausgekommen ist am Ende des VGT folgende 7-Punkte Resolution:

1. Eine Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs bedingt zwingend eine neue Aufteilung des Verkehrsraumes, unter anderem zugunsten des Fahrrades, und die Schaffung durchgängig sicher befahrbarer Radnetze.

2. Der Arbeitskreis erwartet, dass die vorhandenen Regelwerke zur Planung und zum Bau von Radverkehrsanlagen als Mindeststandard verbindlich umgesetzt werden. Die Bundesländer werden aufgefordert, eine wirksame Qualitätskontrolle auch hinsichtlich der fehlerverzeihenden und intuitiv nutzbaren Infrastruktur zu entwickeln und zu implementieren. Dies gilt sowohl für den Neubau als auch den Bestand.

3. Um mehr Spielraum für die Kommunen zu schaffen, wird dem Gesetzgeber empfohlen, die Ziele des StVG und den § 45 Abs. 9 StVO so zu verändern, dass präventive sowie proaktive Maßnahmen und Gestaltungen leichter möglich werden.

4. Zur Unterbindung sicherheitsgefährdenden Verhaltens sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr müssen die personellen Kapazitäten von Ordnungsbehörden und Polizei aufgestockt und die entsprechenden Aktivitäten intensiviert und koordiniert werden. In diesem Zusammenhang beklagt der Arbeitskreis, dass die Empfehlung des VGT von 2017 zu Fahrradstaffeln bisher nur unzureichend umgesetzt wurde.

5. Mehr Verkehrsausbildung und Fahrsicherheitstrainings sind anzubieten. Bei Kindern und Jugendlichen sollte dies auch durch die verstärkte Integration in die Lehrpläne erfolgen. Insbesondere bei Nutzenden von Pedelecs ist vor allem der Handel aufgefordert, zur Teilnahme an Trainings und zum Tragen von Helmen zu motivieren. Zusätzlich werden Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, nachhaltige Kommunikationskonzepte und Maßnahmen für alle Verkehrsteilnehmenden entwickeln zu lassen, um das StVO-Gebot zur ständigen Vorsicht und gegenseitigen Rücksicht als tragende Säule der Verkehrssicherheit deutlich mehr ins Bewusstsein zu rücken.

6. Der Arbeitskreis stellt fest, dass das Radfahren unter Alkoholeinfluss eine nennenswerte Unfallursache darstellt. Der Bundesgesetzgeber wird erneut aufgefordert, hierfür einen Ordnungswidrigkeitentatbestand einzuführen.

7. Der Arbeitskreis fordert den Gesetzgeber auf, für die rechtliche Zuordnung als Fahrrad Maße und Gewichte insbesondere von Pedelecs, Lastenrädern und Gespannen zu begrenzen.

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HASHTAG


#60. Deutscher Verkehrsgerichtstag

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