Vor dem sogenannten Autogipfel von Bundesregierung und Herstellern wird die Kritik an uneingeschränkten Kaufprämien lauter. Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer kritisierte die Forderung nach Kaufprämien für Neuwagen als "puren Lobbyismus". Die Autoindustrie habe lange "wichtige Trends wie die E-Mobilität und die Wasserstofftechnologie verschlafen", so die Wirtschaftswissenschaftlerin. Aus Sicht von Verbraucherschützern etwa muss eine Kaufförderung die klimapolitischen Ziele Deutschlands und der EU unterstützen.
Die Bundesregierung und Vertreter der Autoindustrie wollen an diesem Dienstag über die angespannte Lage der Branche beraten. Die Nachfrage ist wegen der Corona-Krise eingebrochen. Die Hersteller hoffen auf Hilfe vom Staat in Form neuer Kaufprämien, um die Nachfrage anzukurbeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte aber deutlich gemacht, bei dem Treffen am Dienstag sei noch keine Entscheidung über spezielle Anreize für die Branche zu rechnen.
Am Montag wollten zunächst die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg über eine Kaufprämie beraten. Die Autoindustrie pocht auf einen schnellen Kaufanreiz. Gefördert sollten aus Sicht der Branche nicht nur umweltfreundliche E-Autos, sondern auch Benziner und Diesel.
Aiwanger für technologieoffene Förderung
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach sich für eine Prämie auf Neu- und Gebrauchtwagenkäufe mit Verbrennungsmotoren ab der Abgasnorm Euro 6 aus. "Jeder schadstoffarme Antrieb muss technologieoffen unterstützt werden, nicht nur wie derzeit Elektroautos", sagte der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Aiwanger der "Augsburger Allgemeinen".
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet forderte ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie. "Wir brauchen jetzt Konjunkturimpulse", sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch des Autobauers Ford in Köln.
Die VW-Lastwagentochter Traton, zu der die Marken MAN und Scania gehören, plädiert für europaweite Kaufanreize für Lastwagen. Vorstandschef Andreas Renschler forderte "in Europa kurzfristig Investitionsanreize zur umweltfreundlichen Erneuerung der Lkw-Flotten, um die Krise in diesem systemkritischen Sektor zu überwinden".
Die Grünen sehen staatliche Corona-Hilfen für die deutschen Autobauer skeptisch. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sagte am Montag in Berlin, bevor Steuergelder fließen, müsse deutlich sein, dass die Branche tatsächlich in einer Notlage sei. Mit Bonuszahlungen an Manager und Dividenden für die Aktionäre sei dies jedoch nicht vereinbar. Zudem sei es wenig sinnvoll, die bestehende Strukturkrise mit falschen Anreizen zu verschärfen. Hilfszahlungen müssten für eine sozial-ökologische Transformation der Branche eingesetzt werden. Am Dienstag trifft sich die Bundesregierung mit Unternehmensvertretern zu einem sogenannten Autogipfel.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer lehnt eine Autoprämie als unverantwortlich ab. "Der Autogipfel ist jetzt ein Richtungsgipfel, der offen legt, wie ernst der Kanzlerin eine klimaverträgliche, nachhaltige und gerechte Coronapolitik tatsächlich ist", sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur.
Verbraucherschützer warnten davor, Autos mit einer schlechten Klimabilanz zu fördern. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, sagte: "Wir brauchen keine Abwrackprämie 2.0, die Verbrenner fördert und funktionstüchtige Autos zum Wegwerfartikel macht. Bund und Länder müssen zukunftsgewandt handeln und umweltverträgliche Mobilität fördern."
Die Politik dürfe auf Drängen der Autoindustrie nicht in alte Muster verfallen, sagte Müller: "Wenn es neue Subventionen geben soll, dann dürfen nur besonders klimaverträgliche Fahrzeuge wie Elektroautos eine Förderung erhalten." Daneben unterstütze der Verband die Forderung einer Mobilprämie und schlage vor, dass auch Menschen von einer Förderung profitieren sollten, die ihr Auto mit anderen teilten oder ohne Auto leben, dafür aber das Rad, den Öffentlichen Nahverkehr oder Carsharing-Angebote nutzen.
Klima- und Corona-Krise miteinander verknüpfen
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans äußerte Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Kaufprämien. Dem "rbb" sagte er, man sei noch mitten in der Krise. Viele Menschen würden "jetzt alles andere tun als sich entscheiden, ein neues Auto zu kaufen". Sollte es Autoprämien gebe, müssten Klima- und Corona-Krise verknüpft werden. Auch Schnitzer sagte, eine Kombination von Kaufprämien zum Beispiel für Elektro-Autos, verbunden mit Investitionen in Ladeinfrastrukturen könne jedoch sinnvoll sein.
Bei den deutschen Autohändlern gibt es laut einer Rabattstudie des "Center Automotive Research" trotz Absatzflaute nur geringe Preisnachlässe auf Neuwagen. Demnach verharrten Hersteller und Händler im April mit ihren Aktionen auf dem bereits niedrigen Niveau der Vormonate. Das Institut vermutet eine bewusste Zurückhaltung bis zu einer Entscheidung über staatliche Kaufanreize. (dpa)
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