Von Online-Redakteur Andreas Heise
Mindestens 515 Euro sollen Auszubildende nach dem Willen der Bundesregierung ab Januar 2020 monatlich in Deutschland verdienen. Dies hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen. 2021 soll der Mindestlohn für das erste Ausbildungsjahr auf 550 Euro steigen, 2022 sind es 585 Euro und 2023 dann 620 Euro. Auch für die Ausbildungsjahre ist eine Steigerungsrate vorgesehen: Im zweiten Ausbildungsjahr soll sich der Mindestlohn um 18 Prozent erhöhen, im dritten um 35 Prozent und im vierten um 40 Prozent.
"Die Entscheidung wird keine großartigen Auswirkungen auf die Bezahlung der Auszubildenden in der Branche haben", erklärte Helmut Peter, Vorsitzender der Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kraftfahrzeuggewerbe (BFC) und als Geschäftsführer der Autohaus Peter Gruppe verantwortlich für 120 Azubis, am Donnerstag gegenüber AUTOHAUS. "Ich wüsste in meinen drei Bundesländern, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, keinen, der unter Tarif überhaupt Azubis findet." Da ja die Industrie generell wesentlich mehr zahle.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die tariflichen Ausbildungsvergütungen in den Berufen des Kfz-Gewerbes 2018 deutlich über dem geplanten Mindestlohn lagen. So kam ein Automobilkaufmann (im Handwerk) nach Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) monatlich auf 705 Euro im ersten Ausbildungsjahr, ein Kfz-Mechatroniker (Handwerk/alle Fachrichtungen) auf 707 Euro. Ein Fahrzeuglackierer (im Handwerk) erhielt im letzten Jahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 680 Euro. Ausbildungsberufe, die im letzten Jahr die kommende Mindestlohn-Grenze unterschritten, waren unter anderem Raumausstatter (497 Euro), Friseur (481 Euro) und Schornsteinfeger (450 Euro).
Hier ist anzumerken, dass die Tarifbindung theoretisch auch dazu führen kann, dass ein Azubi weniger als den Mindestlohn erhält. Dies ist der Fall, wenn sich Gewerkschaft und Arbeitgeber auf eine niedrigere Vergütung einigen. Der Tarifvertrag steht damit über dem Gesetz.
Mindestlohn-Grenze hin oder her – für Autohaus-Chef Peter ist klar: "Wer nicht ordentlich zahlt und ausbildet, hat am Ende auch keinen Nachwuchs." Gute Leute müssten auch entsprechend entlohnt werden. So steht er einer gesetzlichen Regelung skeptisch gegenüber: "Die Bundesregierung würde gut daran tun, sich aus solchen Dingen rauszuhalten und den freien Markt entscheiden zu lassen." Problematisch sei vielmehr, überhaupt geeignete Bewerber mit entsprechender Arbeitsmoral zu finden.
"Schwerer Eingriff in die gelebte Betriebs- und Tarifautonomie"
Kritik an der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für Auszubildende äußert auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Dessen Generalsekretär Holger Schwannecke sieht darin "einen schweren Eingriff in die gelebte Betriebs- und Tarifautonomie". Das Gesetz werde gerade die kleinen Handwerksbetriebe in strukturschwachen Regionen belasten. Als problematisch wird auch die prozentuale Anpassung des Gehalts in den Ausbildungsjahren erachtet, die völlig losgelöst sei von der Lohn- und der wirtschaftlichen Entwicklung.
Immerhin: Lob gibt es für die gesetzliche Festschreibung eines klaren Tarifvorranges für die Vergütungsregelungen, die die gesetzlichen Mindestvergütungen unterschreiten. Schwannecke: "Insoweit appellieren wir an die Tarifvertragsparteien, von dieser Regelung verantwortungsvoll im Sinne der Aufrechterhaltung des Ausbildungsengagements gerade kleiner Betriebe im Handwerk Gebrauch zu machen." Es sei auch zu begrüßen, dass durch eine Übergangsregelung die neuen Regelungen nicht auf laufende Ausbildungsverträge Anwendung fänden.
Henry