Der Verkehr mit Millionen Autofahrern und Fahrgästen in Bussen und Bahnen in Deutschland soll klimafreundlicher werden - das ist aber ein politisch heikles Vorhaben. Denn für die möglichen künftigen Regierungspartner von SPD, Grünen und FDP heißt es dafür auch, begehrte staatliche Milliarden umzulenken. Mehr Geld für die Schiene, mehr Güter auf die Bahn, aber auch weniger Geld fürs Auto? Die "Ampel"-Unterhändler müssen für die angestrebte "Verkehrswende" in den Koalitionsgesprächen gerade dicke Bretter bohren. Einige Leitplanken stehen, aber wichtige Fragen sind ungeklärt.
Wie soll eine mögliche Investitionsoffensive für die Schiene finanziert werden, also vor allem der Neu- und Ausbau von Strecken, etwa für eine bessere Anbindung auf dem Land? Einnahmen, die bisher in den Straßenverkehr gehen, könnten für die Schiene genutzt werden – außerdem könnten "klimaschädliche" Subventionen abgebaut werden, um finanzielle Spielräume zu bekommen. Doch unumstritten ist das nicht.
FDP-Chef Christian Lindner machte nun klar: An der Pendlerpauschale soll festgehalten werden. Er sagte der "Rheinischen Post" (Freitag), Subventionsabbau dürfe nicht zu einer "Steuererhöhung für die arbeitende Mitte werden", wie es bei der Pendlerpauschale der Fall wäre. Zugleich machte er einen anderen Vorschlag und stellte die bisherige staatliche Förderung für Hybridautos mit Verbrenner- und separat aufladbarem Elektromotor infrage: "Wir geben zum Beispiel eine Milliarde Euro an Subventionen für Plug-in-Fahrzeuge aus, die keinen gesicherten ökologischen Nutzen haben."
Gerade im ländlichen Raum mit einer oft schlechten Anbindung an die Schiene würden Änderungen bei der Pendlerpauschale – die den Staat pro Jahr sechs Milliarden Euro kostet – auch angesichts akut gerade steigender Spritpreise vermutlich alles andere als gut ankommen. Die Frage nach einer Abschaffung der finanziellen Unterstützung für Pendler könne man "nur mit einer Großstadtbrille stellen, wenn im Minutentakt Bahn und Busse fahren oder man den Arbeitsplatz mit dem Fahrrad erreichen kann", kritisierte auch die geschäftsführende Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).
In ihrem Sondierungspapier hatten SPD, FDP und Grüne ausdrücklich angekündigt, den Bundesetat auf "überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben" zu überprüfen – um zusätzliche Spielräume zu gewinnen. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler unterstrich das: "Es ist nicht smart, mitten in der Klimakrise diese mit großen zweistelligen Milliardenbeträgen an Steuergeldern noch anzuheizen", sagte er der dpa.
Im Grünen-Wahlprogramm heißt es, in einem ersten Schritt könnten über einen Abbau klimaschädlicher Subventionen mehr als 15 Milliarden Euro jährlich freigesetzt werden, um soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zu finanzieren. Und ein großes Sorgenkind beim Klimaschutz ist der Verkehr. Treibhausgasemissionen sind in den vergangenen Jahren kaum gesunken, Klimaziele drohen krachend verfehlt zu werden.
Auch "Dieselprivileg" auf dem Prüfstand
Bei den Subventionen geht es auch um ein mögliches Ende des "Dieselprivilegs". Diesel wird geringer besteuert als Benzin. Auch bei Dienstwagen könnte sich etwas ändern. Erst am Donnerstag hatte das Umweltbundesamt in einer neuen Studie bekräftigt, das "Dienstwagenprivileg" widerspreche dem Ziel des Klimaschutzes durch begünstigte Nutzung von Verbrenner-Pkw. Auch die Pendlerpauschale begünstige vor allem den Pkw-Verkehr.
Zu klären sind aber auch neue Milliardenausgaben. Bahnverbände forderten am Freitag, der Bund müsse die Mittel für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes spätestens ab Mitte der Wahlperiode auf mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr erhöhen –bisher sind es 1,5 Milliarden Euro. "Das Schienennetz muss ausgebaut, Steuermilliarden für den Straßen- und Flugverkehr im Gegenzug abgebaut werden", sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.
"Jede Bahnfahrt spart CO2 und hilft unserem Planeten" – so wirbt die Deutsche Bahn seit kurzem in einer neuen Kampagne. "Klimaschutz kann auch einfach sein." Überhaupt spielt der bundeseigene Transportriese eine Schlüsselrolle bei der Verkehrswende. Die Finanzlage der Bahn ist aber weiter angespannt, auch wenn die Fahrgastzahlen sich allmählich wieder erholen. 1,4 Milliarden Euro Verlust fuhr der Konzern allein in den ersten sechs Monaten 2021 angesichts der Corona-Krise ein. Allerdings sind die Manager zuversichtlich, schon im kommenden Jahr wieder schwarze Zahlen zu schreiben.
Dazu kommen aber auch noch Milliardenschulden. Die Bahnverbände forderten einen staatlichen Fonds, um Ausbau und Modernisierung der Schieneninfrastruktur finanziell langfristig abzusichern. Einen solchen Fonds, der sich auch aus Einnahmen aus der Lkw-Maut speisen könnte, fordern auch die Grünen. Die milliardenschweren Einnahmen aus der Lkw-Maut werden bisher für die Bundesfernstraßen verwendet.
Bei der Bahn selbst könnte außerdem «Tafelsilber» zu Geld gemacht werden, indem Töchter verkauft werden. Auch die künftige Struktur des Konzerns steht zur Debatte – allerdings gibt es konträre Ansichten. Die FDP fordert, Netz und Bahnbetrieb zu trennen und den Betrieb zu privatisieren. Das lehnt die SPD allerdings seit Jahren strikt ab.
Mehrheit für generelles Tempolimit
Einen der kniffligsten Punkte, der keine Milliarden kosten würde, haben die drei Parteien von vornherein abgeräumt: ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wird es nicht geben, hielten sie schon in den Sondierungen fest. Mit der FDP ist das nicht zu machen – obwohl laut einer neuen Umfrage die Mehrheit in Deutschland dafür ist. Im ARD-"DeutschlandTrend" (Freitag) sprachen sich 60 Prozent für ein Tempolimit von 130 als Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz aus.