Beim Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) gibt es auch dieses Jahr wieder spannende Diskussionsrunden und interessante Vorträge. Den Anfang machten am Donnerstag Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), und Arne Joswig, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Sie erörterten im Gespräch mit IfA-Direktor Stefan Reindl die aktuellen Herausforderungen der Automobilbranche.
"Die Situation ist schwierig. Wir haben mehrere sich überlagernde Herausforderungen und sogar Krisen. Über allem steht die große Transformation mit technischen Veränderungen, neuen Antrieben und der Digitalisierung - all das fordert Menschen und Unternehmen", sagte Müller in Nürtingen. In den nächsten fünf Jahren wolle die Branche 250 Milliarden Euro in neue Technologien und Digitalisierung investieren, außerdem 130 Milliarden in den Umbau von Werken.
Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen statt Regulierung
Müller weiter: "Wir haben einen großen Systemwettbewerb, auf der einen Seite die USA, auf der anderen Seite die Chinesen mit einer sehr engagierten Industriepolitik und direkter Subventionierung. Deutschland und Europas Antwort ist zu oft das Nichtsetzen von klugen Rahmenbedingungen und Zielen." Stattdessen gebe es Regulierung bis ins kleinste Detail. Dabei spielte Müller auch auf die Themen Energiekosten, Rohstoffabsicherung und Handelsabkommen an. "Wir müssen ein viel größeres Interesse daran haben, international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen“, so die Branchenvertreterin. So habe die IAA gezeigt, dass Deutschland technologisch mithalten könne, aber der Wettbewerbsdruck sei enorm. "Die Selbstverständlichkeit, Exportnation zu sein, steht in Frage - und um die müssen wir kämpfen."
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Ihr ZDK-Kollege Joswig sieht die Veränderungen aber auch von der positiven Seite: "Wir sind wer, wir sind viele und wir können ganz viel. Wir können den Wandel aktiv gestalten und das werden wir auch. Der ZDK möchte aktiv eine Rolle spielen. Ich habe in Berlin viele Gespräche geführt. Die Dinge, die wir hier reklamieren, kommen auch an. Wir müssen ein bisschen lauter werden und unsere Standpunkte ein bisschen deutlicher klar machen." Auch Müller weiß, dass in der Politik oft ein Erkenntnisproblem herrscht und die Komplexität der Transformation vielen noch nicht klar ist. Sie warnte davor, mit dem "bisherigen Deutschlandtempo" weiterzumachen und appellierte an alle Beteiligten, "die Ärmel hochzukrempeln".
Mobilitätswandel und Auswirkungen des Abgas-Skandals
Mit Blick auf das Image des Autos in Deutschland betonte Joswig, dass die Händler und Werkstätten nicht für den Abgasskandal verantwortlich seien. "Wir haben das die ganzen Jahre ausgelöffelt und die Reklamationen durchgeführt. Jetzt ist auch ein Stück weit die Autoindustrie in der Pflicht den Imagewandel herbeizuführen." Zum Thema Elektromobilität hat Joswig viele Ideen, fordert mehr Offenheit in der Politik und eine Zusammenarbeit mit dem VDA. "Die Elektromobilität könnten wir zusammen anpacken und zum Beispiel in einem bestimmten Zeitraum jedem Deutschen die Möglichkeit geben, ein Elektroauto Probe zu fahren. Wir sollten das aktiv angehen." Der Mobilitätswandel ist unumstritten, das zeigen auch einige Studien, auf die Müller hinwies. "Ja, es sind Fehler in der Vergangenheit passiert. Aber ich rate uns schon auch zu Selbstbewusstsein. Das Ausland nimmt uns viel ernster, als wir uns zugestehen."
Technologieoffenheit: e-Fuels, Brennstoffzelle und batterieelektrisch
Im vergangenen Sommer wurde die grundsätzliche Frage, ob E-Fuels überhaupt gewünscht sind, durch Bundesverkehrsminister Walter Missing sehr stark vertreten. "Dadurch ist die Tür wieder geöffnet worden", so Joswig. "Der ZDK hat immer die Meinung vertreten, man muss etwas technologieoffen machen und sich nicht nur auf Elektromobilität verengen, es gibt viele Wege um zur Klimaneutralität zu kommen. Es wird auch einen Markt für E-Fuels geben." Müller stimmte dem ausdrücklich zu. Ihrer Meinung nach braucht Deutschland für synthetische Kraftstoffe auch keine andere Infrastruktur. Trotzdem sieht Müller den Fokus erst einmal auf der Elektromobilität.
"Natürlich ist es wunderbar, dass wir die Elektro-Lkws haben. Wir haben aber auch andere Lösungen, bei denen durchaus Brennstoffzellen und Wasserstoff eine Option ist. Wir müssen sowieso Wasserstoffnetzte bauen, weil wir Wasserstoff auch in industriellen Anwendungen brauchen. Man kann intelligente Infrastruktur denken, wenn man das möchte", erklärte Müller. Ihr ist allerdings auch klar, dass Deutschland eine Lade-und Tankinfrastruktur für Elektromobilität benötige. Sorgen macht sich die VDA-Präsidentin vor allem über die Stromnetze, die auf diese Art von Bedarfe nicht in ausreichendem Maße ausgelegt seien. "Es kann nicht sein, dass wir so harte Ziele haben, aber die Infrastruktur fürs Laden nicht hinterher kommt. Wir müssen darauf achten, dass es eine Stromnetzinfrastruktur gibt, die das stemmen kann – und das zu bezahlbaren Preisen. Wir sind an einer Schwelle, da müssen wir jedem den Umstieg auf Elektromobilität so leicht wie möglich machen."