Trotz geplanter Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Diesel-Autos hält Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Fahrverbote weiter für möglich. Wenn die Grenzwerte für Stickoxide weiter überschritten würden, würden sie notwendig - auch wenn sie das letzte Mittel seien, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag vor einem Besuch beim Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg. In einem ersten Schritt werde die Politik den Automobilkonzernen nur aufgeben können, die Software der Autos zu verbessern. Damit könne man "nur Teilverbesserungen erreichen - und damit kann man nicht ausschließen, dass es trotzdem zu Fahrverboten kommen kann."
Hendricks hat gemeinsam mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Autohersteller und die Politik für den 2. August zu einem Diesel-Gipfel geladen, auf dem es um Nachbesserungen gehen soll. Dort werde es neben Software-Updates auch um die "Formulierung von Anforderungen für den zweiten Schritt" gehen, sagte sie, also Nachrüstungen am Motor. Ihr im Frühjahr formuliertes Ziel, den Stickoxid-Ausstoß der Diesel-Flotten insgesamt um mindestens die Hälfte zu senken, sei weiter "anzustreben".
Der Verdacht illegaler Kartellabsprachen stehe weiterhin nicht auf der Agenda dieses Treffens, sagte Hendricks. Sie würden aber "die Atmosphäre der Debatte" prägen.
Politik war zu nah an Autobauern
Ungewöhnlich hart geht die Ministerin mit der deutschen Autobranche und der Beziehung zwischen Politik und Herstellern ins Gericht. Die Vorwürfe zu möglichen illegalen Kartellabsprachen hätten weiteres Vertrauen zerstört, sagte die SPD-Politikerin nach dem Gespräch mit VW-Konzernchef Matthias Müller. Es gebe "offenbar hier oder da Missstände im Management" der Autobauer.
Die Nähe zwischen Politik und Industrie sei "zu groß" gewesen, sagte Hendricks weiter. Dies habe dazu geführt, dass die Autobranche sich "zu sicher" gefühlt habe. "Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit zu häufig an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen."
Daher sei der Staat nun auch mit in der Verantwortung, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Hendricks forderte, eine zusätzliche Kontrollbehörde außerhalb des Bundesverkehrsministeriums einzurichten, etwa beim Umwelt- und Verbraucherschutzministerium.
Dobrindt warnt vor unseriösen Debatten
Vorstöße zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor wie in Frankreich oder Großbritannien sollten Deutschland nach Meinung der Bundesumweltministerin nicht kalt lassen. Es sei mittlerweile unstrittig, dass die Entwicklung in Richtung abgasfreier Verkehr gehen müsse, sagte Hendricks. "Dabei sind wir nicht nur aus klima- und gesundheitspolitischen Gründen gut beraten, die Signale aus anderen Ländern sehr ernst zu nehmen." Schließlich seien diese Länder wichtige Absatzmärkte für deutsche Autobauer.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt warnte hingegen vor einer unseriösen Debatte über ein Ende von Fahrzeugantrieben mit Diesel und Benzin. Er halte es "nicht für sehr zielführend, heute davon zu sprechen, dass man den Verbrennungsmotor beerdigen könnte", sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin. "Elektromobilität wird die Zukunft sein", stellte Dobrindt klar. Wann und in welchen Ausführungen dies in der Breite beginnen werde, sei aber absolut noch nicht zu sagen. So gebe es neben Batterieantrieben auch Brennstoffzellen mit Wasserstoff oder synthetische, CO2-neutrale Kraftstoffe. Diejenigen, die einfache Wahrheiten immer genau zu kennen vorgeben, halte er "nicht für sehr glaubwürdig".
Großbritannien hatte am Mittwoch angekündigt, den Verkauf von Dieseln und Benzinern ab 2040 zu stoppen. In einer früheren Version ihres Klimaschutzplans hatte Hendricks selbst abgasfreie Neuwagen ab 2030 angepeilt. "Wir brauchen endlich eine breite Palette an attraktiven und günstigen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben", sagte sie nun. Hendricks wollte zum Auftakt ihrer Sommerreise in Wolfsburg unter anderem VW-Konzernchef Matthias Müller treffen und mit ihm auch über Elektromobilität sprechen. (dpa)
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