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Diesel am Pranger: Streit um Fahrverbote in Stuttgart

22.02.2017 17:02 Uhr
Umweltzone Schild Feinstaub Plakette
Der Städte- und Gemeindebund hält flächendeckende Fahrverbote gegen Feinstaub für unwahrscheinlich.
© Foto: stockpix4u / Fotolia

Die Fahrverbote für viele Dieselfahrzeuge in Stuttgart schon ab 2018 haben eine hitzige Debatte ausgelöst. Während die Industrie von einem Schnellschuss spricht, ist die Umfrage-Mehrheit für solche Schritte.

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An den für 2018 geplanten Fahrverboten für viele Dieselfahrzeuge in Stuttgart scheiden sich die Geister: Während die Autobranche "intelligentere" Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität fordert, lobte der Deutsche Städtetag: Stuttgart gehe mit gutem Beispiel voran.

Die grün-schwarze Landesregierung hatte sich am Dienstag darauf geeinigt, ab dem kommenden Jahr an Tagen mit extrem hoher Schadstoffbelastung zentrale Straßen im Talkessel für viele Diesel-wagen zu sperren. Betroffen sind Fahrzeuge, die nicht die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Land und Stadt begründeten ihren Schritt damit, dass ihnen aufgrund der gültigen Rechtslage und drohender Strafzahlungen an die EU die Hände gebunden seien. Die EU-Grenzwerte seien nur einzuhalten, wenn die Zahl der Diesel in der City deutlich verringert werde.

Er befürchte, dass man an Fahrverboten nicht vorbei komme, sagte Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Blaue Plaketten für schadstoffarme Dieselautos seien eine gute Idee. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Dienstag angekündigt, sich mit seinem Vize Thomas Strobl (CDU) in Berlin noch einmal für die neue Plakette einzusetzen, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beharrlich ablehnt. Das SPD-geführte Bundesumweltministerium hingegen applaudierte Stuttgart.

Blaue Plakette wohl erst 2020

Die bundesweite Einführung der blauen Plakette gilt als einfachste Lösung, vergleichsweise schmutzige Fahrzeuge aus den Städten auszusperren. Erhalten würden sie Benziner, die die Abgasnorm Euro 3 einhalten und Diesel, die mindestens Euro 6 schaffen. Flächendeckend eingeführt werden soll die Plakette erst, wenn 80 Prozent der Flotte die Vorgaben erfüllen – nach Schätzungen frühestens im Jahr 2020.

Das Verkehrsministerium teilte in Berlin mit, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sollten "nicht die Mobilität einschränken oder die Bürger und die innerstädtische Wirtschaft belasten". Es sei nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die nur ein- oder zweimal im Monat in die Stadt führen. Schadstoffe ließen sich besser reduzieren, wenn etwa Taxis, Busse, oder Behördenfahrzeuge, die ständig in der Stadt unterwegs seien, mit "alternativen Antrieben" ausgerüstet würden.

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet Fahrverbote für Dieselautos mit hohem Schadstoffausstoß in Stadtteilen mit besonders schlechter Luft. In einer von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Auftrag gegebenen und am Mittwoch veröffentlichen repräsentativen Emnid-Umfrage sprechen sich 61 Prozent für solche Verbote aus.

Unter "den schlechten Lösungen" noch die vertretbarste

Das Baden-Württembergische Kraftfahrzeuggewerbe lehnt die Fahrverbote ab. Es gebe bessere Wege, sagte Präsident Harry Brambach. Unter "den schlechten Lösungen" sei das aber noch die vertretbarste. "Damit erstrecken sich die Einschränkungen auf einige Tage im Jahr mit ungünstiger Wetterlage und auf einen eng begrenzten Raum."

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte ebenfalls intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen als temporäre oder gar dauerhafte Verkehrsbeschränkungen für einen Großteil der Dieselautos an. Kurzfristig umsetzbar sei etwa eine Grüne Welle. Ein gleichmäßiger Verkehrsfluss bringe eine Reduktion der Stickoxidemissionen um fast ein Drittel. Laut VDA fährt ein Drittel des gesamten Pkw-Bestandes in Deutschland mit Diesel, nur zehn Prozent davon erfüllen die Euro-6-Norm. Nach Angaben des Landes liegt in der Autostadt Stuttgart der Diesel-Anteil an der Fahrzeugflotte sogar bei 50 Prozent. Laut Stadt sind in Stuttgart 107.000 Diesel zugelassen.

Flächendeckende Fahrverbote unwahrscheinlich

Der Städte- und Gemeindebund hält flächendeckende Fahrverbote gegen Feinstaub für unwahrscheinlich. "Dass wir jetzt flächendeckend in deutschen Städten – auch in Extremsituationen – Fahrverbote bekommen, das glaube ich nicht", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in "SWR aktuell". Seiner Einschätzung nach können Verbote ohnehin nicht zu feinstaubfreien Innenstädten beitragen. "Es kommt teilweise aus den Reifen, es kommt teilweise aus dem Straßenabrieb – das ist also sehr viel komplizierter, so dass diese Maßnahme alleine allenfalls in einer Extremsituation kurzfristig was bringen kann." (dpa)

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KOMMENTARE


Wölfi

22.02.2017 - 17:04 Uhr

Toll der Herr Dobrindt ! Und die Polizei in Bayern will ihre VW's nicht einmal auf den neuesten Softwarestand bringen lassen. Soviel zu Behördenfzg.


WW

22.02.2017 - 18:55 Uhr

In keiner Stellungnahme in den Medien, speziell der Stuttgarter Zeitung und leider auch von Seiten der CDU wurde der Aspekt und Einfluss der Bauarbeiten im Rahmen von S 21 auf das Feinstaubaufkommen erwähnt. Zudem ausschließlich die Messungen einer einzelnen Station zur Feinstaubbeurteilung herangezogen wurden. Es ist m. E. nicht, bzw. sehr ungenügend, dokumentiert, dass der Aushub S 21 und die damit verbundenen Bauarbeiten und durch den erhöhten Baustellenverkehr in Verbindung mit dem dazugehörigen Zulieferverkehr maßgeblich in der Innenstadt zu einem temporären Anstieg der Feinstaubwerte beiträgt. Zur Wahltaktik der Grünen für die kommenden Landtagswahlen scheint zu gehören diese einzige Messstelle in der Neckarstraße als Maßstab für ein Menetekel an die Wand heran zu ziehen.. Greifen ab 2018 die Dieselverbote, es sollen ca. 380.000 Autos sein, und ändern sich gleichzeitig die Art der Baustellen Arbeiten im Talkessel, d.h. keine Tiefbauarbeiten und weniger LKW Verkehr, schreiben die Grünen die systemische Feinstaubreduzierung ihrer Entscheidung zu Fahrverboten in Stuttgart zu. Das heißt aber auch, sie stilisieren sich als Retter der Innenstadt hoch. Was mich mehr als erstaunt, die CDU macht sich durch ihre Zustimmung zum Steigbügelhalter einer solchen Politik.Zu den Auswirkungen möchte ich nur noch erwähnen, dass nicht nur eine massive Entwertung der betroffenen Fahrzeuge die zwar älteren Datums, aber trotzdem noch TÜV gerecht, stattfindet. Sehr oft werden genau diese Fahrzeuge von sozialschwachen Schichten genutzt, d. h. diese werden nicht nur durch die hohen Mieten sondern auch zusätzlich mit einer massiven Entwertung ihres Eigentums bestraft. Wer kauft Stuttgartern oder auch den Einpendlern umliegender Kommunen diese Fahrzeuge noch zum regulären Marktpreis ab? Die Argumentation, dass es für sozialschwache Teile der Bevölkerung Ausnahmeregelungen geben könnte löst nur noch ein Kopfschütteln aus. Es gibt wieder eine endlose Diskussion über - wer ist sozialschwach-. Eigentlich müsste hier das Wort staatlich verordnete Enteignung stehen. Denken Sie bitte an die Heerscharen der Lieferketten von Amazon, DHL, Post usw. das sind meistens selbständig agierende Einzelunternehmer deren Fahrzeuge, in der Regel ein Transporter älteren Datums mit nicht konformem Dieselmotor, noch in der Finanzierung laufen. Verschrotten? Auch hier öffnet sich ein Diskussionsfeld, das in der Regel zum Nachteil der Betroffenen ausgeht.Der Umschwung auf die sogenannte E-Mobilität wird in Stuttgart und Baden-Württemberg bei den Herstellern und Zulieferern der Automobilindustrie einen derart massiven Stellenabbau hervorrufen, dass es ab 2022-3 in der folgenden Generation einen sehr deutlich anschwellenden Prozentsatz in der Arbeitslosigkeit geben wird, so lange laufen die längsten Arbeitsplatzsicherungsvereinbarungen.Es scheint wie immer einen Hype auszulösen, wenn einer eine, gleich wie auch immer geartete ideologisch gefärbte Sichtweise äußert, besonders im Wahljahr. Es möchte jeder den Anderen an Mehr übertreffen, ob richtig oder falsch, nur in der Presse zu sein scheint wichtig zu sein.Unserer nächsten Generation kann ich nur viel Glück wünschen und sarkastisch hinzufügen, ein reiches Erbe zum Überleben.


Schallhorn

22.02.2017 - 19:30 Uhr

Das ist wohl nicht durchsetzbar,gleiches Recht für alle,es kann nicht sein,das der Besitzer einen 3 Jahre alten Diesel PKW nicht mehr fahren darf,nur weil die EU ständig die Grenzwerte neu vorschreibt ! Wenn jemansd meint,Euro 6 wäre besser wie Euro 4 oder kein Kat,der irrt,es ist längst nachgewiesen,dass Euro 5 & 6 Fahrzeug wesenlich gefährlicheren krebseregenden Feinstaub erzeuger wie ältere Fahrzeuge,ich betreibe seit ca 26 Jahren eine eigene Werkstatt,einen gut eingestellter Vorkammer Diesel riecht man praktisch nicht,ein moderner Diesel stinkt,vor allem spürt man es sofort im Hals bzw tief in den Atemwegen.Eins ist sicher,raus kommt es immer,nur viel feiner,daher halte ich von der Diesel Abgasreinigung überhaupt nichts.Sinnvoller wäre es,den Diesel zu dem zu machen was er ist,ein sparsamer Motor mit mäßiger Leistung und kein hochverdichteter Sportdiesel.


Tom

22.02.2017 - 19:38 Uhr

Deutschland schafft sich ab ...


hwb

22.02.2017 - 23:04 Uhr

Wenn man mit einem Reisemobil nicht mehr in eine Stadt einfahren kann oder darf, fährt man halt wo anders hin und gibt dort sein Geld aus. Wenn man aber im Ort ist und ein Fahrverbot ausgesprochen wird ist das für mich Freiheitsberaubung und Nötigung, wenn man den Ort nicht verlassen darf. Den Leuten, die dieses Problem belächeln sei gesagt, "Da treffen sich zwei Planeten, sagt der eine, du, ich habe homosapiens, darauf sagt der andere, ist nicht so schlimm, das geht vorbei". Aber, wir glauben diese Unausweichlichkeit durch Fahrverbote aufhalten zu können. Zumindest lässt sich dadurch das Budget der Städte durch Einnahmen aus Ordnungswidrigkeiten besser planen. Auch ein Ansatz.


Kurbelwellenfan

23.02.2017 - 22:33 Uhr

Der Beitrag hier von "ww" bringt vieles Richtige. Bremsenabrieb, Reifenabrieb, von außen in den Talkessel eingetragener Staub, Kamine, Flugzeuge, Baumaschinen, Baustellenverkehr, Laubbläser u.s.w. Alles erzeugt Staub. Da viele Fahrzeuge ohnehin von einem Fahrverbot ausgenommen werden, passiert umwelttechnisch gar nichts - außer dem Preisverfall für Diesel-Fahrzeuge. Die Händler bekommen massenweise nur schwer verkäufliche Diesel-Leasing-Fahrzeuge zurück. Ob die Regelung nun greift oder nicht: Das Diesel-Prinzip ist massiv beschädigt. Die Kunden machen selbst um Euro-6-Diesel einen weiten Bogen. Die Regelung in Baden-Württemberg ist ein politischer Verzweiflungsakt. Früher sagte man: Ursache unbekannt - aber beschlossen. Heute kann man sagen: Ursache vielfältig - aber einseitig reguliert!


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