Ärger in den Nachbarländern, Bedenken in den Grenzregionen, Unmut in der eigenen Koalition: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wehrt sich gegen den wachsenden Chor der Kritiker an seinem Maut-Konzept. "Bei manchen Diskussionen kann man den Eindruck bekommen, als würde die Einführung einer Vignette die Gesellschaft überfordern", sagte der CSU-Politiker dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Parteiübergreifend gibt es Sorgen vor allem um die Wirtschaft in Grenzregionen.
Dobrindt will ab 2016 eine Infrastrukturabgabe für das gesamte Straßennetz kassieren. Dafür sollen Vignetten verkauft werden, deren Preis sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw richtet. Deutsche würden die Vignette automatisch erhalten. Im Gegenzug werden sie über eine geringere Kfz-Steuer voll entlastet. Ausländische Fahrer sollen Vignetten an Tankstellen und im Internet kaufen.
Skepsis an den Plänen gibt es inzwischen in allen Parteien. Der Vorsitzende der mächtigen nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Unionsfraktion, Peter Hintze (CDU), forderte eine grundlegende Überarbeitung des Konzeptes. Er wies auf die engen Verflechtungen in den Grenzregionen hin, etwa zwischen Nordrhein-Westfalen und Belgien. Für jede grenzüberschreitende Fahrt zum Arbeitsplatz, Einkauf oder zur Disco von den EU-Nachbarn Maut "zu kassieren, könnte sich als teurer Fehler herausstellen". Das belaste den Wirtschaftsstandort und die nachbarschaftlichen Beziehungen, sagte er dem Magazin "Focus".
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dessen Stimme bei der Bundesratsabstimmung wichtig werden könnte, warnte vor Einbußen. "Die Schweizer, die bei uns Urlaub machen, einkaufen und essen, bringen Baden-Württemberg einen Kaufkraftzuwachs von zwei Milliarden Euro im Jahr", sagte der Grünen-Politiker der "Welt am Sonntag". "Wenn das einbricht, weil eine Pkw-Maut auch auf jeder normalen Straße erhoben wird, dann können wir im Saldo negativer rauskommen als vorher." Sachsens Verkehrsminister Max Morlok (FDP) nannte das Konzept in der "Welt" (Montag) in seiner jetzigen Fassung inakzeptabel. Er dringt auf Ausnahmeregelungen für grenznahe Bereiche.
"Ich teile die Einschätzung nicht"
Dobrindt selbst schließt negative Auswirkungen auf die Wirtschaft in Grenznähe aus. "Ich teile die Einschätzung nicht, dass der sogenannte kleine Grenzverkehr durch meine Maut beeinträchtigt wird." Wenn eine Jahresvignette für einen Polo 24 Euro koste, werde dies niemanden davon abhalten, nach Deutschland zu fahren.
In den kommenden Tagen will Dobrindt bei seinen Amtskollegen in Österreich und den Niederlanden um Verständnis für das Vorhaben werden, wie "Spiegel" und "Focus" berichten. Beide Nachbarländer hatten nicht ausgeschlossen, Deutschland wegen der Maut zu verklagen.
Dobrindt geht aber nicht davon aus, dass die Maut am Europarecht scheitern könnte. "Ich habe Brüssel bei dem Vorhaben auf meiner Seite." Er habe von Verkehrskommissar Siim Kallas die Zusage, dass dieser das Gesetz konstruktiv begleiten werde. "Wenn er mein Konzept für grundlegend falsch hielte, hätte er anders reagiert", sagte Dobrindt dem "Spiegel".
Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" erwägt Dobrindt, die Maut in Form einer neuen Steuer einzuführen. Sein Ministerium bestätigte auf Anfrage der Zeitung, dass es im Maut-Konzept zwei Möglichkeiten gebe. Demnach könne der Kaufpreis für die Vignetten entweder als Abgabe oder als Steuer erhoben werden. Eine Entscheidung zwischen den beiden Modellen sei noch nicht getroffen worden.
Skepsis in der Bevölkerung
In der Bevölkerung herrscht offenbar Skepsis gegenüber Dobrindts Plänen. In einer Emnid-Umfrage für den "Focus" sagten 68 Prozent der Befragten, sie glaubten seinen Zusicherungen nicht, dass durch die geplante Pkw-Maut deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden. 27 Prozent gehen davon aus, dass die Pkw-Maut wie versprochen nur ausländische Autofahrer belastet. (dpa)
egon sunsamu
Oli M
Kürgen
Manfred Fraenkel