Von Nico Esch, dpa
Die ersten Wochen an der Daimler-Spitze stehen für den neuen Vorstandschef Ola Källenius unter keinem guten Stern. Mit einer Absatzflaute ohnehin schwach ins Jahr gestartet, wird der Autobauer erneut von der Affäre um mutmaßlich manipulierte Diesel-Motoren eingeholt. Eine kurze Pflichtmitteilung an die Börse begrub am Sonntagabend erst einmal die Hoffnung auf Besserung. Daimler kassiert darin die Prognose für das laufende Jahr und korrigiert sie nach unten. Im operativen Geschäft soll das Ergebnis nun nicht mehr leicht zulegen, sondern lediglich die Größenordnung von 2018 erreichen – und die war, gemessen an den Daimler-Maßstäben, nicht allzu gut.
Eine gute Nachricht gab es am Montag hingegen für die Beschäftigten: Der geplante und schon vor einigen Monaten angekündigte Sparkurs soll ohne den Abbau von Arbeitsplätzen umgesetzt werden. Unternehmen und Betriebsrat haben eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt, wie Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht der Deutschen Presse-Agentur sagte. "Wir haben klar geregelt, dass es kein Personalabbauprogramm gibt", betonte er.
Vor betriebsbedingten Kündigungen sind die Beschäftigten zwar ohnehin geschützt, ein Abfindungsprogramm oder ähnliches werde es nun aber auch nicht geben. "Es wird kein Geld in die Hand genommen, um Menschen zu suchen, die das Unternehmen verlassen", sagte Brecht.
Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche hatte schon bei der Vorstellung der Bilanz für 2018, die deutlich schwächer ausgefallen war als im Jahr davor, "Gegenmaßnahmen" angekündigt, um Daimler wieder profitabler zu machen. Källenius, zuvor Entwicklungsvorstand, und der ebenfalls neue Finanzchef Harald Wilhelm sind erst seit gut einem Monat im Amt und mussten nun prompt eine Gewinnwarnung verkünden.
Pflicht-Rückruf für 60.000 Diesel
Am Freitag erst hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Pflicht-Rückruf für rund 60.000 weitere Diesel-Fahrzeuge vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 verhängt, weil es darin eine aus seiner Sicht illegale Abgastechnik entdeckt hat. Daimler selbst ist der Auffassung, dass die Funktion in Ordnung ist, und betont, sie den Behörden selbst offengelegt zu haben. Der Konzern will den Rückruf umsetzen, aber Widerspruch gegen den Bescheid einlegen.
Das KBA habe im Rahmen seiner Untersuchungen bei verschiedenen Herstellern bei diesen Mercedes-Modellen der Euro-5-Norm eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung festgestellt, erklärte das Verkehrsministerium. Da von der beanstandeten "Schadstoff- und Abgasstrategie" auch andere Modelle betroffen sein könnten, habe das Amt die Untersuchungen bereits ausgeweitet. Es handele sich um Fahrzeuge mit den Motoren OM 651 und OM 642. Ein Unternehmenssprecher sagte, man sei weiterhin mit der Behörde über das Thema im Gespräch.
Der Verdacht gegen das fragliche Mercedes-Modell GLK 220 CDI aus den Produktionsjahren 2012 bis 2015 war Mitte April publik geworden. Damals hieß es, das KBA sei im Herbst 2018 auf eine verdächtige Software-Funktion bei dem Motor OM 651 gestoßen. Demzufolge sollen Abgaswerte mithilfe eines Computerprogramms gesenkt worden sein – aber nur auf dem Prüfstand und nicht im täglichen Verkehr. Daimler erklärte, die Funktion bereits im Mai 2018 beim KBA vorgestellt und in der Folge auch in mehreren Besprechungen erläutert zu haben. Nach Auffassung des Konzerns sei die Funktion zulässig.
Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, rief Daimler dazu auf, den Kunden jetzt entgegenzukommen und Betroffene zügig zu entschädigen. "Statt einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zu führen, sollte der Daimler-Konzern schnell für Klarheit sorgen. Die Betroffenen haben mehr als ein Software-Update verdient", forderte er. Ein Zwangsrückruf sei nicht nur ärgerlich, es drohe auch ein Wertverlust des Fahrzeugs.
Daimler kündigte an, für "verschiedene laufende behördliche Verfahren und Maßnahmen bei Mercedes-Benz Dieselfahrzeugen" zusätzlich einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zurückzustellen. Das wird zunächst das operative Ergebnis im laufenden zweiten Quartal beeinflussen, letztlich aber auch das Ergebnis für das komplette Jahr 2019. Für die Van-Sparte rechnet Daimler nun sogar mit einem Verlust.
Nach 14,3 Milliarden Euro 2017 war das Ergebnis vor Zinsen und Steuern 2018 um mehr als ein Fünftel eingebrochen. Am Ende waren es zwar immer noch gut 11,1 Milliarden Euro, Daimler verfehlte damit aber seine langjährigen Renditeziele. "Damit können und wollen wir nicht zufrieden sein", hatte Zetsche gesagt.
Auch im ersten Quartal dieses Jahres hatte der Autobauer dann aber weltweit mit schwächelnden Verkaufszahlen zu kämpfen, während er gleichzeitig weiter viel Geld in neue Modelle und Technologien stecken muss. Der Umsatz ging leicht, der Gewinn etwas deutlicher zurück. Dass das Erreichen der Ziele für 2019 damit nicht leichter geworden sei, hatte Zetsche schon eingeräumt, zunächst aber noch an ihnen festgehalten – und "große Kraftanstrengungen" eingefordert.
Im Optimierungsprozess
Für Unruhe hatten danach Berichte gesorgt, wonach Daimler plane, Tausende Stellen zu streichen. "So eine Debatte hat es bei uns nie gegeben", sagte Brecht nun aber in Bezug auf die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Unternehmen. Daimler sei nicht in einem Schrumpfungsprozess, sondern in einem Optimierungsprozess.
Das Effizienzprogramm nehme alle Kosten ins Visier, betont Personalvorstand Wilfried Porth in einer internen Information an die Beschäftigten, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Es stehen fixe wie variable Kosten, Sachkosten ebenso wie Personalkosten auf dem Prüfstand", heißt es darin. Zudem könnten die einzelnen Bereiche selbst über ihre Ziele und entsprechende Maßnahmen entscheiden. "Ein Vorgehen mit dem Rasenmäher macht hier keinen Sinn und wird deshalb von uns auch nicht verfolgt", verspricht Porth.
Mitarbeiter, deren Aufgaben wegfielen, sollen dafür andere bekommen, sagte Betriebsratschef Brecht. Dabei müsse man auch darüber reden, welche ausgelagerten Tätigkeiten man zurück ins Unternehmen holen könne. "Wenn wir über Optimierung reden, heißt das nicht, dass nur bei uns alles auf den Prüfstand kommt, sondern dass auch geschaut wird, was man nach draußen vergeben hat", sagte Brecht. "Da läuft ja vieles unrund und ist nicht unbedingt billiger oder flexibler."
Dass es am Ende in manchen Bereichen auch weniger Stellen gebe, sei trotzdem klar, sagte Brecht. Das lasse sich aber durch gewöhnliche Fluktuation auffangen, etwa auch durch Altersteilzeit. Die Vereinbarung gilt zunächst bis Ende 2021 für rund 60.000 Beschäftigte in den sogenannten indirekten Bereichen, also in der Verwaltung, der Entwicklung oder der Logistik.