Rund zwei Drittel aller Kombis weltweit werden in Europa verkauft. Deutschland und Großbritannien sind Spitzenreiter dieser Karosserieform, die sich noch immer hartnäckig gegen die SUV-Flut stemmt. SUV sind das vielbeschworene beliebteste "Segment" – angeblich. Nun ist SUV aber kein Segment wie Kleinwagen, Kompaktklasse oder Obere Mittelklasse, die eben je nach Größe differenziert werden. Das Mini-E-SUV Dacia Spring wird unter "Kleinstwagen" geführt, der Ford Puma wurde bei den Kleinwagen einsortiert und ein Subaru Outback läuft unter Obere Mittelklasse, was er zweifelsohne ist, aber eben doch ein SUV oder vielleicht sogar ein Kombi. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) macht keine erkennbare Differenzierung zwischen den Klassen "SUV" und "Geländewagen" und den darin enthaltenen Fahrzeuggrößen. Einer geht noch: Ein Ford Mustang Mach-E läuft beim KBA als SUV und ein Renault Espace als Großraum-Van – das war er einmal. Fakt ist, das nicht vorhandene Segment der Kombis ist in Deutschland nach wie vor wohl das beliebteste.
Kombianteil oft bei 75 Prozent
Beim aktuellen Opel Astra werden derzeit nur gut 60 Prozent als Kombi (Sports Tourer) verkauft, Seat und Cupra werden rund 75 Prozent der Leon-Modelle mit größeren Kofferraum (Sportstourer) los und Skoda hat beim Skoda Octavia Combi und Skoda Superb Combi jeweils rund 90 Prozent Kombianteil – in Deutschland. Und auch BMW Touring, Audi Avant und Mercedes T-Modell bewegen sich irgendwo in dieser Bandbreite und sind als Limousine weniger gefragt. Beim VW Passat (Variant) wird demnächst übrigens der 100-Prozent-Kombianteil eingeläutet. Den neuen Passat gibt es ausschließlich als Variant, wie der Kombi traditionell bei VW hieß.
VW ID.7 Tourer
BildergalerieID.7 Tourer: Elektro-Kombi Nummer 5
Der neueste Kombi im "E-Segment" hört nun auf den Namen VW ID.7 Tourer. Tourer bezeichnet hier den Variant, das sei international eingängiger, meint VW. In jedem Fall bereichert der ID.7 Tourer das bislang kaum vorhandene Angebot der Elektro-Kombis. MG war im Frühjahr 2022 mit dem MG5 der erste. Das Ergebnis überzeugt jedoch nicht jeden, gerade für den offiziellen Fuhrparkeinsatz fehlen Detail wie Verzurrösen im Kofferraum und eine gute Ladeleistung am Schnelllader – immerhin gibt es Händlerstandorte – bei chinesischen Anbietern keine Selbstverständlichkeit.
Als zweiter Kombi bereicherte Nio mit dem ET5 Tourer (aha, da kam bereits der Tourer ins Spiel) die Kunden. Allerdings ist er eher ein als Kombi getarntes Mittelklassemodell. Interessant, dass die ersten beiden Kombis von chinesischen Marken kamen, der Kombi in China aber gar keine Rolle spielt. Die Ladetalente (in Bezug auf den Kofferraum) des Nio ET5 Tourer sind nicht vorhanden, hübsch anzusehen ist er zweifelsohne. Als dritter im Bunde kam der Opel Astra Sports Tourer Electric und fast zeitgleich der Peugeot E-308 SW – technisch sind es eh Zwillinge. Nun ist der VW ID.7 Tourer also Kombi Nummer 5. Und bislang der größte E-Kombi – bis in ein paar Tagen der BMW i5 Touring startet und mit deutlich über fünf Metern den Rahmen seines Segments sprengt wie es der VW ID.7 Tourer in der Mittelklasse tut, er kratzt an der 5-Meter-Marke.
Maße des VW ID.7 Tourer
Von außen sieht der ID.7 Tourer bereits massig aus – auch wenn er im Bestfall (also mit Minimalausstattung) einen guten cw-Wert von 0,24 erreichen kann. Auch in der Seitenansicht fällt auf, dass der Wagen hoch baut – kein Wunder, müssen Batterien mit bis zu 86 kWh in den Sandwichboden und die nehmen Platz in Anspruch.
Mit "Hütchenspielertricks" versucht VW die Höhe von 1.54 Metern (vier Zentimeter höher als der neue Passat Variant) zu kaschieren. Dafür wird der Schwellerbereich einfach hochglanzschwarz eingefärbt, das soll die Silhouette drücken. Und die Standhöhe könnte auf ein Schlechtwegefahrwerk hindeuten. Elegant sieht anders aus. Das Heck erinnert einige an Peugeot. Die dreidimensionale Gestaltung der Rückleuchten dürfte daran "Schuld" sein. Ansonsten ist das Design des VW ID7. Tourer weder ein Er- noch Aufreger.
Nio ET5 Touring
BildergalerieVW ID.7 Tourer mit kleinem Kofferraum
Etwas ernüchternd ist bei den Abmessungen das Platzangebot. Nicht das der Passagiere, das ist über jeden Zweifel erhaben. Man könnte sogar von zu viel sprechen. Jedoch ist der Kofferraum mit gut 540 Litern nur minimal größer als bei der ID.7 Limousine (532 Liter) und damit deutlich kleiner als der eines VW Passat Variant (690 Liter). Auch das maximale Ladevolumen enttäuscht mit 1.714 Litern, immerhin jedoch 130 Liter mehr als das der Limousine aber noch immer 200 weniger als das des Passat Variant. Dass ein BMW i5 Touring trotz nochmaligem Wachstum um zehn Zentimeter nur 570 Liter bietet, muss an der Stelle auch erwähnt werden, doch BMW war und ist kein Lademeister, was VW stets sein wollte. Die Zeiten ändern sich also auch hier.
Funktional ist das Gepäckfach jedoch. Quadratisch, gut beladbar, mit Trennelementen zu haben sowie niedriger Ladekante und einer Heckklappe, die auf gut 190 Zentimeter aufschwingt. Wer kurz am dicken Griff zieht, animiert die Heckklappenautomatik zum Schließen – einen Knopf gibt es selbstverständlich auch und wer lange genug übt, schafft es sogar mittels Beinbewegung. Die Ladefläche ist mit 1,95 Metern sehr lang, nicht jedoch eben. Nach dem Umklappen der Rücksitzlehnen entsteht eine deutliche Rampe. Die Sichtschutz-Jalousie öffnet und schließt nur manuell, im Unterboden gibt es ein Staufach fürs Ladekabel, doof nur, wenn Gepäck darüber platziert wurde. Der Kofferraum ist mit kräftigem Teppich ausgeschlagen und zwei Lampen spenden Licht.
Panoramadach bringt Extraplatz
Wer hinten niemanden sitzen hat, kann die Rückenlehne in die Cargostellung bringen. Dann schaffen es noch ein paar Liter mehr in den Kofferraum (Passat-Niveau), nur sitzen will dann hinten niemand mehr. Dabei sind die Plätze drei und vier eigentlich bequem, wenngleich die froschige Sitzhaltung aufgrund des Akkupacks ausgeprägt ist. Nach oben gibt es genug Luft und wer das optional erhältliche Panoramadach wählt, bekommt sogar vier Zentimeter mehr Kopffreiheit. Das Panoramadach besitzt, wie in der ID.7 Limousine das „Smart Glas“. Dabei handelt es sich um eine nette Spielerei, die das Glas mittels elektro-chromatischer Spannung auf Knopfdruck entweder fast durchsichtig oder komplett milchig schaltet.
In der Limousine ist das Panoramadach nur im Paket mit IQ-Light, DCC (Adaptivfahrwerk) und abgedunkelten Scheiben zu haben. Macht mächtige 4.585 Euro (brutto) extra. Zurück zum Platzangebot: Zu fünft geht auch mal kurz, aber nicht auf Langstrecken. Vorn gibt es zwei echte Premiumsessel. Und dabei muss es nicht einmal das Ergo-Active-Gestühl sein, das sich noch vielfältiger auf die eigene Figur einlässt. Die Sitzposition hinter dem Lenkrad ist nahezu perfekt.
Opel Astra Sports Tourer Electric
BildergalerieChatGPT fährt mit
Richtig justiert lässt sich somit das Cockpit gut bedienen. IDA, ChatGPT und MIB4 heißen die angeblich intelligenten Helfersysteme, wenn man sich im Menü-Dschungel mal verlaufen hat, was recht häufig vorkommen wird. Manche Sprachanfragen werden von der KI umgesetzt, andere bleiben im Verborgenen. Verlassen kann man sich also nicht darauf – überzeugend ist auch die vierte Ausbaustufe des Infotainmentsysteme (daher MIB4) nicht. Immerhin lässt sich das neue Infotainment vielfach individualisieren, mit Schnellwahlfeldern belegen und könnte somit den eigenen Präferenzen nahekommen.
Was fehlt, ist jedoch ein "Nachtschalter", der alle Instrumente, die nicht benötigt werden, "schwarz schaltet", Musik, Navigation und andere Dinge im Hintergrund aber weiterlaufen lässt und beispielsweise im sehr guten Head-Up-Display anzeigt. Es gibt Zeitgenossen, die nerven die riesigen Digitaldisplays bei Nachtfahrten.
Die Materialien des ID.7 sind klassen- und preisüblich. Der VW-Trend des hinterleuchteten Armaturenbretts erschließt sich indes nicht jedem und sieht eher wie ein Gag aus. Ein feiner Stoffbezug ist in jedem Fall weniger schmutzanfällig und wird oft als hochwertiger empfunden.
ID.7 Tourer mit zwei Akkugrößen
Antriebsseitig hat sich im Vergleich zur Limousine nichts getan. Aufgrund der schlechteren Aerodynamik kommt der Kombi ein paar Kilometer weniger weit. Bis zu 687 Kilometer gibt VW an, die Limousine schafft bis zu 774 Kilometer – alles rein theoretisch. Geladen wird an der AC-Wallbox weiterhin ausschließlich mit 11 kW. Hier wäre eine 22-kW-Option gerade für Vielfahrer Gold wert. Eine Vorkonditionierung des Akkus bei Nutzung der internen Navigation ist Usus.
Zum Marktstart des ID.7 Tourer gibt es zwei Akkugrößen, die erstaunlich nah beieinander liegen. 86 kWh Speicherkapazität (netto) besitzt der große Akku und lädt in der Spitze mit bis zu 200 kW. 77 kWh lautet die Angabe beim „kleinen“, der schafft maximal 175 kW Ladeleistung. Der Reichweitenunterschied wird in der Realität also eher bei 50 Kilometern liegen.
286 PS und GTX-Version kommt noch
APP550 lautet die interne Bezeichnung des Elektromotors, interessiert niemanden außerhalb des Konzerns, eher schon die Leistungsdaten: 286 PS und 545 Newtonmeter. Angetrieben wird die Hinterachse – erstmal. Eine GTX-Variante steht in den Startlöchern. Die 286 PS befähigen den 2,2 Tonnen schweren Tourer in 6,5 Sekunden landstraßenflott zu sein, bei Tempo 180 ist Schluss. Dass bei solchen Eskapaden der angepeilte Normverbrauch von sparsamen 14,1 kWh auf 100 Kilometer verfehlt wird, ist vorprogrammiert.
Die Limousine kostet mit 77-kWh-Akku und 286 PS derzeit ab 57.000 Euro brutto. Wir tippen beim ID.7 Tourer auf 59.000 Euro. Mit dabei sind stets Navi, Rückfahrkamera und andere Annehmlichkeiten. Warum VW indes in Mitteleuropa nicht serienmäßig die Wärmepumpe einbaut, bleibt ein Geheimnis. Knapp 1.000 Euro extra verlangen die Niedersachsen für dieses bei kühlen Temperaturen nicht unwichtige Detail.
Reinhard Berger