Ex-VW-Vorstandschef Martin Winterkorn hat bei seiner Vernehmung zur Dieselaffäre angegeben, rückblickend wohl anders zu handeln. "Aus heutiger Sicht hätte ich vertieft nachfragen sollen. Das habe ich nicht getan", sagte der 76-Jährige am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Dort ist Winterkorn als Zeuge im Zivilprozess zu den Abgasmanipulationen beim Wolfsburger Autobauer geladen.
Tags zuvor hatte der frühere Topmanager bereits jede Verantwortung für Schummelsoftware von sich gewiesen. "Wäre mir ein vollständiges Bild von den internen Vorgängen in den verantwortlichen Fachabteilungen vermittelt worden, hätte ich nicht gezögert, die Vorgänge direkt anzugehen und aufzuklären", hatte Winterkorn in einem Eingangsstatement gesagt. Diese Botschaft wiederholte er am zweiten Tag, als es um konkrete Treffen, Schriftwechsel und Gespräche in den Monaten vor dem Auffliegen des Skandals ging.
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Es habe Berichte über Probleme in den USA gegeben, sagte Winterkorn. Auf seine Nachfragen hin sei ihm aber vermittelt worden, "es gibt zwar noch Diskussionen mit den Behörden, aber wir kriegen das hin". Auch ein Beispiel für aus seiner Sicht ungenügende Informationen nannte Winterkorn. So sei er noch kurz vor Bekanntwerden der Manipulation in Florida mit vielen hochrangigen Kollegen betroffene Autos Probe gefahren. "Das hat mich im persönlich geärgert, weil in Tampa keiner was gesagt hat", berichtete Winterkorn in seinem Rückblick. Niemand habe ihn vor Ort über die noch fehlende Zulassung informiert.
Konzern kämpfte gleichzeitig mit mehreren Problemen
Vor Gericht unterstrich der frühere Konzernchef außerdem, dass der Vorstand bei VW auch im Sommer 2015 mit mehreren Problemen weltweit konfrontiert gewesen sei. Noch kurz vor der Veröffentlichung beschäftigte ihn demnach unter anderem ein möglicher Rückruf eines Porsche-Modells und wegen schwerer Probleme mit Hinterachsen reiste er zur chinesischen Regierung nach Peking. Die Botschaft dahinter: Der US-Markt war wichtig, aber in den Sommermonaten 2015 eben nur ein Schauplatz von vielen für einen Weltkonzern.
In dem Prozess nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) wird seit 2018 über möglichen Schadenersatz für Investoren verhandelt, die nach dem Auffliegen des Skandals Kursverluste erlitten hatten. Derzeit geht es rund 4,4 Milliarden Euro. Winterkorn ist nach Herbert Diess und Matthias Müller der dritte frühere VW-Chef, der zur Sache vernommen wird. Sollte die Vernehmung Winterkorns andauern, sind weitere Termine für Ende Februar geblockt.
Jürgen Sangl