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Brüssel will Verkehrschaos bändigen: Tempo 30 und weniger Diesel

12.02.2020 08:30 Uhr
Tempo-30-Zone
Brüssel will mit einigen Maßnahmen, zum Beispiel mit Tempo 30 als Standard, das Verkehrschaos bändigen.
© Foto: picture alliance/blickwinkel/McPhotos

Wie in vielen anderen Großstädten gibt es auch im belgischen Brüssel viele Staus und Verkehrschaos. Nun soll gegengesteuert werden. Dabei geht die Stadt teilweise deutlich strikter vor als deutsche Metropolen. Doch rund läuft längst nicht alles.

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Auf der Hauptstraße Stau, nur zäh geht es voran, dann doch lieber die engen Nebenstraßen versuchen. Bremsen, Fußgänger über die Straße lassen, wieder Gas geben, hupen. Von rechts kommt ein Bus. Vorsicht! Fast die Fahrradfahrerin übersehen. Straßenverkehr in Brüssel ist für alle Verkehrsteilnehmer Stress pur.

"Die Verkehrssicherheitszahlen sind nicht gut für Brüssel", sagt der Verkehrsexperte Benoit Godart vom Institut VIAS. Während die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen zehn Jahren stagniere, gebe es deutlich mehr Unfälle mit Radfahrern und Fußgängern. "Es wird in den nächsten Jahren in Brüssel darum gehen, Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen", sagt er.

Doch nicht nur die Sicherheit ist ein Problem: Brüssel ist eine der Stau-Hauptstädte in Europa. 195 Stunden verbrachte ein durchschnittlicher Pendler 2018 in der Stadt im Stau, wie der Verkehrsdatenanbieter Inrix berechnet hat. In Berlin waren es im selben Zeitraum 154 Stunden, in München 140. Wie viele andere Städte kämpft Brüssel zudem mit hoher Luftverschmutzung. Die Stadt will gegen diese Probleme ankämpfen.

Tempo 30 als Standard

Tempo 30: Während in Deutschland immer mal wieder über die Ausweitung von Tempo-30-Zonen diskutiert wird, soll ab 2021 auf fast allen Straßen der EU-Metropole diese Geschwindigkeit als Standard gelten. Nur große Verkehrsadern sind ausgeschlossen. Schon jetzt gilt die Beschränkung für rund 60 Prozent der Straßen. Ruhigere Wohngegenden, eine Förderung von Rad- und Fußverkehr sowie weniger Unfälle erhofft man sich von dem Plan, sagt eine Sprecherin der Verkehrsbehörde.

Das ist Teil eines neuen Verkehrsplans. Auch der öffentliche Nahverkehr und Mobilitätsangebote wie E-Scooter für kurze Wege sollen unterstützt werden. "25 Prozent der Fahrten in Brüssel sind weniger als einen Kilometer lang", sagt die Sprecherin.

Verkehrsexperte Godart glaubt, dass die Maßnahmen auch zu weniger Staus führen könnten. Er warnt aber: Ohne einen entsprechenden Ausbau der Infrastruktur würden sich kaum Autofahrer an die Tempo-Begrenzungen halten oder auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. Das werde alles Jahre dauern, aber der Plan gehe in die richtige Richtung, sagt er. Fortschritte gibt es: Der öffentliche Nahverkehr boomt. 2019 zählte die Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft Stib 434 Millionen Fahrten mit ihren Bussen, Straßen- und U-Bahnen - ein neuer Rekord.

Große Skepsis

Spricht man mit Fahrern von Taxiunternehmen oder Fahrtenvermittlern ist die Skepsis jedoch groß. Sie fürchten noch mehr Staus und Luftverschmutzung. Auch die Nahverkehrsgesellschaft wünscht sich auf bestimmten Strecken Ausnahmen von der Tempobegrenzung.

Diesel in der Stadt: Dieselfahrverbote sind in der Bundesrepublik ein Zankapfel - auch in Belgien ist das Thema umstritten. In vielen deutschen Städten gibt es Umweltzonen in verschiedenen Größen, in denen sehr alte Diesel nicht erlaubt sind. Vereinzelt gibt es Streckenabschnitte, die für Fahrzeuge bis einschließlich Abgasnorm Euro 5 gesperrt sind. Eine ähnliche Zone gibt es nun auch in Brüssel, sie deckt allerdings fast das gesamte Stadtgebiet ab. Die Anforderungen sollen immer strenger werden. Seit Beginn dieses Jahres dürfen keine Dieselwagen mit Abgasnorm 3 mehr in die Stadt, ab 2025 nur noch solche mit der Norm 6. Eine Regelung, die unter anderem die Polizei vor Probleme stellt. Sie muss einem Medienbericht zufolge nun alte Autos austauschen - oder in anderen Regionen einsetzen.

Die Dienstwagenflut: Belgien gilt als Land der Dienstwagen. Schätzungen zufolge sollen es mehr als 20 Prozent aller Autos sein. Und es werden mehr: 2019 war nach Angaben des belgischen Automobilverbandes Febiac ein Rekordjahr. Über 315.000 Fahrzeuge wurden von Unternehmen und Selbstständigen gekauft oder geleast. Auch diese Masse soll zum zähen Verkehr in Brüssel beitragen.

Vorstoß für weniger Dienstwagen gescheitert

Ein Versuch der Regierung, die Zahl der Dienstwagen zu reduzieren, scheiterte. Das "Cash for Car"-Programm, ein Tausch des Dienstwagens gegen eine steuerbefreite Zulage zu den Sozialversicherungsbeiträgen, wurde fast von niemandem in Anspruch genommen. Mitte Januar wurde das entsprechende Gesetz sogar vom Verfassungsgericht annulliert.

Godart glaubte nach eigener Aussage ohnehin nicht, dass die Maßnahme eine "Wunderlösung" war. "Wenn morgen alle Firmenwagen weg sind, heißt das nicht, dass viele Autofahrer dann nicht einfach ein anderes Auto kaufen", sagt er. Es sei ein Paket von Maßnahmen notwendig. "Es gibt viele Lösungen, und eine einzige wird niemals alle Stauprobleme lösen." (dpa)

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