Bei der Zukunft des Autos nur auf Elektromobilität setzen? Wendelin Wiedeking macht eine kurze Pause und poltert dann drauf los: "Die Einschränkung auf eine Technologie ist der größte Fehler", sagte der Ex-Porsche-Chef. Die Politik solle den Umweltrahmen vorgeben, aber nicht die Technik. Die Zukunft entstehe, wenn man offen sei für neue Ideen, so der promovierte Maschinenbauingenieur, der seit seinem Abgang bei dem in Stuttgart ansässigen Autobauer als Unternehmer tätig ist und am 28. August 70 Jahre alt wird.
Die Bilder von einem lachenden Wiedeking mit dicker Zigarre oder im flotten Sportwagen sitzend sind längst Geschichte, seit er den Sportwagenbauer in einer Juli-Nacht 2009, nach einem spektakulären, aber verlorenen Machtkampf verlassen musste. An seinen damaligen Gegenspieler, dem einstigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch lässt er bis heute kein gutes Haar. Dieser habe einfach die Macht behalten wollen. "Er hatte Angst, dass Wolfgang Porsche und ich ihm die Macht streitig machen könnten", sagt der gebürtige Westfale. Piëch stellte sich als VW-Aufsichtsratschef zeitweise gegen Wiedekings Übernahmepläne von Volkswagen durch Porsche.
Wiedeking war Anfang der 1990er Jahre zu Porsche zurückgekehrt und übernahm im September 1992 zunächst den Posten des Vorstandssprechers. Knapp ein Jahr später erhielt er dann den Titel Vorstandsvorsitzender. Er hatte den Autobauer in einer schweren Krise vorgefunden. Wiedeking baute Stellen ab, brachte die Produktion auf Vordermann. Er ging selbst ins Risiko und haftete persönlich für einen 200-Millionen-Mark-Kredit. Porsche kam wieder auf die Beine und wurde zum profitabelsten Autobauer der Welt. "Ich habe die Familien Porsche und Piëch zu Milliardären gemacht", sagt er heute.
Staatsanwaltschaft ermittelte
Die Familien unterstützten auch die geplante Übernahme von Volkswagen, Europas größten Autobauer durch das viel kleinere Unternehmen. Doch das Vorhaben ging schief. Der Schuldenberg von Porsche wuchs und die VW-Aktie stieg in jenen Tagen im Jahr 2008 in bislang unbekannte Höhen. Die Wolfsburger waren zeitweise das teuerste Unternehmen der Welt. In diesem Zusammenhang ermittelte dann die Staatsanwaltschaft gegen den Vorstandschef wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Das Verfahren zog sich jahrelang hin. Am Ende kam ein lupenreiner Freispruch heraus. An den Vorwürfen sei absolut gar nichts dran, urteilte das Landgericht Stuttgart im Jahr 2016. Heute auf das Thema angesprochen, wird spürbar, dass ihm und seiner Familie das Verfahren schwer zusetzte: "Die Staatsanwaltschaft wollte unbedingt eine Verurteilung statt rechtzeitig zu erkennen, dass die Vorwürfe haltlos sind. Auch für Unternehmenschefs gilt der Grundsatz "In dubio pro reo". Sie sind kein Objekt für eine öffentliche Jagd."
Im Geschäftsjahr 2007/08 hatte Wiedeking bei Porsche knapp über 100 Millionen Euro verdient. Ein Rekordsalär. Das hing damit zusammen, dass er einst eine Gewinnbeteiligung mit ausgehandelt hatte. Er haftete schließlich für den Kredit, der nötig war, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Nach seinem Abgang in Stuttgart blieb er in Bietigheim-Bissingen wohnen. Er kehrte aber nie mehr auf den Chefsessel eines Unternehmens zurück. "Ich wollte nicht wieder abhängig von Aktionären werden. Ich wollte mein eigener Herr sein und über die eigenen Dinge entscheiden."
"Porsche war eine tolle Zeit, aber es gibt auch ein Leben danach." Auch während der Zeit als angestellter Manager sei er unternehmerisch tätig gewesen. Das macht er heute immer noch. Er habe sein Geld unter anderem in Immobilen, Gewerbeparks, eine Pizzakette mit fünf Standorten, einen Schuhhersteller, ein Online-Reisebüro für Kreuzfahrten und auch in das ein oder andere Start-up investiert. Bei der Frage, in wieviele Firmen er investiert hat, muss der Vater von zwei Kindern kurz nachdenken: "Es sind schon gut zwei Dutzend Firmen." Und: "Manchmal mache ich auch zuviel." Sein Sohn ist inzwischen Geschäftsführer der Familien-Holding. Wiedeking kümmert sich auch um seine drei Stiftungen. Das Stiftungsvermögen beträgt 45 Millionen Euro und wird nach seinen Worten vor allem in Projekte für Kinder und Jugendliche investiert.
Wiedeking als Porsche-Chef
Während seiner Zeit als Porsche-Chef hatte er immer wieder gern kontroverse Meinungen vertreten. So wetterte er gegen Subventionen oder Quartalsberichte. Der westfälische Querkopf forderte von der Politik mehr Engagement für die Wirtschaft. "Die Politik hat in der Vergangenheit und auch noch heute mitunter zu wenig Interesse an den Handlungszwängen der Unternehmen gezeigt." Lobende Worte findet er für Wirtschafsminister Robert Habeck (Grüne). Er sei sehr mutig und schaue nach vorne. Als Beispiele nannte er die Neuordnung der deutschen Gaslieferbeziehungen oder sein frühes Eintreten für Waffenlieferungen an die Ukraine.
Und auch die aktuellen Geschehnisse bei Volkswagen und Porsche beobachtet Wiedeking immer noch. Volkswagen müsse kräftig an seiner Zukunft arbeiten, da gebe es gerade in Wolfsburg noch viele Baustellen. "VW wird noch viel Druck von anderen Wettbewerbern aus Europa und Asien bekommen. Da wird noch viel Arbeit notwendig werden, um wettbewerbsfähiger zu werden."
Zu Porsche-Chef Oliver Blume, der auch die VW-Spitze übernimmt, meinte er: "Ich beneide Blume nicht, wenn er VW und Porsche gleichzeitig leitet." Blume sei teamfähig, höre zu und bewege etwas im Unternehmen.
Dieter Lettner