Von Günter Weigel/SP-X
Wenn Autos autonom fahren, passieren weniger Unfälle. Soweit die Theorie. Bis es jedoch soweit ist, treffen Autos mit Assistenzsystem auf welche ohne und das hat auch Folgen für die Autoversicherung. Darüber sprachen wir mit Allianz-Chef Joachim Müller.
Welche Auswirkungen von teil- und vollautonomem Fahren erwarten Sie mittel- und langfristig auf den Versicherungsmarkt?
Müller: Ich erwarte, dass durch die immer stärkere Durchdringung der Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und die zunehmende Automation die Häufigkeit von Schäden rückläufig sein wird. Diese Entwicklung wird sich aber nach unseren Modellrechnungen über viele Jahre hinziehen. Im Gegensatz zur Elektronik, wie zum Beispiel bei Handys, dauert es bei Fahrzeugen sehr lange, bis sich der Bestand erneuert. Deshalb durchdringen neue Technologien den Verkehr nur schrittweise. Ich gehe sogar davon aus, dass unser Aufwand für die Schäden tendenziell steigen wird. Sensoren, wie zum Beispiel Radarsensoren oder Kamerasysteme, werden die Reparaturen in Einzelfällen deutlich teurer machen. Kurz- und mittelfristig ist denkbar, dass die erhöhten Schadendurchschnitte die sinkenden Schadenhäufigkeiten überkompensieren, so dass die Schadenaufwände insgesamt durchaus steigen könnten. Mittelfristig gehe ich aber davon aus, dass die Kfz-Versicherung für unsere Kunden vielfach günstiger werden wird.
Einzelne Fahrzeuge bieten ja bereits teilautonome Modi an, fließt das in die Tarifberechnung mit ein?
Müller: Die technische Ausstattung der Fahrzeuge wird bereits heute schon durch die Typklasse in der Kfz-Versicherung abgebildet. Verursacht ein Fahrzeug durch die verbaute Sicherheitstechnik weniger Unfälle oder kann die Schwere der Schäden mindern, führt das zu einer günstigeren Typklasseneinstufung.
Könnten vollautonome Fahrzeuge das Ende des Systems Schadenfreiheitsrabatt bedeuten?
Müller: Verändern werden sich zunehmend die Kriterien, nach denen wir den vom Kunden zu zahlenden Versicherungsbeitrag bestimmen. Hier kommt heute dem subjektiven Risiko des jeweiligen Fahrers und dessen mutmaßlichem Fahrverhalten eine große Bedeutung zu. Ich halte es für denkbar, dass der Schadenfreiheitsrabatt als derzeit maßgebliches Kriterium für die Höhe der Versicherungsbeiträge in 20 Jahren keine entscheidende Bedeutung mehr haben wird, vielleicht sogar ganz verschwindet. Wenn individuelle Fahrfehler des Einzelnen in der Zukunft schrittweise an Bedeutung verlieren, ist die sinkende Bedeutung des Schadenfreiheitsrabatts die logische Konsequenz. Die Qualität der Fahrassistenzsysteme wird künftig das entscheidende Kriterium für Anzahl und Höhe von Verkehrsunfällen sein.