Die niedersächsische Staatskanzlei könnte nach Informationen des "Spiegel" früher als bisher angenommen von den später gescheiterten Plänen Porsches zur Übernahme von VW gewusst haben. Der damalige Chef der Wirtschaftsabteilung der Staatskanzlei, Mathias Middelberg, habe Ministerpräsident Christian Wulff im Februar 2008 mitgeteilt, dass Porsche die Übernahme von bis zu 80 Prozent der VW-Anteile anstrebe, berichtet das Magazin.
"Mittelfristiges Ziel von Porsche ist der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags", für den Porsche "in der Regel 75 Prozent, hier gegebenenfalls 80 Prozent" der VW-Stammaktien benötigte, zitiert der "Spiegel" aus dem Vermerk Middelbergs. Dies würde "Porsche den unmittelbaren Zugriff auf das untergeordnete Unternehmen VW einräumen". Der niedersächsische Regierungssprecher Franz Reiner Enste sagte am Sonntag auf Anfrage, die Staatskanzlei könne und dürfe dazu aufgrund der laufenden juristischen Verfahren keine Stellungnahme abgeben. Middelberg, der heute für die CDU im Bundestag sitzt, war am Sonntag zunächst nicht zu erreichen.
Der Vermerk könnte vor dem Hintergrund der Schadenersatzforderungen von Anlegern in Zusammenhang mit den Übernahmeplänen von Porsche eine Rolle spielen. Denn demnach hatte Wulff womöglich früh Hinweise auf die Pläne, ohne den VW-Aufsichtsrat oder die Öffentlichkeit zu informieren.
Porsche hatte bis Ende Oktober 2008 stets abgestritten, einen Aktienanteil von 75 Prozent bei VW anzustreben. Viele Anleger hatten auf sinkende VW-Kurse gesetzt und Milliarden verloren, als Porsche dann erklärte, der Sportwagenbauer strebe doch 75 Prozent bei VW an, und der Kurs kurzfristig bis auf über 1.000 Euro stieg. Laut "Spiegel" hätte Wulff nach Ansicht von Kapitalmarktexperten nach dem Vermerk seines Mitarbeiters den VW-Aufsichtsrat über diese Information unterrichten müssen.
Middelberg hatte den Schadenersatzforderungen Anfang Januar wenig Chancen eingeräumt. "Wir wussten nicht definitiv, dass Porsche VW übernehmen wollte", sagte er damals. Dass Wulff pflichtwidrig Informationen zurückgehalten habe, halte er für ausgeschlossen. (dpa)
Jens Ziller