Der Opel-Betriebsrat fürchtet herbe Einschnitte im Stammwerk Rüsselsheim. Um die Kosten zu drücken, will das Unternehmen den Astra künftig komplett im Ausland bauen. Bislang wird das absatzstärkste Modell des defizitären Herstellers auch in Rüsselsheim gefertigt. Die Arbeitnehmervertreter warnen vor einer "verheerenden Fehlentscheidung", die Adam Opel AG sieht in der angedachten Verlagerung der Astra-Fertigung ins günstigere Ausland einen wichtigen Schritt raus aus der Verlustzone.
Der Betriebsrat bemüht sich vorerst um eine Lösung am Verhandlungstisch. "Die Arbeitnehmerseite hat vorgeschlagen, die Investitionen für Produktion der nächsten Astra-Generation zu übernehmen, wenn sie nach Rüsselsheim kommt", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Gewerkschaftskreisen. Um die vom Management geplante Verlagerung der Rüsselsheimer Astra-Fertigung von 2015 an nach Ellesmere Port in England und Gleiwitz (Gliwice) in Polen zu verhindern, würden die Beschäftigten auf Lohnbestandteile in Höhe von etwa 35 Millionen Euro verzichten. Zudem könne die Effizienz erhöht werden, um die nötigen Investitionen "gegenzufinanzieren".
Die Adam Opel AG bestätigte aktuelle Verhandlungen mit den Arbeitnehmern über Produktionsstandorte für die nächste Generation des Astra. Geplant seien Investitionen von mehr als 300 Millionen Euro und die Umstellung auf Dreischichtbetrieb. "Die bevorstehende Entscheidung zum Astra ist Teil eines umfassenden Plans, das Geschäft von Opel/Vauxhall in Europa profitabel und nachhaltig in die Zukunft zu führen", teilte das Unternehmen mit. Vor allem in Polen ist die Fertigung günstiger als in Rüsselsheim. Hier sollen 2012 knapp 70.000 Opel Astra vom Band laufen sowie etwa 150.000 Insignia.
Laut Opel ist das Werk in Hessen nicht in Gefahr: "Rüsselsheim ist das einzige Insignia-Werk im europäischen Produktionsverbund und genießt damit ein Alleinstellungsmerkmal. Es ist einer unserer modernsten Standorte, von dem wir uns weitere Effizienzverbesserungen versprechen, um zusätzliche Investitionen zu tätigen." Erst nach Abschluss eines Informations- und Konsultationsprozesses mit den europäischen Arbeitnehmervertretern werde entschieden, in welchen Werken ab dem Jahr 2015 die nächste Generation des Astra hergestellt wird. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ/Montag) soll die Entscheidung Mitte Mai verkündet werden.
Unterauslastung bedroht Standort
Werden die Pläne umgesetzt, würde im Stammwerk nur noch die Mittelklasse-Limousine gefertigt. Das sei auf Dauer nicht tragbar, wird in Gewerkschaftskreisen gewarnt: "Wegen der Unterauslastung würde damit der modernste Standort extrem teuer und somit ins Aus getrieben." Denkbar sei aber auch, etwa den Zafira statt in Bochum in Rüsselsheim zu bauen - das Werk im Ruhrgebiet steht schon lange auf der Streichliste des Managements.
Der Kompaktwagen Astra ist neben dem Corsa mit einem Produktionsvolumen von jährlich rund 330.000 Einheiten das mit Abstand wichtigste Opel-Modell. Die Produktion in Rüsselsheim ist verhältnismäßig teuer für Opel. Die Beschäftigten würden übertariflich bezahlt, so die "FAZ". In England und Polen seien die Belegschaften billiger und flexibler.
Kosten in der Verwaltung senken
Die beiden GM-Töchter Chevrolet und Opel sollen zudem Kosten einsparen und dafür im Verwaltungsbereich zusammenarbeiten, heißt es in einem internen Brief an die Mitarbeiter beider Unternehmen, aus dem die "Allgemeine Zeitung Mainz" (Samstag) zitierte. Es gehe unter anderem um IT, Kundenbetreuung, Logistik, Buchhaltung, Controlling und Personalverwaltung. Opel beschäftigt dort in seiner Rüsselsheimer Zentrale rund 2.500 Mitarbeiter. GM hatte im Europageschäft im ersten Quartal 2012 einen operativen Verlust von umgerechnet 195 Millionen Euro verkraften müssen, unter anderem wegen der rückläufigen Verkäufe bei Opel. (dpa)
Dominik Winter
Andreas Reiners
Michael Kühn
K. Wempe
Michael Kühn