Die Stimmung in der EU? Düster. In der für die EU-Handelspolitik zuständigen Europäischen Kommission glaubt nach Trumps Zollentscheidungen gegen Mexiko, Kanada und China kaum noch jemand, dass die EU ungeschoren davonkommt. Zumal Trump am Wochenende zum Thema Zölle sagte: "Das wird definitiv für die Europäische Union passieren." In Brüssel wird daher aktuell alles getan, um die bestmögliche Strategie im Umgang mit Trump und seinen Plänen zu finden. Ein Überblick zur Lage:
Wann könnten die Zölle kommen?
Ursprünglich war die Hoffnung in der EU, dass man bis Ende März für Verhandlungen Zeit haben könnte, weil erst dann eine von Trump beauftragte Untersuchung zu den US-Handelsbeziehungen abgeschlossen sein soll. Die jüngsten Entwicklungen deuten aber darauf hin, dass es schneller gehen dürfte. Trump sagte zuletzt zum Thema Zölle gegen die EU, es gebe keinen Zeitplan, aber es werde „ziemlich bald“ geschehen.
Ist die EU auf die Zölle vorbereitet?
Bei einem EU-Spitzentreffen in Brüssel wurde diese Frage am Montag bejaht. Von EU-Diplomaten heißt es, die Europäische Kommission habe bereits vor längerer Zeit mögliche Gegenmaßnahmen vorbereitet. In der ersten Amtszeit Trumps hatte die EU neue Abgaben auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Europa unter anderem mit Sonderzöllen auf Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Jeans gekontert. Wie stark die EU diesmal reagiert, soll von der konkreten Zollentscheidung Trumps abhängen. Für wahrscheinlich werden zusätzliche Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent gehalten.
Wie könnte es nach der Verhängung von Zöllen weitergehen?
In einem weniger schlimmen Szenario könnte Trump schnell davon überzeugt werden, die Zolle vorübergehend wieder auszusetzen - um dann mit Verhandlungen zu beginnen. So lief es zuletzt auch bei Mexiko und Kanada. Im Worst-Case-Szenario würde es zu einem langen Handelskrieg kommen - mit schweren Folgen für die Wirtschaft.
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BildergalerieWorüber könnte verhandelt werden?
Der SPD-Handelsexperte und Europaabgeordnete Bernd Lange sieht mehrere Ansatzpunkte. Um das von Trump kritisierte Warenhandelsdefizit zu senken, könnte die EU demnach etwa mehr Flüssigerdgas (LNG), Militärtechnik und Agrargüter aus den USA importieren. Zudem wäre es möglich, die Importzölle für US-Autos zu senken. Diese lägen mit zehn Prozent derzeit deutlich über dem US-Zollsatz in Höhe von 2,5 Prozent. Eine neue Vereinbarung zum Ausbau amerikanischer LNG-Exporte hat auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon ins Spiel gebracht.
Der frühere luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel, der heute Minister für Außenhandel und Außenpolitik ist, warb am Dienstag bei einem EU-Treffen in Warschau eindringlich für Verhandlungen und ein geeintes Auftreten der EU gegenüber Trump. Er habe als Premier jahrelang mit ihm zusammengearbeitet, sagte er. Seine Erfahrung sei: „Wenn man schwach ist, frisst er einen auf. Wenn man nicht verhandelt, erledigt er einen.“
Was stört Trump im Handel mit Europa so stark?
Trump will die USA als Produktionsstandort stärken und das Handelsdefizit mit Europa abbauen. Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als amerikanische Firmen in der EU.
Das betrifft vor allem Deutschland: Für die hiesigen Exporteure sind die USA nach Angaben des Statistischen Bundesamts so wichtig wie nie in den vergangenen 20 Jahren: Demnach wurden 2023 Güter im Wert von 157,9 Milliarden Euro in die USA exportiert, knapp zehn Prozent der deutschen Exporte.
Umgekehrt wurden 2023 Waren im Wert von 94,7 Milliarden aus den USA importiert. Die Folge war ein deutscher Rekord-Handelsüberschuss von rund 63 Milliarden Euro mit den USA, so die Statistiker. Mit keinem anderen Land habe Deutschland seit 2017 so hohe Exportüberschüsse wie mit den USA.
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Wie sieht Brüssel das Handelsdefizit der USA?
Die EU-Kommission relativiert die Zahlen. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič wies am Dienstag nach dem EU-Treffen in Warschau darauf hin, dass die EU zwar einen Überschuss von 154 Milliarden Euro im Warenhandel gegenüber den USA habe, die USA jedoch einen Überschuss von 104 Milliarden Euro im Dienstleistungshandel gegenüber der EU aufwiesen. „Das bedeutet, dass der gesamte Handelsüberschuss der EU gegenüber den USA nur etwa drei Prozent unseres gesamten Handelsvolumens von 1,5 Billionen Euro beträgt - also rund 50 Milliarden Euro“, sagte er. Von dieser „gesunden und robusten Handelsbeziehung“ zwischen der EU und den USA hingen fast 5 Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks ab.
Was würden Zölle für die Wirtschaft bedeuten?
Zölle würden die ohnehin angeschlagene Autoindustrie in Europa hart treffen, allen voran die deutsche. Für die hiesige Wirtschaft, die zwei Jahre in Folge geschrumpft ist und 2025 bestenfalls minimal wachsen dürfte, wären Zölle ein neuer Tiefschlag. „Für den Produktionsstandort Deutschland ist der Absatzmarkt USA sehr bedeutsam“, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Rund 400.000 Autos aus deutscher Fertigung gingen 2023 in die USA - fast ein Zehntel der Jahresproduktion. Damit sei Amerika wichtigster Exportmarkt für die Hersteller.
Zwar betreiben VW, BMW und Mercedes große Werke in den USA. Dennoch wird in großer Stückzahl aus Europa zugeliefert. Porsche bedient den US-Markt sogar komplett aus Europa. Das könnte sich durch neue Zölle ändern. Bei Porsche und Audi soll es dem „Handelsblatt“ zufolge Planspiele geben, auch in den USA zu fertigen. Und VW stoppte jüngst den geplanten Export seiner Elektro-Limousine ID.7 von Emden nach Nordamerika.
Die Zölle auf Mexiko und Kanada wurden verschoben: Ist der große Handelskrieg nun abgeblasen?
Das ist unklar. Trump hat sich im Gegenzug für das Verschieben der Zölle mehr Anstrengungen beim Schutz der Grenzen zu Kanada und Mexiko zusichern lassen. Die Zölle könnten nun einen Monat später in Kraft treten oder womöglich neu verhandelt werden. Dagegen sind zusätzliche US-Zölle auf chinesische Importe seit diesem Dienstag wirksam. Trump sagte, sie seien nur ein Auftakt. „Wenn wir keinen Deal mit China hinkriegen, dann werden die Zölle sehr, sehr substanziell sein.“
Wie schwer wären die Folgen?
Das Ifo-Institut sieht im Falle von Zöllen auf Mexiko, Kanada und China alle Seiten als Verlierer. Kanada müsse bei Gegenmaßnahmen auf US-Zölle mit einem Exportrückgang um 28 Prozent rechnen und Mexiko um 35 Prozent. China dagegen könne anders als die geografischen Nachbarn den Handel leichter von den USA umlenken, sagt Lisandra Flach, Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft. China sieht sie daher in den Modellrechnungen mit einem Exportrückgang von 3,8 Prozent am geringsten betroffen.
Ein großer Verlierer wären die USA: Ihre Exporte könnten im Falle von Gegenmaßnahmen um bis 22 Prozent sinken, schätzt das Ifo. Für Trump steht bei einem Handelskrieg also viel auf dem Spiel.