Von Christian Ebner und Andreas Hoenig, dpa
In Rüsselsheim geht wieder die Angst um. Trennt sich der US-Konzern General Motors (GM) nun doch vom Dauerverlustbringer Opel, lautet die bange Frage in der Industriestadt am Main, die wie sonst nur noch Wolfsburg allein am Auto hängt. Aus Paris hat am Dienstag die Nachricht überrascht, dass der Konkurrent und Kooperationspartner PSA Peugeot Citroën über eine Opel-Übernahme mit GM verhandelt.
Opel ist bereits seit 1929 fester Bestandteil des US-Konzerns und bildet mit der britischen Schwestermarke Vauxhall dessen Europa-Sparte, die im vergangenen Jahr 1,16 Millionen Autos verkauft hat. Zuletzt hatte es 2009 nach Scheidung ausgesehen, als GM in der Finanz- und Wirtschaftskrise selbst ins Schlingern geraten war und schließlich von der US-Regierung mit Milliarden-Spritzen gerettet werden musste. Opelaner, IG Metall und Politik hatten sich bereits so weit von der Konzernmutter entfremdet, dass sie eine Übernahme durch den Zulieferer Magna für die bessere Option hielten.
Doch die Amerikaner nahmen die Zügel in letzter Sekunde wieder selbst in die Hand, schlossen gegen scharfe Proteste die Werke in Antwerpen und Bochum, investierten an den anderen Standorten Milliardensummen. Unter anderem in das Entwicklungszentrum am Stammsitz Rüsselsheim, das mit seinen fast 8.000 Ingenieuren stets als technologieführend im Konzern gepriesen wurde.
Zum Sanierungsplan gehörte auch eine engere Zusammenarbeit mit PSA, mit denen man erst vier, dann noch drei Modelle gemeinsam bauen und entwickeln wollte. Die ersten Autos rollen gerade von den Bändern in den spanischen Städten Saragossa und Vigo sowie im französischen Sochaux. Allzu gedeihlich entwickelte sich die Partnerschaft aber wohl nicht, denn zum Jahreswechsel 2013/2014 stieg GM als PSA-Aktionär wieder aus. Die Synergien seien zudem nicht so hoch ausgefallen wie erwartet, war damals zu hören. Statt jährlich zwei Milliarden Dollar Einsparungen seien nur 1,2 Milliarden Dollar erreichbar.
Was beständig ausblieb, waren Gewinne. Seit 1999 hat Opel in Detroit keinen positiven Beitrag mehr abgeliefert. Auch 2016 verpasste Opel-Chef Karl Thomas Neumann die schwarze Null, machte den Brexit und das scharf abwertende britische Pfund für den nächsten Verlust von diesmal 241 Millionen Euro verantwortlich. Denkbar, dass die GM-Bosse trotz positiver Entwicklungen nicht mehr an das Europageschäft glauben.
Carlo Tavares als Antreiber
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht PSA-Chef Carlo Tavares als treibende Kraft hinter den Übernahmeplänen. Er habe bei Renault-Nissan eine erfolgreiche Fusion erlebt und wolle nun zusätzliche Skaleneffekte mit Opel/Vauxhall realisieren. PSA würde vor allem auf dem hart umkämpften Markt Europa an Größe gewinnen. Derzeit sind die Franzosen die Nummer drei – hinter dem VW-Konzern, der trotz Dieselskandal unangefochtener Branchenprimus in Europa ist. Nummer zwei ist, ganz knapp vor PSA, derzeit der französische Erzrivale Renault. Opel und Vauxhall folgen auf Rang sechs.
Allerdings wäre das Unternehmen auch nach einer Opel-Übernahme in den Wachstumsmärkten China und Südamerika viel zu schwach vertreten, warnt Dudenhöffer. "Die sitzen gemeinsam auf der kleiner werdenden Scholle Europa." Ähnlicher Meinung ist auch Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach: "Opel hilft PSA außerhalb Europas kein Stück."
Die Experten stellen auch die globale Bedeutung der Opel-Entwickler für den GM-Konzern in Frage. Schließlich gelinge es dem Konkurrenten Ford auch, in den USA gute Produkte zu entwickeln und für die globalen Märkte anzupassen. Dudenhöffer: "Man könnte sich in Detroit angesichts der dauerhaften roten Zahlen die Frage stellen: 'Was ist in Europa überhaupt noch zu gewinnen?'" GM hatte immerhin die globale Marke Chevrolet vom europäischen Markt genommen, mit der man nach einem Opel-Abgang jederzeit wieder an den Start gehen könnte, beispielsweise wenn sich der russische Markt wieder öffnet.
Viele Unsicherheiten in Europa
Große Wachstumszahlen sind aber auf dem europäischen Automarkt erst einmal nicht zu erwarten. Zwar stiegen die Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2016 auf 14,6 Millionen Stück und damit auf den höchsten Absatz seit neun Jahren. Für das laufende Jahr aber erwartet der Branchenverband Acea ein deutlich schwächeres Wachstum. Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren, zum Beispiel die Folgen des Brexit-Votums in Großbritannien – dem Hauptmarkt der Opel-Schwestermarke Vauxhall.
An den europäischen Opel/Vauxhall-Standorten geht das Zittern um die 38.200 Arbeitsplätze wieder los. "PSA würde natürlich die Kapazitäten überprüfen. Standorte wie Eisenach oder Kaiserslautern wären dann gefährdet", sagt Dudenhöffer. Auch Bratzel geht von Sparmaßnahmen im Falle einer Übernahme aus. "Wenn man effizienter wird, steht dahinter der Versuch, dies mit weniger Mitarbeitern zu schaffen", sagte er dem Hessischen Rundfunk. Es müsse aber keinen Stellenabbau geben, wenn mehr Fahrzeuge verkauft werden könnten.
Michael