Jürgen Schrempp, Deutschlands mächtigster Automanager, hat in den zehn Jahren an der Spitze von DaimlerChrysler niemanden kalt gelassen. Für die einen war er ein Visionär, der den Konzern global aufstellte. Viele Aktionäre sahen in ihm dagegen eine Reizfigur. Die größte deutsche Aktionärsvertretung DSW freute sich heute: Schrempp habe mit seinem Abgang endlich das Kursfeuerwerk ausgelöst, das er den Aktionären schon beim Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler versprochen habe. Schrempp weiß selber, dass er polarisiert und er steht dazu: "Nie grau - immer schwarz oder weiß", sagte der früher eher hemdsärmelig auftretende Manager einmal. Die rund 388.000 Mitarbeiter konnten sich, wie es Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm jetzt betonte, trotz manch gereizter Shareholder-Value-Diskussion auf ihn verlassen. Im Juli 2004 konnten Schrempp und Klemm die Beschäftigungssicherung für 160.000 Mitarbeiter bis 2012 verkünden, wofür die heute angesichts der Lage bei Mercedes besonders dankbar sein dürften. 2004 war dennoch das wohl schwierigste Jahr in Schrempps 44-jähriger Karriere im Konzern. Als der Aufsichtsrat den 2005 auslaufenden Vertrag des Vorstandschefs Anfang 2004 vorzeitig für drei Jahre verlängerte, murrten viele Aktionäre auf der Hauptversammlung so vernehmlich wie noch nie. Dann zog der Autoboss wenig später bei der Beteiligung an Mitsubishi Motors die Reißleine und verabschiedete sich von der Idee der Welt-AG. Der Vorstand war darüber zerstritten und Schrempps Stuhl schien zu wackeln. Doch der DaimlerChrysler-Boss bewies seine bekannten Kämpferqualitäten: Wenige Tage später wurde er vom Aufsichtsrat gestützt, dafür flog Kritiker Wolfgang Bernhard aus dem Vorstand. Und Schrempp erklärte umgehend China zum neuen Mittelpunkt seiner Asien-Strategie. Diese Schnelligkeit und sein Durchsetzungsvermögen zeichnen ihn nach Ansicht seiner Bewunderer aus. Kritiker werfen ihm vor, dabei manchmal die sorgfältige Prüfung zu vernachlässigen und erinnern an die beiden im Endeffekt milliardenschwer gescheiterten Beteiligungen am niederländischen Flugzeugbauer Fokker in den 90er Jahren und die an Mitsubishi. Die Fusion mit Chrysler, die zunächst als ebenfalls milliardenteure Schlappe wirkte, scheint jetzt ein stabiler Pfeiler im DaimlerChrysler-Haus zu sein. Daimler-Gewächs Schrempp ist ein klassisches "Daimler-Gewächs". Nach seiner Lehre in der Freiburger Mercedes-Benz-Niederlassung studierte er Maschinenbau und ging danach in die Zentrale nach Stuttgart. Nach vielen Stationen im In- und Ausland, darunter als Chef der damaligen Daimler-Benz Aerospace (Dasa), wurde er 1995 Vorstandschef bei Daimler-Benz. Schrempp sanierte den damals stark angeschlagenen Konzern, verkaufte fast alles, was nicht zum Autogeschäft gehörte und schaffte kurz darauf die Ertragswende. Der Vater zweier kleiner Kinder und von zwei erwachsenen Söhnen aus erster Ehe engagiert sich aktiv u.a. in der Childhood Foundation und steht an der Spitze der "Global Business Coalition on HIV/AIDs". Seine große Zuneigung gehört dem Land Südafrika, wo er lange erfolgreich als sozial engagierter Manager tätig war und zum persönlichen Freund Nelson Mandelas wurde. Frank Heidmann
Niemals grau: Jürgen Schrempp im Porträt
Wie kaum ein anderer hat der Automanager polarisiert