Von Branchenberater und AUTOHAUS-Experte Detlef Borscheid
In Europa (EU, GB, EFTA) lagen die Pkw-Neuzulassungen im Juli nur noch um 3,2 Prozent unter dem Vorjahresniveau, nachdem im ersten Halbjahr ein Rückgang von 39,5 Prozent zu verzeichnen war. Diese Verbesserung resultiert aus der Eindämmung der Corona-Pandemie, die es wieder ermöglichte, die wirtschaftlichen Aktivitäten zu reaktivieren. Die Automobilhersteller fuhren ihre Produktion hoch und machten damit auch die Händler wieder lieferfähig. Hinzu kamen erweiterte bzw. zusätzliche Kaufanreize beim Kauf von verbrauchsarmen Fahrzeugen durch die Regierungen in einigen Ländern. Dies führte dazu, dass sich die während des Lockdown aufgestaute Nachfrage teilweise auflöste.
Deutschland
In Deutschland hat sich der Automobilmarkt deutlich erholt. Mit 314.938 Neuzulassungen lagen die Neuzulassungen nur um 5,4 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Im Juni betrug der Rückgang der Neuzulassungen noch 32 Prozent. Die Juli-Zahlen sind so hoch, da durch den Lockdown (Schließung des stationären Handels und teilweise Schließung der Zulassungsämter) es zu einem Nachfragestau gekommen ist. Hinzu kam die bis Ende Juni unsichere Regelung über die Umweltprämie der Bundesregierung. Dieser Nachfragestau hat sich jetzt im Juli zum Teil aufgelöst. Ein ähnlicher Effekt wird auch noch im August zu beobachten sein.
Frankreich
In Frankreich sind die Pkw-Neuzulassungen im zweiten Monat in Folge gestiegen. Dies liegt daran, dass die Regierung in Frankreich die Maßnahmen zur Förderung von Neufahrzeugen am 1. Juni 2020 erweiterte und dafür eine Milliarde Euro zur Verfügung stellte. Es sind nicht nur Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge in den Genuss einer Kaufprämie gekommen, sondern auch sparsame Verbrenner. Die Prämie wurde auf 200.000 Pkw begrenzt und ist bereits Ende Juli ausgeschöpft. Damit bleibt nur die Prämie für Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge in Kraft. Dies wird aller Voraussicht zu einer etwas schwächeren Nachfrageentwicklung in den kommenden Monaten im Vergleich zu den letzten beiden Monaten führen.
Italien
In Italien sind die Pkw-Neuzulassungen von den fünf größten europäischen Ländern im Juli mit 10,6 Prozent am stärksten zurückgegangen. Unter anderem liegt es daran, dass die Verbraucher (ähnlich wie in Deutschland im Juni) auf die neue Prämienregelung der Regierung warteten. Diese neue Prämienregelung wurde im August eingeführt (Decreto Agosto). Sie beinhaltet Anreize zum Kauf von Elektro- und Hybridautos sowie sparsame Verbrennermodelle. Daher ist mit einer Verbesserung der Nachfrage ab August zu rechnen.
Spanien
In Spanien stieg die Pkw Nachfrage um 1,1 Prozent gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode. Im Juni fielen die Pkw-Neuzulassungen noch um 37 Prozent, teilweise bedingt durch den im Juni nur schrittweise aufgehobenen Lockdown. Einen wesentlichen Schub bekam die Pkw-Nachfrage durch die Prämiensysteme MOVES II (Käufer neuer BEVs und PHEVs, die weniger als 45.000 Euro kosten) und RENOVE (Verschrottungsprämie auch für Käufer, die schadstoffarme Verbrenner kaufen). Diese Prämie wird bei Kauf eines schadstoffarmen Neufahrzeugs gezahlt, wenn ein zehn Jahre oder älteres Fahrzeug verschrottet wird.
Großbritannien
In Großbritannien konnten die Händler nach dem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verlängerten Lockdown im Juli wieder ihren stationären Handel öffnen. Dies führte dazu, dass die aufgestaute Nachfrage gestützt von starken Verkaufsfördermaßnahmen der Hersteller sich zum Teil realisierte und es zu einem Anstieg der Pkw-Neuzulassungen um 11,3 Prozent kam. Im ersten Halbjahr fiel die Pkw Nachfrage um 49 Prozent. Sollten keine neuen Unterstützungsmaßnahmen der Regierung eingeführt werden, wird die Pkw-Nachfrage in den kommen Monaten nicht deutlich zunehmen können.
Die fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen, die in den meisten europäischen Ländern durchgeführt werden, stützen die Wirtschaft. Konjunkturprogramme, wie z. B. das Ende Juni von der Bundesregierung für Deutschland verabschiedete, werden sowohl den Konsum wie auch die Unternehmensinvestitionen fördern.
Darüber hinaus hat die EU ein Wiederaufbauprogramm von 750 Milliarden Euro aufgelegt, dass gerade den finanzschwachen Ländern wie Spanien und Italien bei der Überwindung der Corona Krise helfen soll. Die EZB stockte ihr Corona-Notkaufprogramm für Anleihen um 600 Milliarden Euro auf 1,35 Billionen Euro auf.
Aufgrund der fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen der Länder, der EU und der ZEB wird die Wirtschaft in den kommenden Monaten ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau sich wieder positiv entwickeln. Aber aufgrund des äußerst schwachen ersten Halbjahres wird die Wirtschaftsleistung insgesamt in 2020 stark einbrechen.
Darüber hinaus gibt es vielen europäischen Ländern Fördermittel beim Kauf von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen und teilweise auch für verbrauchsarme Verbrennermotoren. Diese werden die Gesamtnachfrage nach Pkw stützen.
Aufgrund des äußerst niedrigen Neuzulassungsniveaus in den ersten sieben Monaten (minus 34,5 Prozent) wird es trotz der erwähnten Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den verbleibenden fünf Monaten und dem damit verbundenen Anstieg der Pkw-Nachfrage zu einem deutlichen Rückgang der Neuzulassungen in diesem Jahr um 24,4 Prozent auf 11,95 Millionen PKW kommen.