VW und zwei wichtige Zulieferer haben ihre beispiellose Machtprobe beendet und arbeiten wieder zusammen. Europas größter Autobauer und die beiden Unternehmen der Prevent-Gruppe einigten sich am Dienstag in Wolfsburg nach 20-stündigen Verhandlungen auf ein Ende der tagelangen Hängepartie, die bei VW zu einem teilweisen Produktionsstopp und Kurzarbeit für Tausende Mitarbeiter geführt hatte. Darüber, wie die Einigung im Detail aussieht, schweigen beide Seiten. Die beiden Zulieferfirmen wollen die Belieferung von Volkswagen nun wieder aufnehmen. Bei den Lieferanten handelt es sich um die sächsischen Firmen Car Trim GmbH und ES Automobilguss gehören.
Die betroffenen VW-Standorte bereiten nun die Wiederaufnahme der Produktion vor, das Thema Kurzarbeit dürfte sich für die Werke in Emden, Wolfsburg, Kassel und Zwickau somit rasch erledigen. Ein Sprecher des VW-Werks Kassel-Baunatal sagte, am Donnerstag werde die volle Kapazität wieder erreicht. In Kassel werden Getriebe hergestellt, ES Automobilguss will nun benötigte Getriebeteile wieder liefern.
Der Zulieferer ES Automobilguss teilte mit, beide Seiten hätten sich dasrauf verständigt, die Geschäftsbeziehungen langfristig fortzuführen - "in Form einer gegenseitigen, vertrauensvollen und verbesserten partnerschaftlichen Zusammenarbeit in allen Bereichen." Für die weitere Kooperation seien "Prinzipien" abgestimmt worden, sagte Alexander Gerstung, Mitglied der Geschäftsleitung. Außerdem habe es eine "gütliche und faire Einigung" über bisher offene finanzielle Themen gegeben. "Die Lieferungen werden wieder aufgenommen und deshalb steht für uns außer Frage, dass die Unternehmen vertragsgemäß weiter zusammenarbeiten", sagte ein VW-Sprecher. Darüberhinaus wollte er sich nicht äußern.
Verzicht auf Schadenersatz
Die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe) berichtet, VW und Prevent hätten auf gegenseitige Schadenersatzansprüche verzichtet sowie die zuvor erfolgte Kündigung einer umfangreichen Kooperation teilweise rückgängig gemacht. Zudem blieben die beiden Prevent-Firmen bei VW mindestens weitere sechs Jahre im Geschäft. Bei den von VW benötigten Getriebeteilen dürfe sich VW in den kommenden sechs Jahren einen weiteren Lieferanten suchen, allerdings "nur im Umfang von 20 Prozent". Außerdem sei eine Vertragsstrafe vereinbart worden, sollten künftig Zulieferungen ausfallen. Ein VW-Sprecher sagte zu dem "SZ"-Bericht auf Anfrage lediglich: "Wir haben über die Inhalte der heutigen Vereinbarung Stillschweigen vereinbart, und daran halten wir uns."
Zwischen Volkswagen und den beiden wichtigen Teilezulieferern tobte seit Tagen ein Streit um eine Kündigung von Aufträgen. Dem Vernehmen nach ging es dabei um ein Zukunftsprojekt, bei dem Car Trim von 2017 an Sitzbezüge für VW und Porsche liefern sollte. VW soll Qualitätsmängel geltend gemacht haben. Car Trim aber war in Vorleistung getreten. VW sollte daher dem Vernehmen nach einen "mittleren zweistelligen Millionenbetrag" als Wiedergutmachung zahlen. Car Trim soll dazu noch andere Forderungen gestellt haben, die VW nicht erfüllen wollte. Als Reaktion darauf stellte Car Trim die Lieferungen ein, außerdem die Schwesterfirma ES Automobilguss.
Nach der Einigung mit VW rollten auf dem ES-Betriebsgelände in Schönheide am Dienstag wieder die Lastwagen. Bei Beschäftigten der Firma im erzgebirgischen Schönheide herrschte aber auch nach einer Betriebsversammlung die Sorge um die Zukunft des Standortes. "Die Stimmung ist schlecht, wir wissen eigentlich nicht mehr als vorher", sagte Christian Schelakovsky vom Betriebsrat. Den Mitarbeitern sei unklar, ob die Lieferverträge mit Volkswagen auch über 2018 hinaus gingen - dann enden die bisherigen Verträge.
"Auf dem Rücken der Mitarbeiter"
Wegen des Lieferstopps standen bei Volkswagen viele Bänder still: Der Konzern wartete auf Getriebeteile von ES Automobilguss und Sitzbezüge von Car Trim. Wegen des Streits konnten laut VW 27.700 Mitarbeiter in mehreren Werken nicht so arbeiten wie geplant. Allen voran stand im Stammwerk Wolfsburg die Produktion des wichtigsten VW-Modells Golf still.
VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, er freue sich für die Beschäftigten, die nun wieder an ihre Arbeitsplätze zurück könnten. "Sie sind in den letzten Tagen Opfer eines Konfliktes geworden, der ohne Not auf ihrem Rücken ausgetragen worden ist", sagte der SPD-Politiker in Hannover - und kritisierte nochmals das Vorgehen der beiden Zulieferer. "Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent Group, die nicht bereit war, den in unserem Rechtsstaat vorgesehenen Weg einer Klärung vor den Gerichten zu gehen." VW hatte vor Gericht bereits zwei einstweilige Verfügungen erwirkt, die die Firmen zur Lieferung verpflichteten.
Auch der VW-Betriebsrat begrüßte die Einigung und die Wiederaufnahme der Produktion. "Die Kolleginnen und Kollegen hatten kein Verständnis dafür, dass sie wegen des einseitig verhängten Lieferstopps nicht mehr an ihre Arbeitsplätze gehen konnten", sagte ein Sprecher.
Finanzaufsicht prüft VW-Kommunikation
Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin prüft unterdessen, ob der Konzern die Öffentlichkeit früher über die Probleme hätte informieren müssen. "Wir werden uns das Ganze anschauen", sagte eine Behördensprecherin am Montag. Die Bafin werde prüfen, ob es sich bei dem Streit mit Zulieferern und dem folgenden Produktionsstopp um eine Insiderinformation gehandelt habe, die Volkswagen hätte veröffentlichen müssen. Einem VW-Sprecher zufolge weiß der Konzern nichts von der Bafin-Untersuchung. "Wir sind der Auffassung, unsere kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben", teilte er schriftlich mit.
Im Verlauf der vergangenen Woche hatte es unbestätigte Informationen gegeben, dass VW wegen der Lieferprobleme Kurzarbeit in größerem Umfang drohen. Freitagmorgen hatte der Konzern dann per Pressemitteilung über den bevorstehenden Produktionsstopp in Teilen der Fertigung in wichtigen Werken berichtet.
Nach dem VW-Abgasskandal hatte die Bafin bereits Anzeige gegen heutige und frühere Manager von Volkswagen gestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Ermittlungen gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und VW-Markenvorstand Herbert Diess eingeleitet. Der VW-Konzern ist auch in diesem Fall der Überzeugung, seine Mitteilungspflichten erfüllt zu haben. (dpa)
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