Die japanische Staatsanwaltschaft hat abermals neue Anklage gegen den ehemaligen Nissan-Chef Carlos Ghosn erhoben. Das gab das Bezirksgericht von Tokio am Montag bekannt. Dem 65-Jährigen wird ein weiterer Vertrauensbruch vorgeworfen. Die Anklage stehe im Zusammenhang mit Zahlungen an einen Vertriebspartner im Oman, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Ghosns Verteidigung beantragte umgehend seine Freilassung auf Kaution. Doch die knallharte Staatsanwaltschaft lässt nicht locker. Das Gericht hatte die Untersuchungshaft bis Montag verlängert. Die Staatsanwaltschaft musste daher entscheiden, ob sie ihn freilässt oder erneut anklagt.
Mit der neuen Anklageerhebung kann sie den 65-Jährigen in Haft weiter verhören. Die Verteidigung wirft der Staatsanwaltschaft mit dieser in Japan üblichen Taktik vor, Ghosn unter Druck zu setzen, bis er am Ende einknickt. Doch hat Ghosn deutlich gemacht, kein Geständnis unterzeichnen zu wollen. In einem kürzlich von seinem japanischen Anwalt veröffentlichten Video beteuerte er nochmals seine Unschuld. Der prominente Automanager sieht sich als Opfer einer Verschwörung.
Dubiose Zahlungen
Laut der neuen Anklage wird Ghosn vorgeworfen, eine Tochter von Nissan in den Vereinigten Arabischen Emiraten angewiesen zu haben, zehn Millionen Dollar an einen Vertriebspartner in Oman zu zahlen, so Kyodo. Davon soll die Hälfte an ein Konto der zu Ghosn gehörenden libanesischen Investmentfirma Good Faith Investments geflossen sein. Ein Teil dieser Gelder soll dann an eine Firma seiner Frau weitergeleitet worden sein. Davon könnte unter anderem eine Luxusjacht für Ghosns Familie gekauft worden sein, berichtete Kyodo unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen weiter.
Im November vergangenen Jahres war Ghosn in Tokio wegen angeblichen Verstoßes gegen Börsenauflagen erstmals in Untersuchungshaft genommen worden. Zudem soll er private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Er wurde angeklagt und erst nach monatelanger Haft gegen Kaution entlassen. Knapp vier Wochen nach seiner Freilassung wurde er Anfang April dann erneut in Untersuchungshaft genommen. Einen Termin für einen Prozess gegen ihn gibt es noch immer nicht.
Der gebürtige Brasilianer hatte 1999 den Einstieg des französischen Autoherstellers Renault bei Nissan gemanagt. In die bis dato beispiellose Auto-Allianz wurde dann auch Mitsubishi Motors eingebunden. Nur wenige Tage nach seiner Verhaftung im November hatten ihn Nissan und Mitsubishi als Verwaltungsratschef gefeuert.
Kürzlich warf ihn Nissan dann auch aus dem Verwaltungsrat. Das Bündnis mit Renault soll künftig von einem neuen Vorstandsgremium geführt werden, das die Kooperation der drei Konzerne steuern soll.
Macron mischt sich ein
Mittlerweile hat sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in den Fall eingeschaltet. Die Rechte und die Unversehrtheit des französischen Staatsbürgers Ghosn müssten geachtet werden, berichteten Élyséekreise nach einem Treffen Macons mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe in Paris. "Es wurde daran erinnert, dass Carlos Ghosn Recht darauf hat, dass die Unschuldsvermutung respektiert wird (...)", hieß es weiter. Frankreich achte die Hoheit und der Unabhängigkeit der japanischen Justiz.
Macron und Abe bekannten sich am Dienstag gleichzeitig zu der von Ghosn entworfenen - und lange von ihm kontrollierten - Auto-Allianz von Renault und Nissan. Zu dem Bündnis gehört auch der japanische Hersteller Mitsubishi. (dpa)