Der 64-Jährige soll gegen Börsenauflagen des Landes verstoßen haben. Mitangeklagt ist seine frühere rechte Hand Greg Kelly, der ebenfalls in U-Haft sitzt. Sowie der Konzern selbst. Man nehme die Situation "extrem ernst", hieß es in einer kurzen Stellungnahme des Renault-Partners, der sich zugleich entschuldigte. In der Renault-Zentrale wollte man dagegen keinen Kommentar abgeben.
Nach allem, was bisher bekannt wurde, geht es bei den Anschuldigungen um Ghosn Einkommen seit dem Geschäftsjahr 2010/2011. Über fünf Jahre soll nur die Hälfte seines Einkommens von zehn Milliarden Yen (78 Millionen Euro) offiziell ausgewiesen worden sein. In den vergangenen drei Jahren, so heißt es nach jüngsten Berichten unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft, soll Ghosn in Komplizenschaft mit Kelly zudem nur rund 2,9 seines 7,2 Milliarden Yen hohen Einkommens angegeben haben.
Ghosn soll zwar gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt haben, dass seine Einkommensansprüche nicht vollständig ausgewiesen waren. Doch das sei auch nicht nötig gewesen, da es sich um Gehaltszahlungen gehandelt habe, die erst nach seinem Ausscheiden bei Nissan hätten gezahlt werden sollen. Und das sei noch nicht festgezurrt gewesen.
Staatsanwaltschaft verfügt offenbar über Unterlagen
Oder waren diese künftigen Zahlungszusagen - die Ansprüche sollen sich bezogen auf die Geschäftsjahre 2010/2011 bis 2017/2018 auf rund neun Milliarden Yen summiert haben - doch hart genug, um sie vorab verpflichtend offenzulegen? Die Staatsanwaltschaft verfügt angeblich über Unterlagen - unterzeichnet von Ghosn. Doch auch Nissan-Chef Hiroto Saikawa soll Papiere zu Zahlungsansprüchen nach dem Ausscheiden, die von Kelly erstellt worden seien, unterschrieben haben.
Japans Finanzaufsichtsbehörde stellte wegen der Vorwürfe am Montag Strafanzeige gegen Ghosn, Kelly und den Konzern. Zugleich erließ die Staatsanwaltschaft erneut Haftbefehl gegen Ghosn, der am 19. November festgenommen worden war, und Kelly. Damit könnte sich die U-Haft für den Renault-Chef noch bis zum Ende des Jahres hinziehen.
Das harte Vorgehen der in Japan mächtigen Staatsanwaltschaft gegen Ghosn, der in den 1990er Jahren Nissan vor der Beinahe-Pleite gerettet hatte, hat zu Spekulationen über die Hintergründe geführt. Zum einen werden kulturelle Unterschiede vermutet, wozu die in Japan vorherrschende Abneigung gegen Spitzengehälter und gieriges Verhalten zählt. Im Vergleich zu dem, was Ghosn bei Nissan verdiente, erhalten japanische Unternehmenschefs laut Experten deutlich weniger Salär.
Versuch einer "Re-Japanisierung"
Und dann ist da die These von einer "Palastrevolution" bei Nissan, vom Versuch einer "Re-Japanisierung" des Unternehmens. In Frankreich kam die Befürchtung auf, hinter der Ghosn-Affäre könnte die Absicht einer Destabilisierung des Renault-Nissan-Konzerns stehen. Wollte man Renault im Inneren des Verbundes gezielt schwächen?
Das "Wall Street Journal" will nun erfahren haben, dass Ghosn geplant hatte, Nissans Vorstandsvorsitzenden Saikawa von seinem Posten zu drängen - aus Unzufriedenheit über den schleppenden Absatz in den USA und über eine Serie von Qualitätsproblemen in Japan. Doch dann wurde Ghosn verhaftet. Und kurz danach wurde er bei Nissan und Mitsubishi Motors als Vorsitzender des Verwaltungsrats gefeuert.
Nun können Japans Staatsanwälte Ghosn und Kelly bis zu 20 weitere Tage langwierigen Verhören unterziehen - ohne Anwesenheit eines Anwalts. Zwar dürfen Verteidiger sowie Botschaftsmitarbeiter die beiden Angeklagten in der Haft besuchen. Während der Befragungen dürfen die Anwälte jedoch wie in Japan üblich nicht anwesend sein.
Auto-Alianz soll bestehen bleiben
Ungeachtet des Dramas um Ghosn, der weiter bei Renault Chef ist, wollen der französische Autobauer sowie die japanischen Partner Nissan und Mitsubishi Motors an ihrer Auto-Allianz festhalten. Einstimmig und mit Überzeugung bekräftigten die drei Unternehmen kürzlich ihre "tiefe Verbundenheit" für das Dreier-Bündnis. "Ich wünsche nicht, dass es Änderungen gibt bei den Macht-Gleichgewichten zwischen Renault und Nissan", sagte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire unlängst.
Sein Wort hat in Paris Gewicht, denn der Staat ist zu 15 Prozent an Renault beteiligt. Renault wiederum hält 43,4 Prozent der Anteile an Nissan, die Japaner ihrerseits 34 Prozent an Mitsubishi. Nissan ist zu 15 Prozent an Renault beteiligt, hat aber dabei keine Stimmrechte. (dpa)