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Globaler Automarkt, lokale Effekte: Der Einfluss der Welt

28.12.2018 12:51 Uhr
Mercedes-Benz A-Klasse Langversion
Im Frühjahr 2018 hat Mercedes in Peking die A-Klasse in einer neuen Stufenheckversion vorgestellt. Das Modell soll vor allem Chinesen begeistern, doch auch deutschen Kunden wird die Kompakt-Limousine angeboten.
© Foto: Daimler

Früher waren deutsche Autos vor allem eins: typisch deutsch. Doch der globalisierte Automarkt hat das nationale Profil stark verändert.

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Von Mario Hommen/SP-X

Die Zeiten, als deutsche Autohersteller ihre Autos vornehmlich für deutsche Kunden bauten, sind lange vorbei. Die Konzerne agieren weltweit, mit Netzwerken von Entwicklungszentren und Fabriken in vielen Ländern. Dieses globale Engagement sorgt für Rückkopplungseffekte, die auch unseren Autogeschmack bestimmen. Manchmal mit fragwürdigen Konsequenzen.

Seit Jahrzehnten steht vor allem der US-Markt im Fokus deutscher Hersteller, was auch unsere Autoästhetik beeinflusst. Ein Beispiel im Detail sind Getränkehalter, die bei US-Kunden schon lange als elementares Kaufkriterium gelten. Je mehr, desto besser. Diese Fixierung auf ein vermeintlich nebensächliches Accessoire hat sich auch bei uns durchgesetzt. Der US-Kunde hat sogar Einfluss auf die Größe genommen, denn den jüngeren Trend zu besonders großen Haltern verdanken wir der amerikanischen Sitte, Getränke in XXL-Formaten zu konsumieren. Ein anderer Volumenexzess ist der einstige Boom der V8-Motoren, die Audi, BMW, Mercedes und Porsche verstärkt seit den 80er-Jahren nicht nur Kunden in den USA, sondern auch Leistungshungrigen hierzulande anboten. In Europa blieben die großen Achtender eine Randerscheinung. Einen nachhaltigen Durchbruch gelang indes auf US-Kunden zugeschnittene SUV-Modellen wie M-Klasse, X5 oder Q7, die zum Teil sogar in den USA entwickelt und gebaut und in Deutschland als deutsche Autos verkauft werden.

Eine andere Kuriosität, die wir den Amis verdanken, ist die erste Generation der Mercedes A-Klasse. Ihre eigenwillige Form ist auf ein rückgängig gemachtes US-Gesetz zurückzuführen. Der Staat Kalifornien wollte mit dem sogenannten Clean Air Act emissionsfreie Autos fördern. Neben US-Herstellern stand auch der Daimler-Konzern mit einem E-Kleinwagenmodell in den Startlöchern, dessen Sandwichboden eine Batterie aufnehmen konnte. Die kalifornische Elektro-Revolution wurde allerdings abgeblasen, weshalb der Microvan mit Zwischenetage fortan als A-Klasse die Investitionskosten über zwei Generationen hinweg vornehmlich in Europa einfahren musste.

Ladenhüter VW Jetta

Aufgrund verschiedener Eigenheiten des US-Markts bekamen auch andere, todgeweihte Gattungen eine zweite oder gar dritte Chance. Wie etwa Stufenheckderivate kompakter Baureihen. Bereits in den 80er-Jahren mutierte der VW Jetta hierzulande zum Ladenhüter, der uns dennoch über Jahrzehnte weiter erhalten blieb. In den USA und anderen Märkten waren Stufenheck-Abkömmlinge des Golfs weiter gefragt. In Mexiko produziert, musste sich der Jetta stets aufs Neue erfolglos deutschen Kunden anbiedern.

Ein anderes Nischenprodukt, das vor allem Kunden in Südamerika beglücken soll, ist der Pick-up. Um diesen Markt zu bedienen, hat VW den Amarok entwickelt, der in bescheidenem Umfang auch hierzulande Jagd auf Kunden machen darf. Sein eigentlicher Fokus liegt jedoch in Argentinien und seinen Anreinerstaaten, wo auch die mit Abstand meisten Amarok gebaut werden. Die besonderen Geschmäcker der Autokäufer Lateinamerikas berücksichtigt VW bereits seit Jahrzehnten mit Modellen, die uns in der Regel vorenthalten werden. Als Sündenfall gilt hier das 70er-Jahre-Sportcoupé SP2, das auch heute noch bei VW-Fans so etwas wie Verbitterung auslöst, da es trotz betörender Linien niemals nach Deutschland kam. Es gab auch den umgekehrten Sündenfall, wie etwa den des Kleinstwagens Fox, der ausschließlich in Brasilien entwickelt und gebaut und dennoch deutschen Kunden als Ersatz für den Lupo zugedacht wurde.

Doch Südamerika wie die USA sind angesichts des Aufstiegs Chinas nur noch Nebenschauplätze. Mittlerweile sind die Augen aufs Reich der Mitte gerichtet, das in erstaunlich kurzer Zeit zum globalen Leitmarkt aufgestiegen ist. Lag der Weltmarkt-Anteil Chinas 2005 noch bei sechs Prozent, hat er sich mittlerweile verfünffacht. Beinahe jedes dritte in der Welt produzierte Automobil wird an Chinesen verkauft. Tendenz steigend. Hersteller wie Mercedes haben längst reagiert und neben Werken auch spezielles R&D-Center in China eröffnet. Mittlerweile verkauft der Stuttgarter Konzern dort in etwa so viel Autos wie in Deutschland und USA zusammen. Das wirkt sich auch auf unsere Autos aus. Eine Konzession im Detail: BMW, Audi oder Mercedes haben für ihre Infotainmentsysteme Touchpads eingeführt, weil sich diese zur Eingabe chinesischer Schriftzeichen besser eignen. Auch Ambiente-Beleuchtungen mit variablen Farben sind Tribut an den Geschmack fernöstlicher Kunden.

Chinesen mögen Stufenheckvarianten

Die Wünsche der Chinesen bestimmen auch Karosseriedesigns. Eigentlich jeder Premiumhersteller bietet Limousinen - ab dem C-Segment aufwärts - in Fernost auch als Langversion an. Bei erfolgreichen Chinesen gehört es zum guten Ton, sich fahren zu lassen und im Fond die üppige Beinfreiheit zu genießen. Diese optisch selten vorteilhaften Stretchversionen blieben uns bislang erspart. Doch gibt es auch Beispiele von hier angebotenen Autos, die dem chinesischen Geschmack Tribut zollen. Als Beispiele gelten hier neben dem Mercedes CLS der zweiten Generation auch das Heck des Porsche Cayenne II. Beide Designs wurden von Deutschen kontrovers rezipiert und von Designverantwortlichen als Zugeständnis an den fernöstlichen Autogaumen begründet. Auch die bereits erwähnten Stufenheckderivate kompakter Baureihen haben bei Chinesen Hochkonjunktur. Ob Audi A3, die neue Mercedes A-Klasse oder der BMW 1er – Deutsche Autobauer können vom Stufenheck nicht die Finger lassen.

Die plötzliche Hinwendung deutscher Hersteller zum Elektroauto ist ebenfalls vor allem im Zusammenhang mit Entwicklungen in USA und China zu sehen. Man könnte meinen, VW, Mercedes und Co. wollen sich als ökologische Vorreiter inszenieren. Doch eigentlich geht es darum, im globalen Autogeschäft nicht den Anschluss zu verlieren. In China ist das E-Auto bereits ein Megaseller und in den USA düpiert Tesla den alten Autoadel. In beiden Märkten deutet sich mittlerweile ein Siegeszug der E-Mobilität an. Noch fehlen deutschen Herstellern entsprechende Modelle, doch in den kommenden Jahren wollen alle großen Marken ins E-Auto-Business einsteigen. Auch wenn deutsche Kunde derzeit noch mit dem E-Auto fremdeln, unsere Autozukunft wird vor allem eines sein: elektrisch. Den Leitmärkten sei Dank.

SECHS

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