Die Bundesregierung steuert auf eine Kraftprobe in der Frage staatlicher Kaufzuschüsse für Elektroautos zu. Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte am Montag in Berlin das klare Nein zu solchen Prämien. Dagegen machen sich SPD und CSU inzwischen abweichend vom schwarz-rotem Koalitionsvertrag für Zuschüsse stark, um die schleppende Nachfrage anzukurbeln. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Dienstag mit Spitzenvertretern der Autoindustrie über weitere Anreize beraten, um das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 auf deutschen Straßen zu erreichen.
Das Finanzministerium betonte, es gebe aktuell keine vergleichbare Lage wie bei der Abwrackprämie, als Deutschland in einer schweren Wirtschaftskrise gewesen sei. Schäuble hatte in der vergangenen Woche in der "Stuttgarter Zeitung" unterstrichen: "Es ist nicht die Aufgabe des Staates, beim Absatz von Autos behilflich zu sein." Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) warnte am Montag: "Eine Kaufprämie wäre nicht nur eine erhebliche Haushaltsbelastung, sondern auch ein ordnungspolitischer Sündenfall."
Merkel will die Branchenvertreter zu "einem ersten Beratungs- und Informationsgespräch" treffen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Konkrete Beschlüsse seien nicht zu erwarten. Seibert äußerte sich nicht dazu, ob die Kanzlerin inzwischen eine eigene Position zu Kaufprämien entwickelt hat. Auch die CDU lässt ihre Haltung offen. "Die Frage ist berechtigt, ob die Politik einen zusätzlichen Beitrag leisten kann", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach einer Präsidiumssitzung. Ob das durch Prämien oder andere Unterstützung erfolgen könne, sei nicht abschließend beantwortet.
In der großen Koalition machen sich SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer inzwischen für staatliche Kaufprämien stark. Gabriel hatte eine Größenordnung von 5.000 Euro vorgeschlagen. Nach der Festlegung von CSU-Chef Horst Seehofer auf Kaufzuschüsse hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Kompromissbereitschaft signalisiert. "Bei der Kaufprämie gibt es keine ideologischen Vorbehalte", sagte Dobrindt dem "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" (Montag). Der Minister hatte Kaufprämien bisher abgelehnt. Ein Schlüssel zum Ausbau der Elektromobilität sei der Aufbau der Ladeinfrastruktur. Ein Programm für 400 Ladestationen an Autobahnraststätten bis 2017 könne in der Fläche um Tausende Ladesäulen erweitert werden, sagte Dobrindt. Vor Seehofer hatte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel Kaufprämien gefordert.
Kleiner Anreiz vom Hersteller
Die bisher schwächelnde Elektromobilität kann aus Sicht von Volkswagen-Konzernchef Matthias Müller nicht ohne staatliche Förderung aus den Startlöchern kommen. "Die Anstrengungen unserer Industrie alleine werden nicht ausreichen. Es bedarf vielmehr einer gemeinsamen Kraftanstrengung", sagte Müller am Montag laut seiner Redevorlage in Hamburg. "Notwendig dafür ist ein stimmiges Gesamtpaket." Dazu gehöre zum Beispiel eine sichtbare Infrastruktur, etwa mit mehr Ladesäulen in den Innenstädten und an Autobahnen. "Sie ist die Voraussetzung dafür, dass bei den Kunden das nötige Vertrauen in die Elektromobilität wachsen kann", sagte Müller.
"Ohne Kaufprämien wird es nicht gehen", sagte auch Audi-Betriebsratschef Peter Mosch der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Den überwiegenden Teil einer Prämie sollte aber der Staat übernehmen und die Hersteller sollten einen kleinen Anreiz mit drauflegen."
"Eine Kaufprämie von 5.000 Euro ist richtig, wenn sie vernünftig finanziert ist. Wir schlagen vor, übermotorisierte Spritfresser zur Refinanzierung heranzuziehen", teilte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Sonntag der dpa mit. "Das wäre eine echte Verkehrswende: Diejenigen fördern, die für eine bessere Luft für alle beitragen - diejenigen dazu beitragen lassen, die besonders viel verschmutzen."
Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) macht sich für eine staatliche Förderung stark. Die Jobs in Deutschlands Autoindustrie hingen auch am Durchbruch der bisher kaum erfolgreichen Elektromobilität. "Wenn wir Produktion und Innovation hier halten wollen, dann brauchen wir auch einen Markt dafür. Denn ohne den gibt es hier auch keine Produktion und Innovation", sagte er. "Dann fahren wir in Zukunft Elektromobilität aus Asien und die Arbeitsplätze der Zukunft gehen hier verloren."
Busflotte auf elektrische Antriebe umrüsten
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace will statt Kaufprämien für Elektroautos die öffentliche Busflotte in Deutschland auf elektrische Antriebe umrüsten. Dafür könnten bei einer Abschaffung der bisherigen Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff Mittel in Höhe von sieben Milliarden Euro verwendet werden, sagte der Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser der Deutschen Presse-Agentur. "Das verbessert nicht nur die Luftqualität in Deutschland, es spart mit zwei Millionen Tonnen CO2 auch weit mehr, als eine Kaufprämie für E-Autos es vermag."
Kaufprämien für E-Autos seien "doppelt unsinnig", sagte dagegen Greenpeace-Experte Moser. "Für den Klimaschutz bringen sie wenig, in der Verkehrspolitik sind sie sogar schädlich. Statt Porsche-Fahrern den Kauf einer schweren Hybridlimousine zu finanzieren, der für das Klima nichts bringt, sollte die Bundesregierung die schädliche Dieselprämie von sieben Milliarden Euro pro Jahr abschaffen." Statt den noch immer gesundheitsschädlichen Dieselmotor zu fördern, könnte mit dem Geld eine nachhaltige Verkehrswende angeschoben werden. Diesel wird geringer besteuert als Benzin.
Greenpeace fordert generell einen umfassenden Umbau der Kfz-Steuer in Deutschland - auch und gerade mit Blick auf den Klimawandel und die in Paris beschlossenen Ziele zum Weltklima. Der Verkehrssektor sei einer der Hautquellen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. Durch einen Umbau der Kfz-Steuer könne ein Ausstieg aus der Dieseltechnologie mit dem Einstieg in die Elektromobilität verknüpft werden
Porsche-Chef fordert Kraftakt für E-Auto
Porsche-Chef Oliver Blume fordert einen erneuten Anlauf für die Inlandsfertigung von Batteriezellen für das Elektroauto. "Deutschland ist immer gut damit gefahren, industrielle Fertigung im Land zu halten und so das Know-how der Beschäftigten zu sichern", sagte Blume den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag). Deutschland brauche eine Batteriefabrik und "sollte die Automobilindustrie nach Kräften unterstützen, die Zellfertigung hier anzusiedeln". Um die Verbreitung des E-Autos zu fördern, seien öffentliche Investitionen in Ladenetze wichtiger als Kaufprämien für solche Fahrzeuge. Von großer Bedeutung seien dabei Schnell-Ladenetze mit hoher Leistung. (dpa)
hwb
SG