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Digitalisierung: VW-Software-Einheit startet im Juli

19.06.2020 14:21 Uhr
Digitalisierung: VW-Software-Einheit startet im Juli
Christian Senger: "Komplette Fahrzeugarchitektur" inklusive Elektronik selbst kontrollieren
© Foto: VW

Die Digitalisierung erhöht die Abhängigkeit von den IT-Riesen. Volkswagen will selbst eine Mischung aus Auto- und Software-Konzern werden – zeigt sich jedoch bereit zur Zusammenarbeit mit weiteren externen Partnern.

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Der VW-Konzern startet zum 1. Juli die Entwicklung eines eigenen Auto-Betriebssystems in seiner neuen Software-Einheit, bleibt aber offen für weitere Partnerschaften. Die Digital-Plattform soll die Grundlage für ein "VW.OS" bilden, das bis 2024 voll ausgearbeitet und danach mit zusätzlichen Funktionen angereichert wird. Dabei will VW "die komplette Fahrzeugarchitektur" inklusive Elektronik zwar selbst kontrollieren, wie Digitalvorstand Christian Senger am Freitag in Ingolstadt erklärte. Joint-Ventures oder Beteiligungen seien jedoch möglich, sofern es nicht um den Kern des neuen Systems gehe. In den kommenden Jahren sind mehr als sieben Milliarden Euro für die "Car.Software"-Organisation vorgesehen.

Es gebe Anfragen von außen, sagte Senger vor der Vorstellung der Pläne. "Was wir aber nicht wollen, ist, dass jeder sein eigenes Ding mitbringen und umsetzen kann." Die Plattform werde eine Entwicklung der eigenen Experten sein. Seit dem Jahreswechsel war der Betrieb der neuen Sparte vorbereitet worden, im Juli geht es mit eigenem Personal und Budget los: "Wir wollen von der Planung aufs Machen umstellen."

Die steigende Bedeutung von Software macht die Industrie abhängiger von den IT-Riesen – viele Unternehmen versuchen daher, ihre Kompetenz zu erweitern. Die neue VW-Einheit soll bis 2025 über 10.000 Experten umfassen, bis Ende des laufenden Jahres könnten es schon 5.000 sein. Ziel ist es, die Wertschöpfung eigener Programmierung zu vergrößern. Der Anteil soll von weniger als zehn auf mehr als 60 Prozent wachsen.

Das "VW.OS" enthält im Kern etwa ein Infotainment-System sowie einen Teil, bei dem auch freie Software-Entwicklung ("open source") möglich ist. Darüber hinaus sind "On-top-Systeme" geplant, die – je nach Nachfrage und Vorschriften in einzelnen Märkten – auf dem Basismodell aufsetzen. Im Hintergrund sind riesige Cloud-Speicher, über die der Datenverkehr läuft. Ab 2022 soll die Grundplattform bei Audi und Porsche kommen. Für die Ausbaustufe mit vollem Funktionsumfang ist 2024 angepeilt, ab 2025 in allen Marken der Gruppe. Es gehe um "ein System, das vom Kleinwagen bis zur Premiumlimousine skalierbar ist".

Man habe "die 100-prozentige Überzeugung", möglichst viel selbst machen zu wollen, so Senger. Der "digitale Mehrwert" müsse im Konzern bleiben. Wo sinnvoll, könnten weitere Partner dazu kommen. "Aber von jetzt an werden wir unsere eigenen Software-Standards definieren. Wir werden entscheiden, wie wir etwas umsetzen und was wir umsetzen."

Nicht alle Autobauer dürften bald Eigenentwicklungen haben, schätzt Senger: "Es wird in Zukunft wahrscheinlich weltweit weniger Betriebssysteme fürs Auto geben, als es Autohersteller gibt." Der Wettbewerb um die nötigen Experten sei in der Branche groß.

Bei VW werden mehrere Tausend eigene IT-Fachkräfte aus Beteiligungen und Marken eingesetzt. Dazu kommen soll Personal aus Neueinstellungen oder Firmenübernahmen. Die Hälfte soll in Europa arbeiten, vor allem in Deutschland. Neben Wolfsburg ist Ingolstadt einer der Standorte, Audi ist zudem für die übergreifende Koordination von Forschung und Entwicklung im Konzern zuständig. Der VW-Betriebsrat hatte bereits klargemacht, dass der Wechsel in die Einheit freiwillig sein müsse und die Mitarbeiter volle betriebliche Mitbestimmung haben sollten. Auch in China, Indien, Israel und den USA soll programmiert werden.

"Zehn Mal komplexer als ein Smartphone"

Software-Entwicklung gehört zu den strategischen Schwerpunkten von VW-Konzernchef Herbert Diess. Zuletzt war allerdings auch deutlich geworden, dass neue Systeme einen bisher ungekannten Komplexitätsgrad haben. Beim E-Auto ID.3 gibt es einen zunächst abgespeckten Umfang an Funktionen, beim Golf 8 kam es zu Verzögerungen in der Produktion. "Ein Auto ist zehn Mal komplexer als ein Smartphone", meinte Senger.

Entstehen soll ein "digitales Ökosystem", in dem Daten zwischen den Smartphones oder Tablets der Kunden, den Anwendungen im Auto, dem Hersteller, Händlern und Dienstleistern ausgetauscht werden. VW integriert dabei auch Cloud-Anbieter und kooperiert mit Microsoft. Andere Autokonzerne stecken ebenfalls viel Geld in die Vernetzung – nicht zuletzt mit Blick auf das autonome Fahren. Beim Aufbau seiner "Industrial Cloud", die Maschinen und Anlagen in Werken weltweit vernetzen soll, arbeitet Volkswagen mit Amazon und Siemens zusammen. (dpa)

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