Die Insolvenz der Max Moritz-Autohäuser war einer der Branchen-Aufreger 2017. Jetzt ist das Verfahren abgeschlossen. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach in der Berliner Zentrale der Wellergruppe mit Firmenchef Burkhard Weller über die Zäsur.
AH: Herr Weller, Sie haben bzw. hatten in der Wellergruppe bislang drei große Fundamente. Ihre Urzelle mit den Toyota-Autohäusern, dann kam die Marke BMW hinzu und als dritte Säule VW-Audi-Skoda. Das gesamte VW-Engagement Ihrer Gruppe haben Sie im Dezember 2017 mit einer Insolvenz finalisiert. Eine Branchen-Bombe! Das Insolvenzverfahren ist inzwischen abgeschlossen. Wie sehen Sie die Detonation in der Rückblende?
B. Weller: Konsequenz ist eine wichtige Unternehmertugend. Das ist leichter gesagt als getan. Man muss auf dem Punkt sein. Großzügigkeit zur Führung wie zu viel zur Mitarbeiterschaft zu zeigen, führt in Folge zu einem möglichen Ergebnis wie bei Max Moritz. Denkbar liegt das auch daran, dass die VW-Marken unser drittes Kind war. Beim dritten Kind sieht man manche Dinge lockerer, ist generöser, zeigt mehr Toleranz und Gelassenheit. Das waren wir bei unserem ersten Kind und beim zweiten nicht. Darum laufen diese Brands auch auf einer ganz anderen Erfolgsspur. Wir haben in der Tat zu lange zugeschaut.
AH: Dennoch fällt auf, dass ihre VW-Westbetriebe in Hagen, Bielefeld, Bünde und Soest ja gut liefen. Problembetriebe waren die vier Ostfriesen-Betriebe: Aurich, Emden, Leer und Wiesmoor.
B. Weller: Wir haben in den Westbetrieben kumuliert nie eine rote Zahl geschrieben. Das waren nicht überall die Ertragsbringer, aber trotzdem das neue Audi-Zentrum in Bielefeld lief beispielsweise über Plan.
AH: Die Autohäuser in Ostfriesland haben sie aus dem Retailbereich von Volkswagen übernommen. Die wurden dort unter der VW-Retailflagge bereits über acht Jahre betrieben und waren in dieser Ära sicher alles andere als Ertragsperlen. Was sagt das Ihnen heute?
B. Weller: Wir werden künftig keine Retailbetriebe mehr übernehmen.
AH: Diese Erfahrung scheint tief zu sitzen?
B. Weller: Praktische Beispiele: Bei Retailbetrieben gilt in der Regel nicht der Kfz-Tarif, sondern der Werkstarif. Es ist alles, aber wirklich alles sehr gewerkschaftsnah, auch sehr konzernnah. Es gibt auch in solchen Betrieben zu wenige Rennpferde.
AH: Der Insolvenzverwalter Gerrit Hölzle ist in der Abwicklung der eine, der Hersteller der andere Gesprächspartner. Sie haben die Erfahrungen dazu aktuell hinter sich. Wie darf man sich den Ablauf vorstellen?
B. Weller: Man hat viele Freiheiten, wenn man eine Insolvenz in Eigenverwaltung praktiziert. Man muss sich natürlich mit dem Insolvenzverwalter abstimmen. Er ist der Hauptgeschäftsführer. Man spielt dabei nur die zweite Geige. Das muss man üben, aber ja nicht allzu lange. Es war aber wirklich eine faire Zusammenarbeit. VW, die VW-Bank, der Insolvenzverwalter haben sich mit uns hingesetzt und überlegt, wie kriegen wir die Abwicklung so schadfrei wie möglich hin, so lautlos wie möglich. Im Vordergrund standen immer die Mitarbeiter. Die neuen Investoren sollten so viel wie möglich an Mitarbeitern übernehmen.
Mit dem Volkswagen-Konzern war die Zusammenarbeit sehr ordentlich. VW hat damit die Chance verbunden, aktiv Netzpolitik zu gestalten. Es hieß ganz klar, es kommt kein Investor, der alle Betriebe übernimmt. Dazu gab es welche. Hagen eben an umliegende Händler, Bünde an umliegende Händler, Bielefeld sollte in das Audi-System passen usw. Das hat sicher in der Umsetzung sechs Wochen länger gedauert. Es wurden aber auch fünf verschiedene Investoren gefunden. Das war so sicher auch Risikostreuung und hat hier den bisherigen Flickenteppich gut arrondiert.
AH: Sie hatten in ihrer VW-Gruppe bislang mit 650 Mitarbeitern insgesamt 22.000 Einheiten vermarktet. So wie man Sie kennt, stellt der Verlust derartiger Einheiten-Bataillone auf der Landkarte einen markanten Einschnitt dar, oder?
B. Weller: Den Verlust sollte man da zweiteilen. Vom Umsatz allein kann man ja nicht leben. Das haben wir jetzt klar gesehen. Das ist auf alle Fälle erst einmal sehr schmerzlich. Upps, da fällt ein üppiger Zacken weg. Wir wurden auf 33.000 Einheiten zurückgestellt. Damit stehen wir aber weiterhin unter den zehn größten Handelsgruppen in Deutschland. Auch dafür kann man sich nichts kaufen. Es ist ohne Frage ein Umdenken in unserem Unternehmen passiert. Es sind nun mal einige Einheiten weniger. Wir wollen aber weiter wachsen, sicherlich mit Toyota. Die Marke macht gegenwärtig wieder große Freude. Wir wollen wachsen mit BMW. Das hat schon immer Freude gemacht. Bei Toyota liegen wir die ersten vier Monate zwölf Prozent über Vorjahr, auch bei BMW zweistellig darüber, bei Mini atemberaubende 23 Prozent! Das macht alles nicht nur Freude im Umsatz, sondern auch im Ertrag.
AH: Die 22.000 Einheiten pro Jahr Verlust sind das eine, massive Verluste aus der Insolvenz kommen allerdings noch hinzu?
B. Weller: Ohne Frage. Das ist aber ja keine Summe, die man am Tag der Insolvenz mit dem Koffer mitbringen muss. Dann wäre das sehr schmerzlich. Das ist über Jahre hinweg eingeflossen. Der materielle Verlust ist ohne Frage sehr ärgerlich. Er bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich. Das tut aber dem Unternehmen keinen Abbruch. Jetzt ist eine Sparte, die Verluste eingefahren hat, abgeschnitten. Jetzt gilt es wieder die Kasse mit dem zu füllen, was wir haben. Und daran arbeiten wir mit sichtbarem Erfolg.
AH: Was macht Burkhard Welle nach 39 Jahren Branchenaktivität noch Freude am automobilen Geschehen?
B. Weller: Die Veränderung. Wenn das alles so bliebe wie es ist, dann würde ich mir überlegen, wie mein Altenteil aussähe. So aber freue ich mich wirklich an all dem, wie wir aktiv Zukunft gestalten können. Als Herstellermarke wie als Handelsmarke. Ich möchte ja erreichen, dass der Kunde mit Überzeugung ein Auto bei AutoWeller oder B&K kauft. Und da hat jede große Handelsgruppe ihre eigenständige Aufgabe. Differenzierung!
AH: Herr Weller, vielen Dank für das Gespräch!
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Dieter Olk, Bitburg
Jörg Bender
Meyer