Von Benjamin Bessinger/SP-X
Der kleine Stöpsel am Straßenrand kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. All die herausgeputzten Oldtimer sind ihm herzlich egal, vom Flügeltürer hat er nie etwas gehört und die Faszination für Ferrari oder Porsche ist bei dem Knirps noch nicht angekommen. Doch als im knapp 200 Autos starken Feld der Bodensee-Klassik am letzten Wochenende plötzlich ein Opel Rekord in Feuerwehrfarben auftaucht, da strahlt der junge Mann übers ganze Gesicht. Und selbst die brüllend laute Sirene entlockt ihm nur ein noch breiteres Lächeln. Man muss ihn nur anschauen, dann weiß man schon, was er seinem Vater beim Gutenachtkuss noch zurufen wird: "Wenn ich groß bin, Papa, dann werde ich auch Feuerwehrmann."
Der Kleine hat gut reden und seine Karriere in der blauen Uniform vielleicht tatsächlich noch vor sich. Doch der Rekord hat seinen letzten Einsatz schon längst absolviert. Genau wie der Commodore-Krankenwagen und der Kadett in der Uniform der gelben ADAC-Engel, die im Schlepptau des Feuerwehrwagens an diesem Frühsommertag mit Blaulicht und Martinshorn durchs Voralpenland im Schlepptau hat. Diese Dienstfahrt ist deshalb auch kein Ernstfall mehr, sondern eine reine Lustreise mit der Opel seine historisch gewachsene Kombi-Kompetenz unter Beweis stellen und zugleich auf die Premiere des Astra Sportwagon hinweisen will.
Es geht deshalb auf den 500 Kilometern dieser Berg- und Talbahn weder um Leid und Leben, noch um Hab und Gut – sondern allenfalls um den Spaß an der Freude und vielleicht noch um einen möglichst exakten Fahrstil. Kein Wunder also, dass man am Steuer der Einsatzfahrzeuge gar nicht ernst dreinschauen kann, sondern ein Dauergrinsen im Gesicht hat. Und wo die Passanten sonst vor Schreck zusammen zucken, wenn irgendwo ein Blaulicht blitzt oder ein Martinshorn aufheult, haben hier alle ein Lachen auf den Lippen und ermutigen die uniformierten Sonntagsfahrer noch zu diesem Spektakel. Verkehrsübertretung? Regelverstoß? Oder gar Amtsanmaßung? Zwar versteht nicht jeder Auto- oder Motorradfahrer den Spaß und manch ein Oberlehrer fühlt sich zum erhobenen Zeigefinger berufen. Doch selbst die diensthabenden Kollegen in ihren modernen Einsatzfahrzeugen können sich das Lachen kaum verkneifen, wenn die betagte Blaulichtflotte aus Rüsselsheim im vollen Ornat um die Ecke schießt.
Geduld ist angesagt
Wobei das mit dem "Schießen" so eine Sache ist. Denn wer heute einen der Oldtimer fährt, kann sich eilige Einsätze damit kaum mehr vorstellen. Der 31 Jahre alte Rekord zum Beispiel zaubert aus seinem Vierzylinder gerade einmal 100 PS und wenn man am Berg nicht schnell in den dritten oder gar den zweiten zurück schaltet, dann wird jede Passstraße zu einer echten Geduldsprobe. Dass der Wagen mal 175 km/h geschafft haben soll, mag man jedenfalls nicht glauben. Und der Commodore C aus dem Jahr 1981 hat mit 2,5 Litern Hubraum, sechs Zylindern und 130 PS zwar ein bisschen mehr Dampf und schafft in der Theorie sogar 177 km/h, wird aber in der Praxis der Bergwelt eingebremst von einer wunderbar entschleunigenden Automatik. Und auch das riesige Format hilft nicht unbedingt, wenn man den SanKa durch die Serpentinen zirkeln muss. Gut, dass die Pritsche hinten leer bleibt und auch der Sanitäter nicht auf seinen Notsessel im Fond geschnallt werden muss. Am agilsten ist da noch der D-Kadett im ADAC-Trimm – selbst wenn der 1981 gebaute Wagen aus seinem 1,3 Liter-Motor sogar nur 60 PS schöpft und für ihn offiziell bereits bei 147 km/h Schluss ist.
Zwar kommt es bei Oldtimer-Rallyes nicht aufs Tempo an, sondern auf Präzision und Gleichmäßigkeit, so dass man im Grunde mit jedem Auto gewinnen kann. Doch nach teilweise mehr als 20 Jahren ernsthaftem Einsatz fehlt es den Autos ein wenig am Elan und den Fahrern am Engagement für den Kampf ums letzte Zehntel. Auf den Sieg gibt es deshalb nicht den Hauch einer Chance, aber der Spaß ist dafür umso größer. Und er wächst mit jedem Griff zum Blaulicht aufs Neue. Das ist natürlich streng genommen tatsächlich verboten und deshalb – soweit die amtliche Fassung – alles nur erstunken und erlogen. Doch wer einmal mit Sondersignal durch eine Stadt gefahren ist und so die entscheidenden Sekunden auf einer Wertungsprüfung zurück gewonnen hat, der versteht, weshalb noch immer so viele Menschen zur Feuerwehr oder zum Roten Kreuz wollen.
Den Traum vom Rennfahrer und Rallye-Profi hat man am Steuer eines solchen Blaulicht-Veteranen zwar schnell ausgeträumt. Doch dafür kommt einem deshalb die Sehnsucht des kleinen Buben wieder in den Sinn: Wenn ich groß bin, werde ich Feuerwehrmann. Dafür ist es mittlerweile natürlich ein bisschen spät. Aber die Freiwillige Feuerwehr nimmt ganz sicher auch Rentner.