Volkswagen kann seinen Streit mit geschädigten US-Vertragshändlern im Abgas-Skandal beilegen - das kommt den Konzern allerdings teuer zu stehen. Der bereits im August im Grundsatz ausgehandelte Vergleich über bis zu 1,2 Milliarden Dollar (1,1 Milliarde Euro) sei beim US-Gericht in San Francisco eingereicht worden, teilte VW am Freitag über seine US-Tochter Volkswagen Group of America mit. Der Kompromiss muss noch vom zuständigen Richter Charles Breyer genehmigt werden. Dessen nächste Anhörung steht am 18. Oktober an.
Der Autokonzern hatte im September 2015 nach Vorwürfen des US-Umweltamts EPA eingeräumt, Hunderttausende Dieselwagen in den USA mit Betrugs-Software zum Austricksen von Abgastests ausgerüstet zu haben. Weil der Konzern im Zuge der Abgasaffäre den Verkauf seiner Dieselmodelle in den USA gestoppt hatte, konnten viele der insgesamt rund 650 Vertragshändler zum Teil die Wagen nicht verkaufen. Auch sonst hatte der Skandal den Absatz in den USA weiter belastet und am Image der Marke gekratzt.
Bei zahlreichen weiteren US-Zivilklagen, die Hunderte geschädigte Dieselbesitzer sowie US-Behörden und Staatsanwälte eingereicht hatten, hatte VW bereits einen Vergleich über bis zu 15,3 Milliarden Dollar ausgehandelt. Auch diese Einigung muss noch von Richter Breyer abgesegnet werden. Der vorläufige Vergleich gilt für rund 480.000 betroffene Diesel mit 2-Liter-Motoren. Eine Lösung für größere 3-Liter-Diesel steht aber noch immer aus. Bislang konnte der Konzern den Behörden keine akzeptable Lösung zur Umrüstung der Fahrzeuge wie VW Touareg, Porsche Cayenne oder Audi A8 präsentieren.
VW muss sich wegen des Diesel-Skandals weltweit vor Gericht verantworten. Der Schwerpunkt liegt in den USA, wo der Betrug aufflog. Im August hatte das "Wall Street Journal" unter Berufung auf eingeweihte Kreise berichtet, der Konzern befinde sich in Gesprächen mit dem Justizministerium, um auch die strafrechtlichen Ermittlungen bis Ende des Jahres mit einem Vergleich beizulegen. Aber auch in vielen anderen Ländern drohen Konsequenzen.
VW-Händler knöpfen sich Bosch vor
Nach dem Milliardenvergleich mit VW dringen die US-Händler nun auf Entschädigung von Bosch. In der Nacht auf Samstag ging beim zuständigen Gericht in San Francisco eine erweiterte Klageschrift mit neuen Vorwürfen gegen den Zulieferer ein. Wie bereits zahlreiche US-Zivilklagen von geschädigten Dieselbesitzern, geht nun auch die Sammelklage der Autohändler davon aus, dass Bosch beim Abgas-Betrug zweifelsohne die Rolle eines aktiven Mittäters innehatte.
Ab Mitte 2005 hätten Volkswagen und Bosch mit der Entwicklung der Software begonnen, mit der später Abgastests in den USA ausgetrickst wurden, heißt es in der 220 Seiten langen Klageschrift. In den nächsten zehn Jahren habe Bosch die Schummelprogramme gefertigt, installiert, getestet und modifiziert. Die Stuttgarter Firma habe auch bei der Feinabstimmung enge Kontrolle über die Software behalten und trotz frühzeitig geäußerter Bedenken hinsichtlich der Legalität der Programme weiter beim Komplott mitgemacht.
Neu in die Klageschrift aufgenommen worden seien außerdem Aussagen aus dem Geständnis eines VW-Ingenieurs, die den Vorwurf einer Verschwörung in der Abgas-Affäre erhärteten, sagte Klägeranwalt Steve Berman der Deutschen Presse-Agentur.
Ein Bosch-Sprecher sagte der dpa am Montag: "Bosch kooperiert mit den zuständigen Behörden in verschiedenen Ländern und verteidigt seine Interessen in den Klageverfahren." Zu Details äußere sich das Unternehmen nicht. Sollte Bosch nicht auch bald eine außergerichtliche Einigung finden, droht dem Unternehmen ein langwieriger US-Rechtsstreit. Sollte kein Vergleich gefunden werden, beabsichtigt Klägeranwalt Berman, der auch zahlreiche Dieselbesitzer vertritt, am 3. November die Eröffnung eines Zivilprozesses bei Gericht zu beantragen. Zur Höhe einer angemessenen Entschädigungssumme hält er sich bedeckt. (dpa)
Stefan Müller