Im milliardenschweren Musterverfahren der Anleger im VW-Abgas-Skandal dürfte sich eine Entscheidung deutlich verzögern. Anders als zuvor geplant soll der Prozess erst Ende November mit Erörterungen zu möglichen Schäden für die Anleger weitergehen, wie Richter Christian Jäde am Montag sagte. Sieben ursprünglich vorgesehene Termine fallen bis dahin aus. Für ihre Stellungnahmen haben beide Seiten wohl sogar bis Ende Januar Zeit.
Zuvor lieferten sich die Parteien einen heftigen Schlagabtausch. Volkswagen versuche kriminelles Handeln zu verniedlichen, sagte der Anwalt der Musterklägerin Deka Investment, Andreas Tilp, am Oberlandesgericht Braunschweig. Dagegen wehrte sich die Gegenseite vehement: VW-Anwalt Thomas Liebscher sprach von einer "verallgemeinernden Darstellung" und verwies auf die in Deutschland geltende Unschuldsvermutung. Auch der Anwalt des VW-Hauptaktionärs Porsche SE wies den Vorwurf als "pauschale Verunglimpfung" zurück.
Die entscheidende Frage ist: Hat VW die Märkte rechtzeitig über die Affäre um millionenfache Manipulationen an Dieselmotoren informiert? Unbedingt müsse geklärt werden, wer was wann im VW-Konzern gewusst habe, forderte Tilp. Nach dem Bekanntwerden der Abgas-Affäre hatten die Vorzugsaktien des Unternehmens zwischenzeitlich fast die Hälfte ihres Werts verloren, Anleger erlitten teils massive Verluste.
Erst kürzlich hatte Jäde - als vorläufige Einschätzung - erklärt, dass der Autoriese den Kapitalmarkt zu spät informiert haben könnte. Er bezog sich dabei auf das VW-Eingeständnis gegenüber US-Behörden vom 19. August 2015, Dieselmotoren manipuliert zu haben - dies könnte eine kursrelevante Information gewesen sein. Der Konzern übermittelte der Finanzwelt erst am 22. September 2015 diese Nachricht. Aus VW-Sicht gab es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz, bis die US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 mit ihren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit ging.
Jäde stellte auch klar, er sehe keinen Anlass, dem Antrag zu folgen, die Porsche SE nicht mehr als Musterbeklagte neben Volkswagen zu führen. Der VW-Hauptaktionär dürfte damit Teil des Musterprozesses bleiben. Für deren Anwalt spielt dieser Aspekt keine wesentliche Rolle. "Uns ist es im Grunde egal, vor welchem Gericht wir gewinnen", hatte er schon vor der Ankündigung des Senats gesagt. (dpa)