Ausgabe 04/2011: Zu allem bereit

Zu allem bereitKia E Mit einer neuen europäischen Designsprache, zwei neuen Modellen im A- und B-Segment sowie einer großen Palette von Antriebsarten fühlen sich die Koreaner für alle Marktanforderungen gerüstet. von Ralph M. MeunzelMit breiter Brust geht Kia ins Jahr 2011. Nachdem man 2010 die Absatzzahlen steigern konnte, traut Benny Oeyen, Vice President Marketing and Product Planning, seiner Marke dank neuer Modelle noch mehr zu.AH: Herr Oeyen, wie hat sich Kia im vergangenen Jahr entwickelt, hat man die Ziele erreicht?B. Oeyen: Wir haben unsere Ziele eindeutig erreicht. Wir haben im europäischen Markt, der um etwa 5 % herunterging, unsere Absatzzahlen um 7 % gesteigert, was eine Herkulesaufgabe war. Wir sind tatsächlich eine von nur vier Automarken, die ihre Absatzzahlen steigern konnte. D. h. wir haben unseren Marktanteil gesteigert und sind dadurch jetzt auf fast 2 % Marktanteil in Europa gekommen. In einem von den Nachwehen der vergangenen Krise geschüttelten Jahr ist das eine reife Leistung.AH: Welche Erwartungen haben Sie für dieses Jahr?B. Oeyen: Wir erwarten, dass der gesamte Markt in Europa flach bleibt, gleichzeitig denken wir, dass Kia nochmals eine deutliche Steigerung hinlegen kann. Kia hat 2010 knapp unter 260.000 Fahrzeuge verkauft; dieses Jahr werden wir deutlich über 280.000 Einheiten verkaufen, weil wir in zwei wichtigen Segmenten – im A-Segment mit dem neuen Picanto und im B-Segment mit dem neuen Rio – sehr starke und attraktive Produkte einführen.AH: In welchem Land hat Kia derzeit den größten Erfolg?B. Oeyen: Der größte Markt für uns ist England. Der zweitgrößte europäische Markt ist Deutschland, dann kommen Frankreich, Italien, und Spanien. Hohe Marktanteile haben wir aber nicht nur in England, sondern unter anderem auch in Schweden, der Slowakei und in den Niederlanden.AH: Welche Rolle spielt der deutsche Markt für die Marke?B. Oeyen: Eine sehr wichtige Rolle! Deutschland ist der härteste, am meisten umkämpfte Markt. Wir sind hier quasi in der „Höhle des Löwen“ mit sehr vielen, sehr guten heimischen Herstellern; dazu zähle ich auch Ford und Opel. Die gehören zwar zu großen US-Konzernen, werden aber hier als deutsche Marken wahrgenommen. Und in so einem starken nationalen Markt ist es eine Herausforderung, erfolgreich zu sein. Die deutschen Kunden haben sehr hohe Anforderungen. Deutschland ist das einzige Land, in dem es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Um die Autos darauf auszurichten, bedarf es höherer Investitionen und hoher Anstrengungen im technischen Bereich, und damit ist der deutsche Markt sehr richtungsweisend für andere Märkte. Oder um es mal mit Frank Sinatra zu sagen: „If you can make it there, you can make it anywhere.“AH: Welche Neuheiten werden in Genf präsentiert?B. Oeyen: Im A-Segment launchen wir den Picanto und im B-Segment, das immerhin mit 27 % das größte in Europa ist, kommt der neue Rio. Das ist ein gewaltiger Sprung für uns. Der aktuelle Rio gehört eher zur „alten“ Kia-Generation und der neue ist wirklich ein hochattraktives, modernes, technisch auf die höchsten Ansprüche ausgerichtetes, sehr chices Auto. Ich denke, mit diesem Modell werden wir unsere Zahlen kräftig steigern können. Sie werden es in Genf sehen – der neue Rio bedeutet für Kia nicht Evolution, sondern eine echte Revolution!AH: Sieht sich Kia künftig in der Rolle des Generalisten?B. Oeyen: Absolut ja, nicht nur künftig, sondern schon heute hat das absolute Priorität für uns. Wir sind definitiv kein Nischenanbieter; wir besetzen bereits alle großen Segmente – A, B, C, D und SUV. Damit haben wir eine starke Basis und sind mit einer starken Produktpalette unterwegs. Was nicht heißt, dass wir nicht auch ab und zu einen kleinen Ausflug in die Welt der Nischen machen, wie zum Beispiel mit dem Soul. Akademisch gesehen wäre er ein B-SUV, eigentlich ist er auch ein Cross Over – aber eigentlich eine Klasse für sich. Er ist funky und speziell, er ist ein Nischenprodukt.AH: Welche Kundengruppen hat Kia im Visier?B. Oeyen: Ich finde die alten demografischen Einteilungen recht altmodisch. Zu bestimmen, dass der Kunde so alt ist, so viele Kinder hat, das ist für mich das Marketing der 80er, 90er Jahre. Ich fokussiere eher auf Psychographics, „state of mind“. Wir sprechen Kunden an, die sehr pragmatisch sind, aber trotzdem ein modernes, chices Fahrzeug haben wollen. Wir bieten ihnen super Technologie, bei Zuverlässigkeit und Qualität in einer hochattraktiven Schale, in schönem Design verpackt, zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir zielen ab auf den intelligenten, modernen Kunden, der für neue, junge, innovative Marken offen ist.AH: Mit welchen Argumenten tritt die Marke am Markt auf?B. Oeyen: Da gibt es ganz klar zwei strategische Richtungen. Erstens Qualität und zweitens Design. Die strategische Neuausrichtung im Design manifestiert sich in der Person von Peter Schreyer. Seine Philosophie der einfachen, klaren Linie ist jetzt sehr sichtbar. Und dank ihm hat die Marke ein klares Gesicht bekommen, das der ganzen Produktfamilie eine Identität gibt. Der neue Sportage, der seit 2010 auf dem Markt ist, ist das erste 100%ige Schreyer-Auto und mit ihm ist mehr als deutlich, wohin die Reise geht. Das zweite wichtige Argument ist die Qualität. Wir haben durch Marktforschung herausgefunden, dass das größte Hindernis zur Etablierung neuer Marken in Europa das Thema Qualität ist. Potenziellen Kunden fällt es etwas schwerer, der Qualität des bisher Unbekannten zu vertrauen. Und um dem entgegenzuwirken, und da wir von unserer Qualität absolut überzeugt sind, haben wir Anfang 2010 die 7-Jahres-Garantie eingeführt. Es handelt sich um eine übertragbare Herstellergarantie, keine Anschlussgarantie mit Ausnahmen. AH: In welcher Form grenzt sich Kia von Hyundai ab?B. Oeyen: Auf der technologischen Seite sind wir ein Konzern. Im Design, Marketing und bei der Produktpolitik unterscheiden wir uns glasklar. Kia ist die junge, sportliche, dynamische Marke. Das sieht man nicht zuletzt an unserer Farbe, Rot, während Hyundai blau ist. Rot ist die Farbe der Emotionen, rot ist jugendhaft, modern und energiegeladen. Blau steht eher für solides Premium, bezahlbaren Luxus. Hyundai hat den Premium Genesis, Kia hat den frechen Soul. Ich denke, das sagt alles.AH: Welches Modell präsentiert derzeit die Markenwerte am stärksten?B. Oeyen: Ganz klar der neue Sportage. Super Design, super Technologie, sieben Jahre Garantie zu einem großartigen Preis-Leistungs-Verhältnis.AH: Sehen Sie die Mitbewerber eher im asiatischen als im europäischen Lager?B. Oeyen: Beides. Alle Asiaten sind unsere Mitbewerber im europäischen Raum. Bei den europäischen Marken sind es eher die Generalisten, eher Ford, Opel, Fiat, Peugeot, Citroen und Renault. Premiumhersteller wie Mercedes, BMW und Audi sind noch ein bisschen weiter von uns entfernt, VW rückt langsam in Sichtweite. AH: Welche Rolle spielt die Entwicklung und Produktion in Europa?B. Oeyen: Wir haben drei Standorte auf dem Kontinent: ein Entwicklungs- und Forschungszentrum in Rüsselsheim, das europäische Design und die Europazentrale sitzen in Frankfurt und unsere Fabrik ist in der Slowakei. Das zeigt, wie wichtig es uns ist, nah bei den Kunden in Europa zu sein. Unsere Autos werden hier entworfen, sie werden hier maßgeschneidert auf europäische Bedürfnisse entwickelt. Europa ist eine absolut wichtige Komponente in der globalen Strategie von Kia. Und nicht zu vergessen: 60 % der in Europa verkauften Autos werden in unserem Werk in der Slowakei gebaut.AH: In welcher Form werden sich die Automobilmarken künftig verstärkt am Markt differenzieren? B. Oeyen: Ich glaube, in erster Linie durch Design und im nächsten Schritt durch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Massensegment nicht durch Technologie, denn die wird überall in ähnlich hohem Standard verbreitet sein, und da gibt es keine großen Neuerungen, die der eine hat und der andere nicht. Heute legen Kunden einen hohen Wert darauf, ihre Persönlichkeit durch das Design zum Ausdruck zu bringen. Was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft, so wollen die Kunden höchste Technologie, sind aber nicht bereit, dafür Unsummen zu zahlen. Die Nettogehälter kommen in Europa eher unter Druck. Daher ist Preis-Leistung extrem wichtig und wird in Zukunft meiner Meinung nach immer wichtiger werden. AH: Welche neuen Entwicklungen werden im Schwerpunkt forciert?B. Oeyen: Die Hyundai-Kia-Gruppe ist ein sehr großer, weltweit operierender und forschender Technologiekonzern. Wir sind bereit für alles. Während es in manchen Ländern schon jetzt klar ist, wohin die Reise geht, ist dies in Europa noch nicht so ganz eindeutig. In den USA haben Hybridfahrzeuge schon eine ganze Weile recht großen Erfolg, und das wird sich dort fortsetzen. In Europa wird Hybrid nur dann eine wichtige Rolle spielen, wenn man damit deutlich weniger verbrauchen und weniger CO2 emittieren kann als mit herkömmlicher Dieseltechnologie und das Ganze erschwinglich bleibt. Und das ist bei Hybrid nicht immer der Fall. Ein reines Elektromobil wird sich eher im City-Car-Bereich etablieren können, weil Reichweite und Batterieladezeit immer noch ein ungelöstes Problem sind. Brennstoffzellen sind auch noch etwas weiter entfernt. Aber in jedem Fall: wenn Sie sich die Kia-Studien auf den letzten Automobilmessen angeschaut haben, werden Sie sehen, dass wir von allem etwas haben: Wir haben Elektromobile, wir haben Brennstoffzellen, Hybrid in jeder Form oder auch Flüssiggasmotoren. Wenn der Markt sich in eine eindeutige Richtung bewegt, sind wir bereit. Der Beweis: In den USA führen wir in diesem Jahr den Optima Hybrid ein. z

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